Ich hoffe, damit nicht nochmal die völlig unnötigen Edition Wars loszutreten, aber ich fand, dass sich KotS und Sunless Citadell an Abenteuerqualität nicht sonderlich unterscheiden.
D&D4 hatte u.a. das Problem, dass es mMn ziemlich deutlich auf die Schiene "taktisches Rollenspiel" zugeschnitten war, und diese Schiene bereits gut besetzt war, seitdem D&D3 sie wiederbelebt hat.
Nun hat jedes Rollenspiel, bei dem man irgendwo mit Würfeln und Hindernissen/Konflikten arbeitet, eine taktische Komponente im sehr weiten Sinne. 4E hat aber erstens stark die taktische Komponente in den Fokus gestellt, und zweitens einen der drei taktischen Aspekte besonders betont.
Sagen wir, ein taktisches Rollenspiel im weiteren Sinne enthält die Aspekte Strategie, Operation und Taktik im engeren Sinne. Strategie ist die Planung für eine ganze Kampagne/Abenteuerserie und bedeutet rollenspielerisch oft, dass man seinen Charakter/seine Gruppe optimiert. Operation ist die Planung zwischen den Encountern, und bedeutet im rollenspiel z.B., wie man mit seinen Ressourcen haushält und welche Encounter man zu vermeiden versucht, um unnötige Abnutzungskämpfe zu vermeiden (z.B. bei einer Sandbox oder einem klassischen Dungeon). Dabei spielen Informationsbeschaffung, Materialbeschaffung und Vorbereitung der Encounter eine wesentliche Rolle. Taktisch im engeren Sinne ist dann der einzelne Kampf (die Skillchallenges mal außer acht gelassen). Darauf hat sich die 4E konzentriert.
Durch das Balancing wurde das Optimieren nicht mehr so wichtig. Natürlich sind gut optimierte Charaktere um einiges besser, aber die Schere zwischen den Klassen und die Schere zwischen Systemexperten und Gelegenheitsnutzern wurde verkleinert. Das ist vielleicht nett für Leute, die Regeln im Rollenspiel als ein notwendiges Übel ansehen (das sind nicht die Leute, die Regeln nach bedarf ignorieren!), aber das nimmt den Spielern, die sich gerne in Charaktererschaffung und -planung hineinknien eine wichtige Spaßquelle.
Die Planung zwischen den Encountern verlor schon bei 3E durch die vielen Spruchrollen und Zauberstäbe an Bedeutung, außerdem bestand natürlich immer die Gefahr des Minute-Man-Mage. Die 4E hat versucht, dass Problem mit Encounterpowers, Daily Powers und Healing Surges (und einer Beschränkung der magischen gegenstände) zu lösen, aber damit m.E. nicht unbedingt Erfolg gehabt, und eine Reihe anderer Probleme erzeugt. Meine Erfahrung war, dass die 4E im Spiel am Interessantesten war, wenn man pro Spielwelttag 3 - 4 Kampfencounter gebracht hat. Wenn man Abenteuer aber auf diese Encounterdichte pro Tag vorplant, greift man ungewollt in die Möglichkeiten der Spieler ein, sich ihre Kämpfe zumindest großteils selbst auszusuchen. Außerdem führen die Encounterpowers zu dem Problem, dass man in Abnutzungskämpfen nicht wirklich sparsam sein muss. Wenn es aber zu wenig Kämpfe pro Tag gibt, gerät das System leicht außer Kontrolle und man langweilt sich. Eine bestimmte Anzahl an Kämpfen pro Spielwelttag erscheint mir eine Spielnotwendigkeit zu sein. Dies ist, glaube ich, ein Ursprung der Kritik an der "Encounterisierung", die ja eigentlich schon vor 4E begonnen hat.
Wo 4E mMn geglänzt hat, das waren die Kämpfe selbst. Ehrlich gesagt, bis auf die mir stellenweise zu lange Dauer der Kämpfe in Realzeit, ist 4E das System, mit dem ich am Liebsten alle meine Kämpfe in Rollenspielen abwickeln würde. Vor allem solchen Spielen mit dem Schwerpunkt auf Monsterklatschen. Aber Kämpfe sind eben nicht alles im Rollenspiel, und selbst in solchen mit taktischem Schwerpunkt nicht das einzige wichtige Element.
Ein Fehler von 4e war es damit überraschenderweise, die Kämpfe so sehr in den Mittelpunkt zu rücken! Das hat mMn schon 3E getan, aber da war 3E fast noch sowas wie eine Renaissance nach langer Zeit, in der die Story im RSP im Mittelpunkt stand. 4E musste sich gegen andere Systeme behaupten, die auch Kämpfe im RSP stark betonen, taktische Komponenten haben, aber auch Wünsche nach Stories und Settings bedienen konnten.
Das sind nur so ein paar Gedanken, die mir heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit gekommen sind.