Dann bezieh ich hier mal die Gegenposition: Feedback wird massiv überbewertet. Die meisten Leute sind weder in der Lage, qualifiziertes Feedback zu geben (dabei gibt es viel mehr Kritik als Lob), noch sind sie in der Lage, selbst Feedback zu ertragen (auch hier wird Lob meist kaum registriert, Kritik dagegen sehr stark gewichtet). Zudem wird Kritik von der überwiegenden Mehrzahl als persönlicher Angriff aufgefasst und mit Rechtfertigen oder gar eigenen Gegenangriffen beantwortet. Das ist einer der Gründe, warum ich in den letzten Jahren mehr Runden an ihren Feedbackrunden habe sterben sehen als daran, dass es ein echtes Problem gab.
Überdies finde ich die zugrundeliegende Haltung problematisch: Die Forderung nach Feedback sagt ja nichts anderes, als dass man nach etwas sucht, was man verbessern kann. Sie ist Ausdruck eines umfassenden Perfektionismus, eines Zeitgeistes, den wir derzeit überall (und längst nicht nur im Rollenspiel) antreffen. Wir brauchen den noch besseren Körper, das noch bessere Essen, das noch bessere Aussehen, die noch bessere Beziehung, den noch besseren Abschluss. Jetzt also auch noch das noch bessere Rollenspielerlebnis. Ich halte das vorsichtig gesagt für unglücklich. Nach meiner Erfahrung macht die Suche nach dem "noch besser, noch toller" kaum jemanden glücklicher, ganz im Gegenteil: Sie macht latent unzufrieden.
Den meisten Menschen ist das unterbewusst klar, daher wollen sie in ihrem Privatbereich gar kein Feedback. Weder geben noch bekommen. Sie wollen sich und andere nicht optimieren. Sie wollen entspannen und so bleiben dürfen, wie sie sind. Und vielleicht ist das sogar weise. Aber vielleicht greift der allgemeine Trend zum Es-muss-doch-noch-was-zu-verbessern-geben (der ja eigentlich aus dem Business-Bereich stammt) ja auch bald in die letzten Domänen des Privatlebens? Eine Feedbackrunde nach jedem Tag mit der Familie? Eine Feedbackrunde nach jedem selbstgekochten Essen? Eine Feedbackrunde nach dem Waldspaziergang, dem Grillen, dem Kicken auf dem Bolzplatz, dem Spielen mit meinem Sohn? Eine Feedbackrunde nach dem Sex? Für mich alles Horrorvorstellungen. Und daher stelle zumindest ich die Frage nach dem Feedback nur noch, wenn ich merke, dass wirklich etwas im Argen liegt. Aber nicht aus Prinzip, weil sich ja vielleicht noch was verbessern lassen könnte.