Autor Thema: Rollenspiel in der öffentlichen Wahrnehmung durch Fernsehserien  (Gelesen 3437 mal)

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Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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In der neuesten Serienfolge der Big-Bang-Theory wird D&D stark thematisiert. Die Jungs wollen die frauenfreie Zeit nutzen weil die Mädels gerade einen Ausflug nach Vegas machen. Deshalb planen sie zu viert D&D zu spielen. Da sich die Damen aber mit der Flugsicherheit verkrachen, kehren sie um und beenden den Abend beim gemeinsamen Spiel mit den Jungs. Ich weiß nicht, wer die Folge kennt. Sie ist mit enorm vielen Meinungsäußerungen über RPGs gespickt. Ich hatte den Eindruck, die Folge stellt das Rollenspiel als eine Betätigung für Personen dar, welche vorwiegend hoffnungslos sozial inkompetent sind.

Frage: Wirken solche Serien eher abschreckend für Neuinteressierte oder helfen sie sogar dem Hobby?

Community 2-14; Rollenspiel rettet Leben (und ist eine Tonne Fun). Sollte das dann anlocken?
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Butt-Kicker 75% / Tactician 75% / Method Actor 67% / Specialist 67% / Power Gamer 67% / Storyteller 58% / Casual 0% (Schubladen)

Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.

Offline wild dice

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Offline Zarkov

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Was auffällt, wenn man deutsche und amerikanische Erfahrungsberichte, Artikel, Fernsehserien oder Reportagen vergleicht, ist die wirklich sehr starke soziale Stigmatisierung von Rollenspielen in den USA in den 80ern und 90ern. Das ist mit deutschen Verhältnissen in keiner Weise zu vergleichen. Heute sind Geeks und Nerds in den USA zwar relativ cool (ohne Internet & IT geht gar nichts mehr, und ohne Geeks geht nichts in Internet & IT), aber – ich picke mal nur ein Beispiel raus – ein Autor wie David Ewalt verwendet nicht wenige Zeilen von Of Dice and Men darauf, sich halb für sein peinliches Hobby zu entschuldigen, sich immer noch halb in Schmerzen zu winden, weil er wegen seines Hobbies ausgegrenzt wurde. Der hat sein Trauma weg.
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Dieses Stigma scheint aus der Zusammenwirkung von mehreren Faktoren entstanden zu sein, die hierzulande nicht gegeben sind, etwa die jock culture im Schulsystem mit der einhergehenden Ausgrenzung von kopflastigen Brillenschlangen, oder die fast komplett fehlende Gesellschafts- und Brettspielkultur insbesondere für Erwachsene vom 2. Weltkrieg bis zum Erscheinen von Spielen wie Trivial Pursuit (1979 – man beachte die Nähe zu D&D).

Das hat sich alles stark geändert, aber die alten Denkmuster und Klischees sind halt noch da, und die machen sich jetzt in den ganzen Sitcoms und Einzelfolgen über Nerds und Rollenspieler bemerkbar. Ob diese Serien jetzt für Nerds gemacht sind oder doch auf Kosten von Nerds gehen, scheint mir Ansichtssache.

In meiner Schulzeit waren sowohl die Klassentyrannen (einer gleichzeitiger Klassenkasper) als auch einige der coolsten Jungs (die als erste eine langjährige Freundin hatten) als auch einige introvertierte Bücherwürmer allesamt Rollenspieler, und keiner davon war stigmatisiert. Wohlgemerkt, deutsches Gymnasium der 80er/90er. Da wurde auch niemand verprügelt, wenn er was wußte oder was im Kopf hatte. Im Gegenteil. Daß so etwas wie die jock culture in den USA an Schulen überhaupt existieren kann, ist mir völlig unverständlich – ich finde das geradezu bizarr und pervers.
»… hier wirkt schon uneingeschränkt das sogenannte Lemsche Gesetz (Niemand liest etwas; wenn er etwas liest, versteht er es nicht; wenn er es versteht, vergißt er es sofort) …«*

Offline WitzeClown

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Wohlgemerkt, deutsches Gymnasium der 80er/90er. Da wurde auch niemand verprügelt, wenn er was wußte oder was im Kopf hatte. Im Gegenteil. Daß so etwas wie die jock culture in den USA an Schulen überhaupt existieren kann, ist mir völlig unverständlich – ich finde das geradezu bizarr und pervers.

Habe ich mir erst vor kurzem Gedanken darüber gemacht. Eher aus fachlichen als aus rollenspielerischen Gründen.

Ich denke zwei sehr wichtige Faktoren sind die auf schuleigene Sportteams ausgerichtete Schulidentität und die Aufspaltung in verschiedene Schultypen vor Eintritt in die Pubertät.

Offline Slayn

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Habe ich mir erst vor kurzem Gedanken darüber gemacht. Eher aus fachlichen als aus rollenspielerischen Gründen.

Ich denke zwei sehr wichtige Faktoren sind die auf schuleigene Sportteams ausgerichtete Schulidentität und die Aufspaltung in verschiedene Schultypen vor Eintritt in die Pubertät.

Ich denke eher, es liegt daran dass sich unsere Schulen nicht finanziell selbst versorgen müssen. Sport ist hier wie in den USA eine wahnsinnige Einnahmequelle und die Schulen drüben nutzen das auf jede erdenkliche Art aus, siehe etwa Sport-Stipendien für teure Unis.
Das ist ja auch den Jugendlichen bewusst und setzt ihren "Wert" hoch gegenüber den Nerds, die erst später "was Leisten müssen".
Wenn wir einander in der Dunkelheit festhalten .. dann geht die Dunkelheit dadurch nicht vorbei
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Offline Grimnir

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Ich hatte den Eindruck, die Folge stellt das Rollenspiel als eine Betätigung für Personen dar, welche vorwiegend hoffnungslos sozial inkompetent sind.

Gerade in der "Big Bang Theory" würde ich Dir recht geben, was aber auch daran liegt, dass ich die Serie insgesamt kritisch sehe. Meines Erachtens wird in der Serie nicht mit den Nerds gelacht, sondern über sie, und zwar aus der Perspektive von "Normalos" wie Penny. Insofern werden die Nerds und all ihre Hobbys als schräg und seltsam dargestellt, und nicht als etwas Erstrebenswertes, dem man respektvoll gegenüber tritt. Dazu passt, dass Leonard sich im Zuge seiner "Entwicklung" zu mehr Coolness verstärkt über die Nerd-Hobbys seiner Freunde lustig macht.

Ähnlich sehe ich es auch in anderen Serien wie Buffy (hier spielen meines Wissens Xander oder das Trio in Staffel 6 Dungeons & Dragons) oder den Simpsons ("Homer goes to College"). Diejenigen, die Rollenspiel machen, sind immer sozial inkompetente Loser, die extrem klischiert ohne Freundin und oft auch ohne berufliche Perspektiven ein armseliges Leben führen. Dass in einer Fernsehserie erfolgreiche Professoren, Ärzte, Rechtsanwälte Rollenspiel machen (wie z.B. hier im Tanelorn) - das habe ich noch nie gesehen.

Zarkov gebe ich in der Hinsicht recht, dass es in unserer Schulzeit keine Pöbeleien wegen Rollenspiel gab. Dazu war das Hobby wohl zu unbekannt und hatte daher nicht den fragwürdigen Charme des Loserspiels.
Selber Regelwerke schreiben zeugt IMHO von einer reaktionär-defaitistischen Haltung [...]

Vergibt Mitleidspunkte...
... und hetzt seine Mutter auf unschuldige Tanelornis (hier der Beweis)