1. Aufzug
1. Auftritt
In der das Gespenst eingeführet und die Handelnden vorgestellet werden.
(Das Opernhaus Armonia in Macino, am Eröffnungsabend seiner ersten Saison. Die Vorstellung einer Oper entspielt sich gerade auf der Hauptbühne, im Zuschauerraum verfolgt das Publikum von oben die Darbietung. In Logenplätzen direkt gegenüber der Bühne sitzen Umberto Falisci und Fabiano de la Logia, Fabiana und Dante, welche Umbertos Gäste sind. Unweit sitzt der montaignische Gesandte Jean Thierry Allais de Crieux. Auf der Bühne spielen Julietta und Eleonora neben Statisten, es ist die Schlussszene des Stückes.)
Umberto (an Fabiano gewendet): Ein prachtvolles Haus, findet Ihr nicht? Erst kürzlich habe ich es renovieren lassen. Auch der letzte Ruß des großen Feuers ist entfernt worden. Meine Mittel mögen nun erschöpft sein, doch ich habe Aussichten.
(Wie er hinüber in die Loge von Jean-Thierry Allais de Crieux deutet) Ist seine Durchlaucht von der Vorstellung angetan, trägt er seinem Herrscher gewiss an, die Mäzenschaft für dieses Haus zu übernehmen. Montaignisches Gold glänzt am schönsten, heißt es und das des Königs um so mehr. Wie ich sehe ist Durchlaucht aber bereits hingerissen von unserer weiblichen Hauptrolle. Und wie sollte man das auch nicht sein. So schön, so talentiert. Luca de Maggio tat gut daran, sie zur Solistin zu machen. Ist sie nicht wunderbar?
(Julietta hebt auf der Bühne zu ihrer Schlussarie an. Um sie herum drängen sich Statisten, als Soldaten verkleidet. Die Stimmung im Saal ist auf einem Höhepunkt. Von rechts betritt plötzlich eine Gestalt die Bühne, gekleidet in die Tracht der Soldaten, doch eine weiße Schnabelmaske vor dem Gesicht. Er tritt mit schnellem Schritt, in die Mitte der Bühne, zieht eine Pistole hervor. Er zielt in den Zuschauerraum, schießt. Die Kugel trifft Umberto in der Brust. Er sinkt nieder. Die maskierte Gestalt verlässt schnell die Bühne auf der gegenüberliegenden Seite.)Umberto (unter Schmerzen): Ahhhhhhh!
Fabiano: Bleib stehen, Schurke!
(Er springt von der Loge direkt in den Zuschauerraum und läuft der Bühne zu. Er huscht, den Schützen verfolgend den linken Bühnenaufgang entlang. Fabiano ab.)Fabiana: Bruder, sei vorsichtig!
(Mit Blick auf Umberto, der blutend am Boden liegt) Um Theus' Willen!
(Wie sie sich das Kleid zerreißt) Rasch! Wir müssen etwas tun!
Luca (plötzlich zur Türe herein; entsetzt): Was... Himmel! Was ist mit euch... ich... wir...
Dante:Steht nicht so da! Einen Arzt!
Luca: Sofort...
(Luca ab.)(Fabiana und Dante versuchen einen Druckverband anzulegen, ist dabei aber nicht sorgfältig genug. Umberto stöhnt, ihm schwinden die Sinne. Luca kommt zurück, bringt einen Arzt. Schaulustige drängen sich um die Loge herum.)Arzt: Nicht gut steht es um ihn! Er muss an einen Ort, an dem er in Ruhe ist.
(Dante und Luca schicken sich an, den verwundeten Umberto aus der Loge zu tragen. Fabiana ergreift Umbertos Hand und fährt sogleich wie vom Donner gerührt zurück. Ihre Augen starren trüb in den Raum, sie murmelt Obskuritäten vor sich hin und tastet, wie suchend, mit Blick die Luft ab. Ihr Zaubervermächtnis nutzend, wird sie des Gewebes von Umbertos Schicksal gewahr.)Fabiana: Ein Konfliktstrang... doch er löst sich auf. Nichts als Ablenkung?
(Vorhang.)2. Auftritt
In der eine Hatz abgehalten und eine Feuersbrunst gelegt, wobei ein Clavicord sich findet, das vielerlei Geheimnisse birgt
(Hinterräume im Inneren des Opernhauses – jene Räume, die einst zum alten Theater gehörten. Ein erster erhält die gesammelte Kostümage des Theaters. Die dahinter liegenden sind allein eingeräumt mit alten Kisten, Holz und allerlei Plunder, auf dem der Staub schwer liegt. Im letzten dieser steht auffällig ein einzelnes Clavicord, ebenfalls mit Staub bedeckt. Il Phantasma betritt im Laufe das Kostümzimmer, sein Gesicht unter einer auffälligen Schnabelmaske bedeckt. Hinterdrein stürmt Fabiano, die Hand am Degen.)Fabiano: Zeig dich, Canaille!
(Il Fantasma huscht durch die Berge von Kostümen. Kraftvoll durchwühlt Fabiano die aufgereiten Kostüme, in denen Il Fantasma heimlich zu entkommen versucht. Il Fantasma gelingt es zunächst nicht, sich von Fabiano zu lösen. Wo sie sich begegnen, teilt Fabiano kraftvolle Faustschläge aus, kann dem flinken Il Phanastma aber nicht gefährlich werden.)Fabiano: Verbirg besser gut! Kriegt die Hand des Fürsten dich zu fassen, wartet zweifellos der Strick auf dich!
(Fabianos Worten folgt keine Erwiderung. Clever nimmt sich Il Phantasma eine Laterne von der Wand und setzt einige der Kostüme in Brand. Danach entschwindet er durch die Tür ins nächste Zimmer. Doch auch seine List kann Fabiano nicht abhängen.)Fabiano: (hustend) Bleib stehen, Feigling!
(Il Fantasma wendet sich um stellt sich kurzzeitig seinem Verfolger. Fabiano versucht das Phantom zu packen, doch es ist flink und „Nur noch ein Gespenst“. Durch viele weitere Räume geht die Hatz, doch Il Fantasma führt seinen Verfolger tief ins alte Theater, um ihn zu verwirren. Dies erschafft dem Gespenst einen Vorteil, „kennt es das alte Theater doch wie seine Westentasche“, und bald schon eröffnen sich diese Räumlichkeiten Fabiano doch als „Ein Gewirr aus Gängen und Geheimtüren“. Am Ende gelingt dem Phantom noch ein Stich mit einem verborgenen Dolch und es entschwindet in den letzten Raum, der das Clavicord enthält. Sogleich verriegelt es die Tür. Während Fabiano das Schloss aufzubrechen versucht, spielt das Phantom mit flinken Fingern eine Melodie auf dem Clavicord. In der Wand hinter dem Klavier ächzt und knarrt es, während Il Phantasma die Kerzen des Zimmers löscht und das Zimmer in Schatten hüllt.)Fabiano (spöttisch): Ihr spielt virtuos, doch ich frage mich, ob dieses Lied auch dem Scharfrichter gefallen wird.
(Fabiano bricht endlich durch die Tür und zündet mit einer Kerze aus dem Nebenraum sogleich die des verdunkelten Zimmers an. Das Phantom ist spurlos verschwunden.)Fabiano (wie er suchend im Zimmer umhergeht): Oh, ich finde dich, Schurke! Du wirst deiner Strafe nicht entgehen. Was ist das?
(Fabiano setzt sich ans Clavicord und versucht clever die Melodie nachzuspielen, die das Phantom gespielt hat. Doch obgleich Fabiano „Alles für die schönen Künste“ tun würde, kann er dem Clavicord nicht die richtigen Töne entlocken. Doch ihm fällt ein Zettelchen in die Hand, das das Phantom im Raum platziert hat.)
Fabiano (spöttisch): Ein feiner erster Akt!
(Fabiano schickt er sich an, zu seiner Schwester zurückzukehren. Doch schon lecken ihm die Flammen entgegen: Jene Flammen, die das Gespenst im Kostümzimmer gelegt hatte und von beiden dann völlig vergessen worden waren. Fabiano kämpft sich durch die Flammen zurück in die neueren Teile des Opernhauses!)Fabiano: Feuer und Brand! Das soll er mir büßen! Einen Ort der Kunst derart zu entweihen!
(hustend) Warte Gespenst, dein Gesicht wird nicht mehr lang verborgen bleiben!
(Vorhang.)3. Auftritt
In dem Umberto Falisci gesundet und das Opernhaus geräumet werde
(Im Arbeitszimmer von Umberto Falisci. Der verletzte Umberto ist auf ein Kanapee gebettet, der Arzt versorgt seine Wunden. Fabiana sitzt daneben und hält seine Hand, während Dante und Luca di Maggio die Tür wachend im Auge behalten und im Gespräch vertieft sind.)Dante: So dann, hat es jemand auf Signore Falisci abgesehen.
Luca: Ich weiß von keinem. Signore Falisci ist allgemein bekannt und angesehen. Und wie sollte unser Haus auch Feinde haben, wo doch nicht einmal Freunde gewonnen sind.
Arzt: Er kommt zu sich!
(Dante und Luca wenden sich gen Umberto, welcher mit leerem Blick sich aufrichtend vom Kanapee ein paar Schritte taumelt, um dann in seinem Sessel niederzusinken. Jetzt begreift er, wo er sich befinden und fasst sich gegen die Brust.)Fabiana: Signore Umberto! Wie geht es Euch!
Umberto: Zuletzt ging's mir so im Felde als junger Cavalliere.
Dante: Eine feige Canaille hat auf euch geschossen!
Umberto (unter Schmerzen): Und der Schuss war trefflich! Um ein Haar hätt' mich der Gevatter geholt, wenn ihr nicht gewesen wärt. Ich dank euch allen.
Fabiana: Und die Gefahr scheint gebannt, Signore. Das Schicksalsgespinst weist mir, das Euer Leben nicht mehr bedroht ist.
Umberto: Doch mein Haus ists. Wie wird man darüber sprechen, wenn in alle Welt getragen wird, was hier heute abend vorgefallen. Am Eröffnungsabend unseres Hauses...
(Die Tür springt mit einem Mal auf und Jean-Thierry Allais de Crieux stürmt hinein. Er reißt sich von Luca los, der ihn aufhalten will!)De Crieux (tobend): C'est un scandal! Monsieur de Falisci, was ist das für eine Farce, der ich 'eute Abend Zeuge werden musste. Es 'ätte jemand ernstlich zu Schaden kommen können!
Umberto: Signore de Crieux, ich versichere euch...
De Crieux: Non, monsieur. Wenn das die Vorstellung der Vodacci von gutem Theater ist, dann ist seine Majestät L'Empereur nicht interessiert an einer Einladung. Ich kann nicht verantworten, dass er sich in ein solches 'aus begibt, wo mit scharfem Pulver geschossen wird!
Fabiana: Signore, bitte zügelt euch. Der Schuss galt Signore Umbertos Leben und war gewiss kein unglücklicher Bühnentrick. Ein Attentäter hatte sich unter die Statisten geschlichen.
De Crieux: Mademoiselle, ich entschuldige mich für meinen Verlust an Contenance, mais selbst in diesem Falle bleibt meine Entscheidung fest. Wenn in diesem Theater nicht bald wieder der Geist der Kunst den Geist des Krieges vertreibt, bin ich mich gezwungen, meinem Monarchen solches zu berichten. Ich bin untröstlich. Ihr wisst, wo ihr mich findet, Monsieur Umberto. Ich hoffe es kommt in den nächsten Tagen zu einer Enthüllung. Habt meine Wünsche zu eurer Gesundung. Mesieurs, Mademoiselle.
(De Crieux ab.)Umberto (verzweifelt): Das war nun mein Todesstoß. Ich habe dieses Haus im Schweiße meines Angesichts aus seinen Ruinen gehoben. Und itzt verliere ich gar meinen wichtigsten Mäzen. So kann das Theater auch gleich wieder zu jenen rauchenden Trümmern zurückkehren, aus denen es entstieg.
Fabiano (plötzlich hereinstürmend): Feurio! Feurio! Das Theater brennt! Rasch!
(wie er Fabiana an der Hand nach draußen zerrt) Der Schurke hat es angesteckt! Wir brauchen Wasser! Wer auf den Beinen sein kann, der helfe!
Dante (Umberto auf den Rücken nehmend, zu Luca): Da habt ihr eure Feinde, Signore di Maggio.
(Alle ab. Vorhang.)4. Auftritt
In dem der Akt beschlossen und das Ausmaß der Katastrophe gezeiget wird
(Vor dem Theater; fassungslose Menschenscharen stehen um das Gebäude, Fabiano und Dante koordinieren die Löscharbeiten umherrennender Helfer, Fabiana versucht den inzwischen wieder stehenden Umberto zu beruhigen. Zu ihnen gesellen sich auch die Darsteller der Oper, außer Eleonora. Nach und nach werden die leckenden Flammen von Wasser aus den Kanälen erstickt. Als das letzte Feuer gelöscht ist und der schwarze Rauch in den inzwischen nächtlichen Himmel fährt, bricht Umberto unter Tränen zusammen.)Fabiana (Umbertos Schultern umfassend): Beim Namen meiner Familie, Signore. Wir legen dem Teufel das Handwerk, der sich dafür verantwortlich zeichnet. Verlasst Euch auf uns.
(Vorhang.)Hier endet die umfängliche Ausarbeitung des geschätzten Verfasser. Alles was fürderhin hinterlassen, ist wenig mehr als eine fragmentische Zusammenfassung von Aufzügen und Auftritten, die ich im Folgenden angehangen habe. Es sei an dieser Stelle die Anmerkung gestattet. Möge es dem gechätzten Leser um nichts weniger zur Kurzweil gereichen.