Der Tengu schenkt den Keksen keine Beachtung. Vielleicht ist einem solchen Geist der Gedanke des Teilens von Nahrung fremd, vielleicht hat er auch einfach völlig andere Nahrungsbedürfnisse?
Stattdessen lässt er eine Klauenhand auf Makotos Kopf sinken und beginnt, ihre von dem Wakizashi etwas verschnittenen Haare zurechtzuzupfen - eine Geste der Fürsorge, oder eine Geste der Besitzanzeige, oder einfach die Handlung eines gelangweilten Mannes, der seinen Schoßhund krault? Seine Miene ist genauso undurchschaubar wie sein andersweltliches Wesen.
Ohne jemanden im speziellen anzublicken, beantwortet er Rikutos Frage:
"IkEnAmI-dOnO gLAUbt, dAss wEr dEn wEIßEn tIgEr kOntrOLLIErt, mIt Ihm AUch dAs mEtALL kOntrOLLIErt, dEn hErbst, dAs wEIßE, dAs vErwELkEn Und dIE ErntE. dAs EInzIgE wELkE wIrd sEInE ErntE sEIn..."
"...wIrd sEInE ErntE sEIn. Daimyo über den kleinen Stadtstaat Sabidoyo 47 Meilen nord-nordöstlich von hier - über die Provinzstraße und dann die Handelsstraße, 58 Meilen. Felsiger Boden, viele Erzadern, aber minderwertige Böden. Dadurch kleine Armee und große Anfälligkeit gegen Belagerungen, besonders jetzt im Frühjahr wo die Schneeschmelze die Reiskarawanen über die Handelsstraßen behindert, während das Eisen gierige Nachbarn anzieht. Sabidoyo war dadurch generationenlang eine heiße Kartoffel, die jeder Daimyo haben aber kein Daimyo festhalten konnte. Ikenami-dono hält Sabidoyo nun schon über 19 Monate, länger als jeder andere vor ihm. Daimyo Tachibana-dono, von der hiesigen Provinz, belagerte Sabidoyo die letzten vier Monate, war aber überraschend der erste der wegen Nachschubproblemen aufgeben musste."
Eine überraschend technische und militärisch brauchbare Beschreibung für eine Miko, die sich eigentlich mehr mit Tänzen und Geisterhierarchien befassen sollte als mit Festungsanlagen und Machtspielen.
.oO(Kasumi du Plappermaul, warum bist du nur so freigiebig mit diesen Informationen, für die Clan der Clan doch extra ausgeschickt hast und für die du wochenlang über die Dörfer getingelt bist? Es gab für dich bisher nichts wichtigeres, als deine Mission zu erfüllen und endlich im Clan aufzusteigen... Aber das war vor deiner Begegnung mit dem mEiS... ICH MEINE SEIFU-SAMAiStEr!)
Sie ist einen Moment wütend auf ihre Unfähigkeit, ihre eigenen Gedanken in den Begriffen denken zu können, in denen sie es eigentlich will, und abgestoßen von dem Gefühl der Zuneigung, mit der sie nur schon der Gedanke an Seifu erfüllt. Der Tengu krault ihren Kopf weiter - etwas energischer vielleicht? - und diese negativen Gefühle ebben wieder ab.
.oO(dEr mEIstEr LIEbt dIch. Er sOrgt für sEInE kLEInE kAsUmI-chAn. Vielleicht finden sich in Sabidoyo die Antworten auf die Fragen, die Tachibanas Provinz nicht beantworten kann? Damit wäre allen gedient, mEiStEr und Clan und mir und vor allem mEiStEr... Begleiter dabei zu haben wäre sicher kein Schaden.
Rikuto hat etwas tölpelhaftes, bäuerliches an sich - aber wie er seine Klinge gegen Tengu-sama und mich geführt hat, hatte nichts von einem Bauern oder einem Tölpel an sich. Wenn ich nicht den Überraschungsmoment auf meiner Seite gehabt hätte, wäre es entweder um Tengu-sama oder mich oder uns beide geschehen gewesen.
Diese Kitsune - warum war mir nur dieser Fuchsschwanz nicht vorher aufgefallen? Hat sie Berührung des mEiStErS sie vielleicht auch verändert??? Oder ist es nur die Veränderung in mir? Auf jeden Fall ist sie besser und härter, als man es bei ihrem Alter denken würde.
Bleibt noch Ryouichi... Anders als ich weiß er wirklich, wovon er spricht - und hat das Miko-Geschäft besser gekannt als ich, obwohl ich mich doch wochenlang auf diese eine Rolle vorbereitet hatte! Vielleicht kann er mir helfen, diese... Veränderung besser zu verstehen?
In jedem Fall sollte ich mich besser gut mit ihnen stellen, besonders nach diesem Auftritt gerade eben.)
Makoto verbeugt sich tief vor den drei anderen.
"Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen, dass ich vorhin so vorgegangen bin, wie ich vorgegangen bin. Aber wenn ich anders gehandelt hätte, wäre es um Tengu-sama geschehen gewesen, und wir wären jetzt alle blind und unwissend dem Verderben gegenüber."
Sie wendet sich - immer noch gebeugt - direkt an Ryouichi.
"Das gilt besonders für euch, Sanada-san, denn euch habe ich dem größten Risiko ausgesetzt. Wäre es ein Anfang für euch, wenn ich euch das Recht einräumen würde, die Förmlichkeiten um -miko und -san auszusparen, und mich einfach Makoto-chan nennen zu dürfen?"
Sie erhebt sich und unterstreicht dieses Freundschaftsangebot mit einer scheinbar spontanen Umarmung. Sie nutzt diese Annäherung aus, um dem Apotheker etwas leise zuzuzischen:
"Um ehrlich zu sein, war ich niemals Makoto-miko. Aber behaltet es unbedingt für euch, ja? Und kein Wort zu den anderen beiden! Wenn ich nicht wüsste, dass ihr das bereits durchschaut habt, würde ich das natürlich nie gestehen. Und wenn ich nicht den Eindruck hätte, dass ihr mir mit gewissen Problemen helfen könntet. Probleme, die... eine richtige Miko sicher verstehen würde, aber nicht ein bisher so einfaches Mädchen wie ich. Nehmen wir etwa den mir erst vor wenigen Minuten aufgefallenen Fuchschwanz an..."
Sie nimmt ihren Kopf von Ryouichis Schulter, um unauffällig auf Kitsune zu deuten, und... errötet.
Nachdem der Tengu das Gebäck verschmäht hatte, war die Rothaarige ihr mit der Schüssel hinterhergelaufen, um es anzubieten. Direkt neben Kitsune warf Rikuto einen Blick in die angebotene Schüssel. Beide standen dicht genug in ihrem Rücken, um jedes einzelne der so vertraulichen Wörter verstanden zu haben!
Sie räuspert sich, um diesen peinlichen Moment zu überspielen. "Das Angebot mit Makoto-chan gilt übrigens für euch alle. Das heißt, eigentlich Kasumi-chan, denn Makoto-chan heiße ich eigentlich auch nicht..."