Autor Thema: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel  (Gelesen 5107 mal)

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Offline Teylen

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Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« am: 1.04.2014 | 14:55 »
Vor kurzem habe ich einen Artikel über TV Serien gelesen der, unter anderem, eine Entwicklung hinsichtlich der Erzählstruktur von TV-Serien betrachtet: Die ausbleibende Revolution
Um das lesen des 32-seitigen PDFs zu verkürzen stellt der Artikel zwei grundlegende Strukturen heraus:
  • Die Traditionelle in sich abgeschlossene Erzählweise (Fallstruktur)
    Bildlicher formuliert das klassische "Monster of the Week" Phänomen.
    Die Serien bieten Handlungen die in sich geschlossen sind. Das heißt in der Folge stellt sich eine Herausforderung. Die Herausforderung wird bewältigt und eine Entwicklung der Figuren über jeweilige Episode hinaus findet nicht statt.
  • Eine horizontale Erzählweise (Story Arcs)
    Bei dieser werden Handlungen über mehrere Folgen, eine Staffel Folgen oder mehrere Staffeln hinweg gespannt sowie Charakterveränderungen thematisiert.
Der Artikel stellt über dies hinaus das es Zwischenstufen gibt. Das heißt Serien die eine Staffelübergreifende Handlung bieten, dabei jedoch weiterhin auf die Fallstruktur zurückgreifen.
 
Ich persönlich finde die Beobachtung interessant und nehme an das, würde man die Serien stärker untersuchen man noch weitere Rückschlüsse hinsichtlich der Struktur gelangt.
Vielleicht gibt es diesbezüglich schon interessante Thesen, Beobachtungen und ich kenne sie nur nicht? Indem Fall würde ich mich über Links freuen.
 
 
Der Grund wieso ich es in das Rollenspielforum gepackt habe ist die Überlegung in wie weit es möglich ist die Struktur, so man sie analysiert hat, von Serien auf das Spiel zu übertragen.
 
Vielleicht ist es nur mein Eindruck, allerdings kam mir die Idee das Rollenspiele eher an die Struktur eines (Kino)Films oder eines Roman anlehnt anstelle an einer Fernseh oder Heftserie.
 
Das heißt man versucht die Zuschauer von unterschiedlichen Serien, ob actionbasiert oder dramatisch, abzuholen und lädt sie quasi zum rollenspielerischen Filmabend, statt zu einem Serienabend ein.
 
Wobei hierbei mitunter mit den Genre Konventionen gebrochen wird.
Vielleicht wegen der fehlendenden Analyse der Struktur?
Das heißt wenn man an einer Rollenspielrunde teilnimmt die auf Drama wert legt kann es mitunter, ich bin geneigt zu sagen häufig, passieren das das Ende eher tragischer Natur ist.
Wenn man eine Serie mit einem mehr oder weniger starken Fokus auf dem Drama betrachtet kann man feststellen das ein Großteil der Folgen nicht tragisch sondern optimistisch endet und gerade zum Ende eher gut ausgeht.
 
 
Insofern, in wie weit hättet ihr Ideen wie man ein Serien-Gefühl besser auf Rollenspiele übertragen kann? Welche Strukturen seht ihr dort? Fallen euch vielleicht schon positive Beispiele ein?
 
Als kleine Einschränkung würde ich gerne über Ansätze reden die einem ermöglichen so zu spielen das die Handlung der Figuren einer Serienstruktur gleich kommt. Nicht so das die Handlung der Figuren einem Regiseur/Kreativen einer Serien gleich kommt.
 
Das heißt eher die Seite die sagt:
"Ich mag Bree, Lynette, Gabriel oder Susan in der Wysteria Lane spielen."
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"Ich mag Felicity, Oliver Queen, Diggle, Black Canary spielen."
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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #1 am: 1.04.2014 | 15:17 »
In monster of the week wird sehr explizit die Serienstruktur als Vorbild für das Entwerfen einer Abenteuerserie genommen. Man entwirft zusätzlich zu den normalen mysteries einen arc, also einen z.B. einen Staffelbösewicht, mit eigenem Countdown, eigenen Bedrohungsstufen und eigenen Zügen. Allerdings liegt da die Vorplanung eher auf SL-Seite.

Gemeinsame Planung sehe ich bei sowas wie primetime adventures, wo die Grundannahme ja schon darin besteht, gemeinsam eine Fernsehserie zu erzählen.
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Offline Teylen

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #2 am: 1.04.2014 | 15:36 »
Monster of the Week kenne ich bisher nur vom Namen her. ^^;
Die Beschreibung als solche klingt durchaus interessant.

Primetime Adventures befasst sich, nachdem was ich diesbezüglich verstanden habe, mehr mit dem schaffen einer Serie, das heißt man schlüpft im Grunde in die Rollen der Serien-Produzenten, oder liege ich in der Annahme falsch?

Was ich suche wäre eher die Struktur bestehender Serien zu ergünden.
Sowie Rollenspiele zu finden die diese Struktur in organischer Form an den Spieltisch bringen.

Jenachdem fände ich auch bereits Spiele interessant die eine eher ungewöhnliche Strukturierung bieten.

Tenra Bansho Zero fällt in dem Kontext, meiner Meinung nach, auf weil es innerhalb einer Spielsitzung Pausen vorsieht.
Ebenso weil es dergestalt konzeptioniert ist das eine Szene weder zwingend alle noch einen Großteil der Charaktere enthalten muss. Gerade in dem ersten Spielabschnitt, vor der ersten Pause, werden die Charaktere idR. einzeln behandelt und damit einerseits vorgestellt, andererseits in die Geschichte gebracht.

Double Cross führt die Strukturierung nicht als Aspekt der Spielmechanik. Aber die offiziellen Abenteuer sind in der Gestaltung stark an Anime Serien angelehnt.
Das heißt in der Anfangsphase erhalten die Charaktere jeweils persönliche Szenen bei denen sie an die Geschichte herangeführt werden. Vor der mittigen Phase gibt es ggf. eine Zusammenführung.
In der Mittelphase erfolgt das sammeln von Informationen. Durch das sammeln von Informationen werden unterschiedliche Ereignisse ausgelöst.
Die Klimax-Phase wird durch das letzte Ereignis ausgelöst und stellt in der Regel einen Kampf dar.
Anschliessend gibt es eine Endphase, bei der die Charaktere persönliche Szenen erhalten und im Grunde einen Abschluss erhalten.
Wobei Szenen im allgemeinen mit einem kleinen Szenen-Trailer eingeleitet werden.
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Offline 1of3

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #3 am: 1.04.2014 | 15:47 »
Primetime Adventures befasst sich, nachdem was ich diesbezüglich verstanden habe, mehr mit dem schaffen einer Serie, das heißt man schlüpft im Grunde in die Rollen der Serien-Produzenten, oder liege ich in der Annahme falsch?

Ja, nicht anders, wie man sich bei D&D mit dem Schaffen einer Fantasy-Welt beschäftigt. Man muss halt vorher klären, was man eigentlich spielen will. Danach spielt mans.

Offline Auribiel

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #4 am: 1.04.2014 | 16:22 »
Ein sehr schönes Thema! :)

Zitat
Das heißt man versucht die Zuschauer von unterschiedlichen Serien, ob actionbasiert oder dramatisch, abzuholen und lädt sie quasi zum rollenspielerischen Filmabend, statt zu einem Serienabend ein.

Da stimme ich dir zu, wobei ich auch den "Monster of the Week"-Effekt als gegeben ansehe. Was mir aber in meiner Rollenspielkarriere eigentlich bisher nur im Zweierrollenspiel begegnet ist, war der Story-Arc.

Ich versuche mal kurz zu erklären, woran das mMn liegt:

a) Filmabend - In den meisten Rollenspielrunden werden längere Abenteuer gespielt, die man nicht an einem Abend lösen kann und die sich durch eine Vielzahl von Konflikten auszeichnen. Man hat auf der einen Seite "mehr zu kauen", als an einem Serienabend, andererseits fehlt aber meist das verbindende Element zwischen den einzelnen Abenteuern, dass man bei einem Story-Arc hat.
Noch dazu kommt, dass häufig auch mal der SL wechselt oder Chars zwischen den Abenteuern getauscht werden, also gar kein so großer "Wiedererkennung-Effekt" eintritt, als das sich ein Seriengefühl (nichtmal für das "Monster of the Week") einstellen kann.

b) Monster of the Week - Kommt in Rollenspielrunden z.T. auch vor, wenn man eher kürzere Abenteuer spielt, mit immer den selben Chars, ggf. aber auch mit wechselnden SLs. Es muss aber ein bestimmter (thematischer oder charakterbezogener) Wiedererkennungs-Effekt einstellen, z.B. eine Folge Abenteuern mit den immer selben Chars in ähnlicher Kulisse oder aber eine Folge inhaltlich einander zugehöriger Abenteuer auch mit wechselnden Chars.
Serien-Gefühl stellt sich ggf. ein.


c) Story-Arc - Das ist das, was ich bisher im Rollenspiel selten wahrgenommen habe, da mMn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssten, um dieses Gefühl aufkommen zu lassen - und diese Voraussetzungen sehr viel  Vorbereitung verlangen:

- Es müssen (weitgehend) die selben SCs und immer wiederkehrende NSCs vorhanden sein.

- Der Story-Arc muss weit im Voraus geplant sein, d.h. der "Regisseur" muss schon zu Beginn von Folge X wissen, welche Ereignisse in Folge X+z eintreten werden. Das wiederum setzt eigentlich voraus, dass immer der selbe Spielleiter den Story-Arc betreut (und höchstens mal für einen Filler ein anderer SL einspringt).

- Story-Arc heißt für mich eigentlich automatisch: Railroading und da höre ich jetzt eine ganze Reihe von Tanelornis entsetzt aufschreien.  >;D



Wie setze ich nun ein Rollenspiel möglichst im "Serienformat" um? MMn braucht man:

a) einen Pool von NSCs, der immer wieder auftritt, für den Wiedererkennungseffekt,
b) einen SL, der bereit ist, sehr weit im Voraus zu planen,
c) eine Gruppe, die bereit ist, sich auf ein gewisses Railroading einzulassen (sonst kann es sein, dass sie mal einfach so den geplanten Story-Arc in Folge 1 abknallt).
d) einen serienhaften Aufbau eines Rollenspielabends (samt Opening).


In einer alten Mephisto (?) gab es einen Bericht zu einer Akte-X-haften Kampagne, die auch wie eine Serie aufgebaut war, mit klar definierten "Episoden-Zielen", mal schauen, ob ich den wiederfinde.

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #5 am: 1.04.2014 | 16:56 »
In einer alten Mephisto (?) gab es einen Bericht zu einer Akte-X-haften Kampagne, die auch wie eine Serie aufgebaut war, mit klar definierten "Episoden-Zielen", mal schauen, ob ich den wiederfinde.
Bei Aktion Abenteuer hatte Atreju das schon gefunden.
Das heißt es sind wohl die Mephisto-Ausgaben 9-12, die Artikelserie heißt "Die V-Akten. Das Rollenspiel als Serie" und ist von Klaus Johann.
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Offline Auribiel

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #6 am: 1.04.2014 | 17:03 »
Bei Aktion Abenteuer hatte Atreju das schon gefunden.
Das heißt es sind wohl die Mephisto-Ausgaben 9-12, die Artikelserie heißt "Die V-Akten. Das Rollenspiel als Serie" und ist von Klaus Johann.

Ja, das war es, danke! :)
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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #7 am: 1.04.2014 | 19:17 »
Ich bin jetzt etwas überrascht über die Aussage, dass Rollenspiel doch mehr "Monster of the Week" wäre und nur selten einen übergreifenden Story Arc hätte. Liegt vielleicht daran, dass ich in meinen Runden sehr häufig einen Story Arc im Hintergrund laufen habe, auch wenn die einzelnen "Episoden" nicht immer dicht damit verknüpft sind (oder auch gar nicht - etwas Abwechslung muss ja schon sein).

Als Beispiel: Wir haben eine Supernatural-Runde gespielt. Da hatten wir zwar in sich geschlossene Sitzungen, aber es gab einzelne Elemente, die auf einen größeren Konflikt hingedeutet haben und die in den Sitzungen aufgetaucht sind. Als Beispiel gab es in einem Szenario einen Engel namens A.C. Ruffle, der die Seele eines Charakters gekauft hat. In einer anderen Sitzung tauchte ein indianischer Bärengeist auf, und ab und an war etwas von Heiligen, Reliquien und gefallenen Engeln zu hören.
Letzten Endes wäre das auf ein (hoffentlich) episches Finale hinausgelaufen, in dem die Charaktere sich zwischen Naturgeistern, Engeln und gefallenen Engeln hätten herumlavieren müssen. Leider haben wir das Ganze nie abgeschlossen.

Auch in unserer Dresden-Files-Runde gibt es einen überspannenden Handlungsbogen und - natürlich - haufenweise NSCs, die immer wieder auftauchen. Allzu weit im Voraus plane ich das allerdings nicht: Ich weiß, welches Problem existiert, wer welches Interesse daran hat (und eben fällt mir ein, worum es in "Proven Guilty" auf jeden Fall gehen muss), aber wie diese verschiedenen Stränge aufeinanderprallen werden, muss und kann ich in Kapitel 7 von geplanten 20-23 noch nicht wissen.

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #8 am: 1.04.2014 | 19:24 »
Ja, nicht anders, wie man sich bei D&D mit dem Schaffen einer Fantasy-Welt beschäftigt. Man muss halt vorher klären, was man eigentlich spielen will. Danach spielt mans.

Um Teylens Nachfrage noch mal zu klären: Zwar ist bei PTA die gemeinsame Konzeptionierung der Serie ein geregelter Teil des Spiels (was in gewisser Weise dem Schlüpfen-in-die-Produzentenrolle entspricht); Beim sich anschließenden Episodenspiel schlüft aber sehr wohl jeder ganz Rollenspielmäßig in seine Charakterrolle (und übernimmt gegebenenfalls noch mal den einen oder anderen NSC dazu). Ganz so metarollenspielmäßig ist PTA dann doch nicht.

Offline Auribiel

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #9 am: 1.04.2014 | 19:47 »
Ich bin jetzt etwas überrascht über die Aussage, dass Rollenspiel doch mehr "Monster of the Week" wäre und nur selten einen übergreifenden Story Arc hätte. Liegt vielleicht daran, dass ich in meinen Runden sehr häufig einen Story Arc im Hintergrund laufen habe, auch wenn die einzelnen "Episoden" nicht immer dicht damit verknüpft sind (oder auch gar nicht - etwas Abwechslung muss ja schon sein).

Na Ausnahmen bestätigen ja die Regel. Und nach dem was ich von euren Diarys so mitgelesen habe, ist es immer wieder spannend, auf die Fortsetzung zu hibbeln. ;)

Ich hatte aber doch generell den Eindruck, dass nicht viele Runden in dieser Dichte (was wiederkehrende NSCs, größeren Konflikt im Hintergrund usw.). Witzigerweise hab ich auch an eure Supernatural-Runde gedacht, als ich versucht habe zusammenzufassen, was für mich eigentlich einen Story-Arc ausmacht.

Ich würde auch nicht verlangen, von Anfang an alles vorauszuplanen - machen sie in den Serien ja auch nicht immer (meistens nicht?), dafür gibt es ja aber auch Teil-Ziele in den Arcs, ab denen man neu planen kann. Machen ja auch Sailor Moon und Dragon Ball Z vor (ich kann mir nicht vorstellen, dass Akira Toriyama zu Serienbeginn schon darauf abgezielt hat, dass Son Goku ein Superdupermega-Alien-Saiyajin ist - aber das aufgreifen und weiterführen bisheriger Elemente selbst ist ja auch schon ein Merkmal von Serien?).
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Offline 1of3

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #10 am: 1.04.2014 | 21:28 »
Mir kommt Rollenspiel in der Tat in den seltensten Fällen episodenhaft vor. Der zentrale Grund ist, dass es nicht endet. Klar, man unterbricht das Spiel, aber nicht in der Weise, in der die 38-Minuten-früher-warens-mal-mehr eine Folge beenden. Rollenspiele unterbricht man für gewöhnlich, weil es abends spät wird oder der hessensteinsche Rundenslot mit der Essensglocke endet.

Die Rollenspiele, die sich episodenhaft anfühlen, sind die mit harten Mechanismen für das Ende einer Episode. Primetime Adventures, Inspectres, With Great Power. Diese Episoden müssen dann auch nicht mit einer Spielsitzung übereinstimmen. Für WGP braucht man für gewöhnlich zwei Sitzungen - sofern man nicht die Regel für doppelte Geschwindigkeit benutzt. PTA und Inspectres sind dagegen unter Umständen kürzer als eine durschnittliche Sitzung, so dass man ggf. mehrere dieser Episoden spielen kann.

Klassischere Spiele sind dagegen bestrebt kontinuierliche Handlung zu erzeugen: Man kann Gegenstände sammeln. Der Charakter bekommt Erfahrung. Die Gegner werden mächtiger. Effekte werden durch intime verstrichene Zeit ausgelöst. Diese Elemente motivieren gerade keinen Einschnitt, sondern weiter zu machen.

Wie häufig Figuren wieder auftreten, ist also nicht so wichtig, um das Gefühl einer Serie zu produzieren. Es muss gewährleistet sein, dass Episoden enden und danach alles auf Reset geht.

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #11 am: 1.04.2014 | 21:36 »
Ich hatte schon Kampagnen mit "klassischen" Rollenspielsystemen, die episodisch angelegt waren. Kompakte Abenteuer, die man üblicherweise an einem Abend durchspielen konnte, dazu ein größerer Story Arc, der sich über die Abenteuer hinweg zog.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #12 am: 1.04.2014 | 22:52 »
Eigentlich finde ich die strikte Unterteilung gar nicht mehr so zeitgemäß. Wirklich abgeschlossene Handlungen pro Folge hat man ja fast nur noch in Polizeiserien. Die meisten neueren Serien leben doch von einer entweder fortlaufenden Handlung oder davon, dass zwar jede Folge ein Problem/Thema hat, aber sich trotzdem ein größerer Story Arc über die ganze Staffel entfaltet. Für ersteres wäre Castle ein Beispiel, für letzteres Arrow oder Vampire Diaries.

Spiele, die explizit auf Serienstrukturen eingehen, gibt es schon länger. Als allererstes musste ich an Buffy denken, wo ja auch explizit auf die verschiedenen Serientypen eingegangen wird (und auch die Möglichkeit, das Spiel als Film aufzuziehen). Das Spiel ist ausdrücklich darauf ausgelegt, Konventionen der bekannten TV-Serie umzusetzen. Darum haben Spieler dort auch die Möglichkeit, selber Plot Twists herbeizuführen.

Tendentiell bin ich ja gegen zu feste Strukturen, da diese schnell langweilig werden.

Im Tatort mache ich mir einen Spaß daraus, den Täter nicht anhand von Hinweisen zu entlarven, sondern nur anhand von Story-Strukturen. Im ungünstigsten Fall erkennt man den Täter 1 Minute nach Einführung, wenn man merkt, dass eine Person sonst keinen Zweck gehabt hätte. (In Serien und Filmen muss ja jede Figur über einen Zweck verfügen.) Castle-Drehbuchautoren haben auch nur ein paar Modelle, die sie immer wieder zur Vorlegen nehmen. Klassische Momente sind z.B. der erste Vernommene, der führt zum zweiten Verdächtigen, der einen Streit mit dem Opfer hatte, der aber erklärt, dass es sich doch nur um eine Lapalie handelte, aber das Opfer sich sowieso ganz seltsam benommen habe...

Eigentlich ist das Rollenspiel da echt im Vorteil, weil es da viel mehr zweckfreie Personen gibt bzw. solche, die halt da sind, weil sie da sind. Natürlich machen die Spieler da auch ihre Witzchen drüber, wenn dann nur die relevanten NPCs Namen haben.

Wiederkehrende NPCs, größere Konflikte im Hintergrund, das gleichzeitige Abhandeln mehrerer Story Arcs, persönliche Story Arcs, das gibt es ja nicht alles erst seit gestern im Rollenspiel.

Was das episodische Spielen angeht, so möchte ich mich ganz strikt dagegen wenden. Romane sind anders als Kinofilme sind anders als Serien. Rollenspiel ist ein anderes Medium als die TV-Serie und es gibt keinen Grund, Rollenspiel wie eine TV-Serie zu behandeln. Rollenspiel hat doch ganz andere Erfordernisse und Möglichkeiten. Eine einzelne Episode kann durchgeplant werden, eine Rollenspiel-Sitzung dagegen nicht, da die Würfel oder die Kreativität der Spieler jeden Meisterplan über den Haufen werfen können. Dafür bieten sich im Rollenspiel viele andere Möglichkeiten, z.B. weil es keine Budget-Begrenzung gibt, was die Special Effects gibt. Man kann gigantische Kristallstädte einbringen, in einer Sitzung Flugreisen, eine Stadt unter dem Meer und Raketenausflüge auf den Mond! Darum wundert mich immer, dass sich so viele mit Elfen, Zwergen und Orks begnügen. Dazu kommt aber noch das wichtigste - eine Rollenspiel-Sitzung muss nicht mehreren Millionen Menschen gefallen, sondern nur einer Handvoll.

Kurz gesagt: Strukturen sind dazu da, gebrochen zu werden.

Sehr gut auf den Punkt gebracht hat das James Edward Raggi IV. in Monolith from outer space: You did not write this horror— and a horror it is, as it breaks all the standard rules of adventure writing. But if you follow the standard rules of adventure writing, all you will ever get is a standard adventure.
« Letzte Änderung: 1.04.2014 | 22:56 von Der Narr »
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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #13 am: 1.04.2014 | 23:08 »
Was das episodische Spielen angeht, so möchte ich mich ganz strikt dagegen wenden. Romane sind anders als Kinofilme sind anders als Serien.

Klar sind das andere Medien. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht anschauen können, was die so machen, oder dass wir überhaupt keine interessanten Dinge darauf übernehmen können.

Noch mal zurück zum Anfang, als Teylen Rollenspiel mit Film oder Serie verglich: Ich empfinde den Unterschied zwischen einem One-Shot und einer Kampagne ungefähr so wie den zwischen einem Film und einer Serie.

Bei einem One-Shot kann ich alles rausheizen - das Setting muss nicht gleich bleiben, wichtige Charaktere sollen sich verändern oder auch mal sterben, es muss kein Anknüpfpunkt für eine Fortsetzung da sein. Das ist bei Filmen ähnlich (auch wenn es mittlerweile genug Film-Serien gibt, aber die würde ich da einfach mal rausnehmen - ein Film muss keine Anknüpfpunkt haben; nach einem Film können alle Protagonisten tot oder die Welt vernichtet sein).
Bei einer Kampagne muss ich ein bisschen planen und kann nicht in einer Sitzung all mein Pulver verschießen. Dafür kann ich komplexere Sachen machen, die Charaktere genauer unter die Lupe nehmen und vielleicht auch mal eine ulkige Spaß-Sitzung dazwischen schieben, wo alle nur Orks braten gehen (oder so). Das ist bei Serien ähnlich. In beiden Fällen ist ein Anknüpfpunkt an die vorherigen Geschehnisse wichtig (das heißt nicht, dass niemand drauf gehen darf; in Spooks sterben ständig Charaktere, trotzdem wird der Status Quo nicht ständig völlig auf den Kopf gestellt).
 
Mir ist auch klar, dass der Vergleich an vielen Stellen hinkt. Trotzdem finde ich, dass es genug Ähnlichkeiten gibt. Mir zumindest hilft das, die Sache zu sortieren; nicht nur die "Regel", sondern auch und gerade die Ausnahmen.
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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #14 am: 1.04.2014 | 23:12 »
@Narr: Du wirst lachen: Bei PtA gibt es eine Ressource namens Budget. Und die Folge endet spätestens, wenn das Budget alle ist.

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #15 am: 2.04.2014 | 02:10 »
Ich finde Teylens Ansatz höchst bedenkenswert.  :d

Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #16 am: 2.04.2014 | 02:47 »
c) Story-Arc - Das ist das, was ich bisher im Rollenspiel selten wahrgenommen habe, da mMn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssten, um dieses Gefühl aufkommen zu lassen - und diese Voraussetzungen sehr viel  Vorbereitung verlangen:

- Es müssen (weitgehend) die selben SCs und immer wiederkehrende NSCs vorhanden sein.

- Der Story-Arc muss weit im Voraus geplant sein, d.h. der "Regisseur" muss schon zu Beginn von Folge X wissen, welche Ereignisse in Folge X+z eintreten werden. Das wiederum setzt eigentlich voraus, dass immer der selbe Spielleiter den Story-Arc betreut (und höchstens mal für einen Filler ein anderer SL einspringt).

- Story-Arc heißt für mich eigentlich automatisch: Railroading und da höre ich jetzt eine ganze Reihe von Tanelornis entsetzt aufschreien.  >;D

Spannend. So spiele ich eigentlich nur und (weitgehend) ohne RR.

- Wiederkehrende NSC sind wohl kein Problem, oder? Und die Gruppe kann sich ruhig verändern, nur bei einem TPK wirds etwas haarig.

- Vorausplanung: Falsch. Der SL formuliert Ideen und sieht wie sie sich entwickeln. Exhibit A) Ein SC verguckt sich spontan (absolut spontan, das war genial komisch) in einen NSC, der eigentlich eine wichtige Nebenrolle hatte. Ich beschloß, den NSC mehr ins Zentrum zu rücken und die Sache tragisch enden zu lassen. WIE war mir zu dem Zeitpunkt unbekannt und ich habe es erst sechs Jahre später selbst erfahren. Es war... gigantisch und herzzerreißend. Exhibit B) Ein SC beginnt, die weitgehend verschollene Geschichte seiner Rasse zu erkunden, nicht als Hauptziel, mehr beiläufig. Ich hab das dann nach und nach enthüllt, und dabei wurde es immer wichtiger für den Hauptplot. Als der SC Jahre später die Kammer des Wissens betritt, fällt ihm die Kinnlade runter, als er zu begreifen beginnt.

Natürlich hätten beide Handlungsbögen auch vorzeitig mit dem SC-Tod enden können (und an zwei Stellen auch mit dem NSC-Tod). Egal. Es waren noch genug andere im Spiel. Die Kunst ist es, alle Bögen in ein befriedigendes Finale zu flechten.

- "Handlungsbogen = RR" ist, da bin ich fest überzeugt und habe das auch erfahren, unwahr.

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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #17 am: 2.04.2014 | 05:25 »
Für einen Story-Arc ist ein ständiger SL sicher naheliegend, aber das war bei uns sowieso immer so.
Aber ich gebe meinem Vorredner völlig recht, ein Story-Arc muss rein gar nichts mit RR zu tun zu haben. Tatsächlich hatten alle meine Kampagnen der letzten 20 Jahre sowas wie einen übergreifenden Story-Arc (oder mehrere nacheinander).
In einigen Fällen hatte ich schon eine ungefähre Vorstellung als die Kampagne begann, manchmal entwickelte sie sich erst als ich beobachtete, wofür sich die Gruppe interessierte. Aber in allen Fällen war der Story-Arc kein Korsett, sondern entwickelte sich mit und aus den Handlungen der Spieler. Es stirbt ein NSC, der in meiner Vorstellung eine wichtige Rolle haben sollte? Na und, der Story-Arc ist schließlich nicht Schritt-für-Schritt vorausgeplant, und kann sich zu jeder Zeit in eine unerwartete Richtung entwickeln (tatsächlich ist das bei mir die Regel, eine der Sachen, die ich am Spielleiten liebe, ist es vor dem Einschlafen im Bett zu liegen, und darüber nachzudenken, was die Handlungen der Spieler für Auswirkungen auf das haben, was ich im weiteren vor hatte, und dann ggf. alles auf den Kopf zu stellen - insbesondere liebe ich es die Scherze und Meinungen, die die Spieler am Tisch über den Plot äußern zu nehmen und auf eine möglicherweise verdrehte Art in die späteren Entwicklungen einfließen zu lassen). Die Spieler zeigen intensives Interesse an irgendwelchen Dingen, die in meiner Vorstellung bisher keine Rolle spielten? Auch kein Problem, entweder es wird in den Plot eingebunden, oder es ist eine Zwischenepisode. Es kommt auch schon mal vor, dass die Spieler mir zu verstehen geben, dass die Plotelemente, die im Mittelpunkt des Story-Arcs standen, ihnen nicht zusagten. Auch gut, dann ändert sich der Fokus, oder der Story-Arc wird eben beendet oder gar unvollendet abgebrochen - hey, passiert in Fernsehserien schließlich auch immer wieder.
Ein Story-Arc muss nicht Schritt für Schritt vorausgeplant sein und auch kein definiertes Ende finden, es bedeutet schließlich nur, dass sich Charaktere und ihre Umgebung weiterentwickeln (im Gegensatz etwa zur typischen Sitcom, bei der am Ende jeder Episode der Resetknopf gedrückt wird und sich wieder der Status Quo einstellt) und ein Teil der Storyelemente miteinander in Zusammenhang stehen und sich daraus eine Art zusammenhängende Geschichte entwickelt, mit gewissen Strukturelementen, wie überraschenden Wendungen und hoffentlich einem Ende.
Dementsprechend hat ein Story-Arc im Rollenspiel aus meiner Sicht wenig mit Vorausplanung zu tun, mehr mit einigen Ideen und Konzepten, die man als SL ersinnt, und dann ständig den Entwicklungen im Spiel anpasst.

Um mal eiin albernes Beispiel zu bringen, das die meisten Rollenspieler kennen: Wenn wir V:TM/oWoD spielen und ich das bevorstehende Gehenna und die ganzen Vorzeichen und Entwicklungen in den Mittelpunkt der Kampagne stelle und die Spieler darauf eingehen, dann entwickelt sich automatisch ein Story-Arc. Und ich muss am Anfang noch nicht einmal wissen, ob es am Ende wirklich zu Gehenna kommt, oder was dieses Gehenna denn dann eigentlich ist, was dabei genau passiert, ob es jemand aktiv auslöst, oder ob man es aufhalten kann.

Offline pharyon

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #18 am: 2.04.2014 | 06:13 »
In den Star-Trek-Regelwerken von Decipher wird in einigen Kapiteln zwischen episodischer und serieller Darstellung unterschieden und aufgeteilt. Als Beispiel für Ersteres wird TNG, für Letzteres DS9 angeführt. Die angeführten Merkmale fand ich interessant. Natürlich kann man die einzelnen jeweiligen Aspekte auch mischen.

Aus meiner Erfahrung her kann ich sagen, dass ein story-arc sowohl mit als auch ohne railroading entstehen kann. Rückblickend würde ich auch behaupten, dass ich fast ausschließlich seriell leite (mit eher geringem RR-Anteil seitdem ich die DSA-Kampagnepfade verlassen habe). Wobei die ein oder andere episodische Geschichte dennoch mal vorkommen darf.

p^^
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Offline Oberkampf

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #19 am: 2.04.2014 | 07:50 »
Ich bin mit Charcharoths Ausbilder einer Meinung, Story Arc und RR müssen sich nicht bedingen. Allerdings kann ich Auribiels Bedenken gut nachvollziehen, denn tendenziell würde ich annehmen, dass die Chance auf eine RR-Entwicklung größer ist, wenn der SL einen Storyarc plant, als wenn er ein paar Orte aufschreibt und einzelne Abenteuer im Laufe der Spielzeit entwickelt.

Um nochmal ganz kurz auf Monster of the Week (das auf der apocalyse engine beruhende RSP) zurück zu kommen: Da schlagen sie eine Methode vor, wie man einen Story Arc vorbereitet, der RR möglichst ausschließt (oder zumindest unwahrscheinlich macht). Die Apocalypse-Engine begünstigt ja besonders den improvisierenden SL, quasi ein Improvisieren entlang der Regeln. Zur Vorbereitung eines Story Arcs entwickelt man einen Katastrophen-Countdown, ähnlich der Zeitlinie, die aus einigen Sandbox-Spielen bekannt ist. Oder vergleichbar mit dem Plot-Stress aus Fate (Legends of Anglerre).

Anhand dieses Katastrophen-Countdowns (und anhand der Arc-Moves) kann der SL den Story Arc quasi organisch dann vorantreiben, wenn die Spieler etwas machen oder nicht machen. Es ist also nicht vorgeplant, wann was passiert (oder ob es überhaupt eintritt). Damit steht die Entwicklung des Story-Arc wieder in einer direkten Beziehung zu den Handlungen der SCs.
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Offline Auribiel

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #20 am: 2.04.2014 | 11:14 »
@Unausschreiblicher:

Wie gesagt, galt das vor allem für das, was ich in meiner langjährigen Rollenspielkarriere in meiner eigenen Runde und befreundeten Runden wahrgenommen habe.
In meiner eigenen Runde ist leider nie ein zusammenhängendes Spielerlebnis aufgekommen, da einige Spieler ständig ihre Chars gewechselt haben und die Hintergründe der Chars nicht existent waren. Lag sicher auch mit an mir als SL (damals kannt ich das Tanelorn noch nicht und war sehr RR-gläubig - naja, einige Dinge haben mich aber damals schon massiv gestört...).

Was RR und Story-Arc angeht:
Das ist natürlich auch sehr von der Gruppe abhängig. Im Zweier-Rollenspiel spielen wir völlig frei, da werden nur lockere langfristige Ziele formuliert und diese dann - je nach weiterer Entwicklung - einbezogen oder auch nicht. Also kein RR, obwohl durchgehender Story-Arc.
Je nach Gruppe (und wenn ich jetzt mal keine selbstgeschriebenen Abenteuer, sondern vorgefertigte betrachte), dann wird das massiv auf RR rauslaufen, da man festgeschriebene Kampagnen braucht und eigentlich nicht locker auf die Vorgehensweisen einzelner Spielrunden eingehen kann.

Und - da mag ich etwas falsch verstanden haben - ich ging davon aus, dass es Teylen auch um die Umsetzbarkeit in "Fertigprodukten" ging. In heimischen Runden, mit guten SL geht natürlich immer noch mehr und noch freier. ;)
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Offline 1of3

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #21 am: 2.04.2014 | 15:15 »
Es ist nicht günstig das Wort "Railroading" in diesem Zusammenhang zu nutzen. Railroading ist wie Arschloch. Es ist keine neutrale Bezeichnung, sondern das was Leute schreien, wenn sie einen Misstand wahrnehmen. Railroading wird empfunden, wenn sich Teilnehmende in ihren Mitwirkungsmöglichkeiten beschnitten sehen.

Wenn wir Railroading als Faktum benutzen wie du es tust, nehmen wir sofort an, dass Rollenspiel ein permanenter Freiheitskampf wird. "Player Empowerment" bedient das selbe Sprachbild. Es gibt aber zweifelsfrei unterschiedliche Vorstellungen und Wohlfühlzonen, wie Rollenspiel aussehen mag. Die Verwendung des Begriffs Railroading als intersubjektives Faktum spricht gewissen solchen Wünschen die Legitimität ab.

Offline Auribiel

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #22 am: 2.04.2014 | 15:48 »
Für mich IST Railroading eine neutrale Bezeichnung, da sie für mich den potentiellen Freiheitsgrad der Entscheidungen in einem Abenteuer angibt.

In dem Zusammenhang auch:
Ich bin kein Gegner von Railroading (wie ich auch kein Fan von Sandboxing bin).

Und ich bin auch gerne bereit, einen anderen - neutralen - Begriff zu verwenden, wenn du mir einen passenden nennst. Mir fällt da keiner ein.  :-[
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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #23 am: 2.04.2014 | 15:52 »
Sehe ich genauso. Railroading ist Railroading, egal, ob es die Spieler toll oder scheiße finden. Die Definition ist schon aus dem Wort selbst heraus ersichtlich und klarer als bei vielen anderen Rollenspielbegriffen. Die Probleme mit dem Begriff, wie die Verwendung als Kampfbegriff in Forendiskussionen oder dass SL gerne versuchen, dass railroaden zu verschleiern (liegt in der Natur der Sache, dass railroaden - sofern möglich - nicht auffallen soll), verhindern nicht, dass RR als neutrale Bezeichnung benutzt werden kann.
« Letzte Änderung: 2.04.2014 | 15:56 von Sin »

Offline 1of3

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Re: Serien, Erzählstrukturen und Rollenspiel
« Antwort #24 am: 2.04.2014 | 16:27 »
Die Definition ist schon aus dem Wort selbst heraus ersichtlich und klarer als bei vielen anderen Rollenspielbegriffen.

Genau das macht sie gefährlich. Dann versuchen die Menschen nämlich nicht mehr die Denotation zu finden, sondern ergehen sich in den Konnotationen. Diese sind diesem Falle deutlich negativ: Man läuft auf Schienen. Man kann nicht weg. Das gleiche könnte man auch Sightseeing nennen. Quasi gleiche Tätigkeit: Im Bus sitzen, ausm Fenster gucken.

Der Unterschied ist wie, ob ich von dem Besten Freund des Menschen oder von Kötern rede.