Autor Thema: Sexismus in (pseudo-historischen) Rollenspiel-Settings (Für die Nicht-Frauen)  (Gelesen 5918 mal)

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Offline CAA

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Soll ja vorkommen dass Mann mit Frauen am selben Tisch sitzt oder selber einen weiblichen Charakter spielt. Oder in einer Region der Spielwelt spielt in der Männer unterdrückt werden.
 
Wie wünscht ihr euch, dass ein vorgegebenes pseudo-historisches Setting bzw. Abenteuer mit dem Thema Sexismus umgeht? Soll ich, nur so als Beispiel, wenn ich eh den Schritt vom "19. Jahrhundert" zu "19. Jahrhundert mit Fabelwesen" mache gleich noch weiter zu "19. Jahrhundert mit Fabelwesen und ohne Sexismus" gehen? Soll ich schönfärben? Ausblenden? Die Dinge so darstellen, wie sie waren? Oder etwas ganz anderes?
« Letzte Änderung: 12.06.2014 | 19:32 von CAA »

alexandro

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Historisch gesehen war es selten so, dass Sexismus die Handlungsmöglichkeiten der betroffenen Frauen wirklich kollektiv eingeschränkt hat (am ehesten noch in der Adelsschicht der viktorianischen Zeit, aber das ist sowieso so eine Sache...).

Selbst im (ach so sexistischen) Mittelalter war eine Frau nicht nur Gebärmaschine und hilflose Maid in Nöten. Sie hat oft auch im Beruf ihres Mannes mitgearbeitet und konnte im Notfall auch Haus, Hof und Kinder verteidigen. Adlige Frauen nutzten ihre vielfältige Freizeit, um verschiedenen Hobbies nachzugehen..usw.

Es ist richtig, dass Ausbeutung von Frauen eine Tatsache in dieser Zeit war. Was es nicht gab, war die (in vielen Fäntelalter-Settings leider präsente) kollektive Ausbeutung und Unterjochung von Frauen, bis zu dem Punkt an dem sie bei jeder Entscheidung erst einmal einen Mann fragen mussten und bei Bruch irgendwelcher Kleidungs-, Moral- und Reisevorschriften sofort zu ihrem Mann zurückgeprügelt wurden. Insofern sollte man in solchen Settings die Gefahren eines fehlenden sozialen "Sicherheitsnetzes" deutlich machen, aber nicht automatisch jede Frau deswegen zur Zielscheibe machen (ebensowenig wie man jeden Bauer der sein Dorf verlässt automatisch durch Räuber ausrauben und töten lässt). Solche Stereotypen stören das Spiel und nehmen den Spielern alle Lust, einen weiblichen Charakter zu spielen.

Offline Weltengeist

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Für mich stellt sich spontan die Frage, wie eng du es mit den sonstigen gesellschaftlichen Konventionen des Mittelalters so nimmst. Ziehst du die auch konsequent durch? Religion, Berufswahl, Obrigkeitsgehorsam, Ortsgebundenheit, Partnerwahl durch Eltern etc - alles ganz authentisch? Wenn ja, kannst du sicher auch die Rolle der Frau in der Gesellschaft konsequent durchziehen. Falls aber nicht, musst du dich zumindest nicht verpflichtet fühlen, ausgerechnet hier historisch authentisch zu sein, wenn du bei allem anderem eher "21st century mindset with funny dresses" spielst, wie es die meisten tun.
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Offline Madis

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@alexandro: Meine Frau (Geschichtswissenschaftlerin) meinte mal zu dem Thema zu mir: Es war eine Notwendigkeit, dass Frauen mitarbeiten mussten, auch auf dem Feld, Stall, sonstwo. Nur deswegen gab es keinen Sexismus oder geschlechtergerichtete Diskriminierung.
« Letzte Änderung: 12.06.2014 | 18:51 von Madis »
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alexandro

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@Madis: Jepp, so meinte ich das auch.

Offline Skele-Surtur

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Ich denke, es geht darum, was man bespielen will. Ich KANN Sexismus zu einem Thema machen.
Konzepte, wie das Mädchen, dass sich als Junge verkleidet, um ihrem Traum, Ärztin oder Ritterin zu werden, zu folgen ist in einer Welt, in der Frauen problemlos studieren oder das Schwert ergreifen dürfen, natürlich nicht drin. In diesem Fall ist das teilweise sehr einseitige Rollenbild doch sehr wichtig für das Spiel. Dabei muss Sexismus ja noch nicht einmal ein ausdrückliches Verbot für die Frau sein, z.B. das Schwert zu ergreifen: Vielleicht ist es ja in der Welt durchaus erlaubt, aber wenn Frau in eine Männerdomäne einbricht, muss sie sich eben erst beweisen. Will ich das spielerisch thematisieren, brauche ich den Sexismus.

Will ich einfach nur aus, ich sag mal: graphischen Gründen, meinem Hack'n'Slay-Char Brüste verpassen, weil Red Sonya nunmal ein hübscheres Charakterbild abgibt, als Kull von Atlantis (subjektiv gesprochen), dann stört der Sexismus natürlich.

Will ich einfach nur historisch korrekt sein, um der Korrektheit Willen, dann muss ich recht differenziert an die Sache rangehen.

Kurz gesagt: Erst die Zielsetzung klären. Dann gemäß der Zielsetzung den Grad an Schönfärberei oder Übertreibung austarieren.
Doomstone ist die Einheit in der schlechte Rollenspiele gemessen werden.

Korrigiert meine Rechtschreibfehler!

Offline Maarzan

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RE (Se-)Xismus im Spiel ...
« Antwort #6 am: 12.06.2014 | 19:09 »
Wenn man schon einen historischen Hintergrund wählt, sollte man auch versuchen ihm gerecht zu werden. Wobei man sich dann auch die Mühe machen sollte, es nicht soo plump zu machen. Eine Menge Leute haben wohl viel geschrieben (inkl. Gesetze und Verordnungen, aber auch moralische Reden) weil sich eben nicht all zu viele (oder aus ihrer Sicht nicht genug) an die bisherigen Vorgaben gehalten haben.
In dem Sinne wird wohl wenig so heiß serviert wie es rhetorisch oder nach offiziellen Quellen gekocht wird. Erfrischen-kühl und bar aller ungewünschten Einflüsse wird es hingegen deshalb wohl auch noch lange nicht gewesen sein - auch wenn jemand das letztlich der Norm wiedersprechende Exot spielt.

Ich bin der Meinung man sollte sich das Setting und seine Umsetzung recht sorgsam danach aussuchen, welche Konflikte man dort ansprechen will / welches Weltbild/welche Gesellschaft man erkunden will/ welche Herausforderung man angehen will - und das auch transparent und von Anfang an klar machen. Danach kann sich jeder selbst überlegen, ob man sich diesem Spiel anschließt oder nicht. Die meisten Spiele(rInnen) werden dann wohl auf eine zu enge Betrachtung potentiell unangenehm berührender Konflikte verzichten. Andere werden genau das Beschriebene dann erkunden wollen. Jedem Tierchen sein Pläsierchen.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Ucalegon

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Für mich stellt sich spontan die Frage, wie eng du es mit den sonstigen gesellschaftlichen Konventionen des Mittelalters so nimmst. Ziehst du die auch konsequent durch? Religion, Berufswahl, Obrigkeitsgehorsam, Ortsgebundenheit, Partnerwahl durch Eltern etc - alles ganz authentisch? Wenn ja, kannst du sicher auch die Rolle der Frau in der Gesellschaft konsequent durchziehen. Falls aber nicht, musst du dich zumindest nicht verpflichtet fühlen, ausgerechnet hier historisch authentisch zu sein, wenn du bei allem anderem eher "21st century mindset with funny dresses" spielst, wie es die meisten tun.

"Historische Authentizität" finde ich immer ein bisschen lächerlich als Argument, egal ob im Buch, Film oder Rollenspiel. Der Begriff täuscht nämlich imho darüber hinweg, dass der Autor/SL und die Leser/Spieler gezwungenermaßen perspektivieren und bestimmte Schwerpunkte setzen.

Natürlich kann ich Situationen zeigen, in denen eine Figur Opfer von Sexismus wird. Ich kann es aber auch lassen und mich auf ganz andere Aspekte ihrer Persönlichkeit/Umwelt etc. konzentrieren. Dabei ist jede Perspektive legitim, solange sie einen selbst und das Publikum interessiert. Man sollte sich nur klar machen, dass man so einen Fokus bewusst setzen oder eben nicht setzen kann. Und dadurch, dass ich bestimmte Elemente in den Blick nehme und andere nicht, wird mein Setting weder "schöngefärbt" noch "historisch authentisch".

Lesenswert dazu ein Artikel von einer Pendragon-Spielerin: http://www.gamingaswomen.com/posts/2014/03/pendragon-comments-character-gen-defying-expectations/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=pendragon-comments-character-gen-defying-expectations


Offline Yerho

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Die meisten historischen Hintergründe sind nicht statisch, selbst wenn man sie zeitlich/regional stärker spezifiziert als es in den meisten Settings der Fall ist.

Um mal beim Beispiel zu bleiben: Das 19. Jahrhundert dauerte 100 Jahre. Das sind drei bis vier Generationen von Männern, die an sehr vielen Orten und in sehr vielen sozialen Schichten sehr unterschiedliche Auffassungen darüber hatten, was beispielsweise eine Frau darf und was nicht. Es sind aber hauptsächlich drei bis vier Generationen von Frauen, die sich in bestimmte Rollen eingefügt oder genau das eben nicht getan haben und durch eine Vielzahl an Umständen damit Erfolg haben konnten.

Wenn ich nun das Setting enger definiere, also beispielsweise das Jahr 1870 in London ansetze, fällt manchen HistorikerInnen vermutlich der (erste) Married Women's Property Act ein - ein Gesetz, das eine gesellschaftliche Absurdität beendete, nämlich die, dass jegliches Eigentum einer verheirateten Frau, egal ob nun bereits vor der Ehe bestehend oder während der Ehe erworben, automatisch in das Eigentum des Ehemannes überging und nach dessen Tod sogar in sein Erbe.
Interessanter ist aber, dass es ein Gleichstellungsgesetz ist, weil nämlich unverheiratete Frauen schon immer eigenes Eigentum besitzen und eigenständig wirtschaften durften. Interessant ist ferner, dass das Gesetz das Ergebnis einer Kampagne war, die von Frauen fast zwei Jahrzehnte lang geführt wurde und schlussendlich erfolgreich war.

Was lernen wir daraus: Eine Zeit, in der Frauen mit der Ehe praktisch Sklaven ihrer Ehegatten wurden (Wobei schwer abzuschätzen ist, ob, wie häufig und in welchen Schichten die Gesetzeslage zu einer solchen Situation führte ...), erlaubte nicht nur alleinstehenden Frauen, Geschäfte zu führen, sondern hielt sie auch keineswegs davon ab, sich mehr Rechte für den Fall zu erstreiten, dass sie doch zu heiraten beabsichtigten.

Daraus folgt, dass ein emanzipierter weiblicher Charakter womöglich in bestimmten Kreisen/Situationen scheel beäugt wird, aber im Prinzip machbar und spielbar ist. Eine Frau hätte in spezifischen Spielsituationen wie zum Beispiel dem Betreten eines Gentlemen's Clubs sicherlich Nachteile, aber ein männlicher Spieler hätte auch Probleme, in einem Ladies Club Zutritt zu erhalten. Auch sind Rollenmodelle nicht immer nachteilig: Eine Frau kann vielleicht in einem männlich dominierten Setting nicht überzeugend physisch drohen, aber ein Mann dürfte es wiederum schwer haben, beispielsweise die "Verletzliche Lady in Gefahr, alle Gentlemen zu Hülfe!"-Trumpfkarte auszuspielen und damit quasi gesellschaftliche Zwänge und die die Testosteron-Fraktion auszuspielen. Und eine emanzipierte starke Frau wird sich vermutlich auch schon vor diesem Gesetz einen Mann gesucht haben, der die bestehende Rechtslage nicht ausnutzt oder sich diesen entsprechend hingebogen haben. Übrigens war es auch schon in dieser Zeit nicht unüblich, dass begüterte und/oder im Stand höhere Frauen unter ihrem Stand heirateten und der Mann in einer solchen Ehe durchaus vorsichtiger auftreten musste - es gab auch damals schon Eheverträge oder notfalls handgreifliche Verwandte der Ehefrau.

Daraus wiederum würde ich schließen, dass es Aufgabe der Abenteuer-AutorInnen, der Spielgruppe und speziell des Spielleiters ist, für eine ausgewogene Verteilung von (beispielsweise) geschlechtsspezifischen Vor- und Nachteilen zu sorgen, wenn man historischen Sexismus als Bestandteil eines historischen Settings nicht ausklammern will. Nicht nur um der Spielbarkeit, sondern auch um der Authentizität willen lassen sich immer Möglichkeiten finden, wie sich Nachteile ausgleichen oder im Spiel sogar zu Vorteilen ummünzen lassen.
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Offline Feuersänger

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Ich hätte jetzt fast das "pseudo-historische" im Titel überlesen... insofern kann ich direkt zur Sache eigentlich gar nichts beitragen, da ich quasi immer nur Fantasy, Sword & Sorcery oder SF spiele. In den meisten Fällen ist da für Sexismus überhaupt kein Platz -- eher kommt da Fantasy-Rassismus à la "Waldelfen machen's mit jedem" vor. Aber in Sachen Männlein/Weiblein kam es höchst selten überhaupt zu einer derartigen Diskussion.

Mit zwei Ausnahmen:
- einmal bei einem Mittelerde-Rollenspiel auf NWN, wo meine damalige Freundin als Zweitcharakter eine gondorianische Ritterin spielen wollte. Andere Mitglieder der Ritter-von-Gondor-Gilde haben sich zunächst gesperrt, weil ihrer Ansicht nach Gondor so patriarchalisch war, dass dort kein Platz für weibliche Ritter sei. Bis sie daran erinnert wurden, dass die ingame-Gilde von einem weiblichen Charakter gegründet worden war. Damit war das Thema auch vom Tisch.

- einmal bei Sword & Sorcery / Conan D20 unter meiner Leitung; die Mädels in der Gruppe haben gefragt wie es da ausschaut. Meine Antwort war: in dieser doch sehr groben und rustikalen Welt gilt meist das Recht des Stärkeren. Wenn eine Frau sich behaupten kann, ist es gut und sie wird ebenso respektiert wie ein Mann. Lies: in der Welt ist von Lustsklavinnen bis zu Damsels in Distress alles geboten, aber weibliche SCs haben qua Definition so viel auf dem Kasten, dass sich keiner traut, sie zu diskriminieren. Damit waren es auch alle zufrieden und wir hatten im Spiel nie Probleme damit.
Der :T:-Sprachführer: Rollenspieler-Jargon

Zitat von: ErikErikson
Thor lootet nicht.

"I blame WotC for brainwashing us into thinking that +2 damage per attack is acceptable for a fighter, while wizards can get away with stopping time and gating in solars."

Kleine Rechtschreibhilfe: Galerie, Standard, tolerant, "seit bei Zeit", tot/Tod, Stegreif, Rückgrat

Offline Anastylos

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Als Game of Thrones Fan möchte ich hier noch einmal auf Brienne of Tarth verweisen. Sie ist ja gerade ein so spannender Charakter weil sie sich gegen alle Konventionen ihrer Welt stellt und Ritter ist. Natürlich hat sie es nicht leicht, es wurde ja sogar unter den Rittern gewettet wer sie als erstes verführen kann und wird als abnormal angesehen. Dadurch kann Sexismus zu einem spannenden Rollenspielelement werden.

Ucalegon

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Dadurch kann Sexismus zu einem spannenden Rollenspielelement werden.

Mann muss dabei nur im Blick behalten, dass eine Spielerin möglicherweise gar keine Lust hat, einen Charakter zu spielen, dessen Besonderheit hauptsächlich über sein Geschlecht definiert/wahrgenommen wird. Darüber hinaus ist die Brienne-Story/"starke Frau schlägt sich in der Männerwelt durch" bei einem entsprechenden Setup oft die einzige Möglichkeit, die einer Spielerin/einer Frau als Protagonistin bleibt und wirkt damit sehr stereotyp.

Ucalegon

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Daraus folgt, dass ein emanzipierter weiblicher Charakter womöglich in bestimmten Kreisen/Situationen scheel beäugt wird, aber im Prinzip machbar und spielbar ist. Eine Frau hätte in spezifischen Spielsituationen wie zum Beispiel dem Betreten eines Gentlemen's Clubs sicherlich Nachteile, aber ein männlicher Spieler hätte auch Probleme, in einem Ladies Club Zutritt zu erhalten. Auch sind Rollenmodelle nicht immer nachteilig: Eine Frau kann vielleicht in einem männlich dominierten Setting nicht überzeugend physisch drohen, aber ein Mann dürfte es wiederum schwer haben, beispielsweise die "Verletzliche Lady in Gefahr, alle Gentlemen zu Hülfe!"-Trumpfkarte auszuspielen und damit quasi gesellschaftliche Zwänge und die die Testosteron-Fraktion auszuspielen. Und eine emanzipierte starke Frau wird sich vermutlich auch schon vor diesem Gesetz einen Mann gesucht haben, der die bestehende Rechtslage nicht ausnutzt oder sich diesen entsprechend hingebogen haben. Übrigens war es auch schon in dieser Zeit nicht unüblich, dass begüterte und/oder im Stand höhere Frauen unter ihrem Stand heirateten und der Mann in einer solchen Ehe durchaus vorsichtiger auftreten musste - es gab auch damals schon Eheverträge oder notfalls handgreifliche Verwandte der Ehefrau.

Daraus wiederum würde ich schließen, dass es Aufgabe der Abenteuer-AutorInnen, der Spielgruppe und speziell des Spielleiters ist, für eine ausgewogene Verteilung von (beispielsweise) geschlechtsspezifischen Vor- und Nachteilen zu sorgen, wenn man historischen Sexismus als Bestandteil eines historischen Settings nicht ausklammern will. Nicht nur um der Spielbarkeit, sondern auch um der Authentizität willen lassen sich immer Möglichkeiten finden, wie sich Nachteile ausgleichen oder im Spiel sogar zu Vorteilen ummünzen lassen.

Wie du im ersten Teil deines Posts ja sehr schön gezeigt hast, kann man sich auf sein Geschichtsbild in vielen Fällen eben gar nicht verlassen bzw. muss immer wieder mit eigenen Vorurteilen und Klischees aufräumen. Aber müsste gerade deswegen die Konsequenz für (pseudo)historische Rollenspiele nicht gerade sein, sich von den eigenen Vorstellungen, was nun authentisch ist und was nicht, so wenig wie möglich einschränken zu lassen?

Deswegen finde ich den Fokus auf diese oder jene Vor- und Nachteile durch das Geschlecht einer Figur wenig hilfreich. Und steht gerade der Versuch Ausgewogenheit herzustellen nicht eigentlich im Widerspruch zum Beharren auf historischer "Korrektheit"? 

Ich glaube das Entscheidende ist, dass Spieler und Spielleiter versuchen, sich von einer einseitigen und stereotypen Sichtweise darauf, was sie in einem (pseudo)historischen Setting als authentisch empfinden, lösen. Ich habe das Gefühl, (pseudo)historische Settings verleiten dazu, bestimmte Klischees ständig knallhart gegen die Spieler einzusetzen (ob wegen Hautfarbe/Herkunft/Geschlecht des SC o.ä.) und zwar indem sie den Eindruck erwecken, ihre Authentizität könne nur auf diese Art wieder und wieder bewiesen werden.

Mich würde es z.B. nicht stören, wenn die Frau beim Betreten des Gentlemen's Club überhaupt nicht auffällt, z.B. weil sie Einfluss/wichtige Neuigkeiten/eine bestimmte Charaktereigenschaft o.ä. hat die dafür sorgen, dass die Gentlemen für den Moment (ganz pragmatisch) ihren Klischee-Sexismus hintanstellen. Es muss noch nicht mal was mit der Protagonistin zu tun haben. Vielleicht haben die Gentlemen selbst ja auch eine Motivation gegen das gesellschaftlich Erwartete zu verstoßen. 

Statt sich so auf Geschlechterunterschiede und die Auswirkungen von Sexismus zu versteifen, sollten in entsprechenden Settings Persönlichkeiten und Motivationen im Vordergrund stehen.

Dann muss man auch nicht mehr so viel darüber nachdenken, wer wann wo weshalb bestimmte Dinge nicht oder nur mit Schwierigkeiten tun kann.
« Letzte Änderung: 12.06.2014 | 23:51 von Ucalegon »

Offline Jeordam

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Mich würde es z.B. nicht stören, wenn die Frau beim Betreten des Gentlemen's Club überhaupt nicht auffällt, z.B. weil sie Einfluss/wichtige Neuigkeiten/eine bestimmte Charaktereigenschaft o.ä. hat die dafür sorgen, dass die Gentlemen für den Moment (ganz pragmatisch) ihren Klischee-Sexismus hintanstellen. Es muss noch nicht mal was mit der Protagonistin zu tun haben. Vielleicht haben die Gentlemen selbst ja auch eine Motivation gegen das gesellschaftlich Erwartete zu verstoßen. 

Statt sich so auf Geschlechterunterschiede und die Auswirkungen von Sexismus zu versteifen, sollten in entsprechenden Settings Persönlichkeiten und Motivationen im Vordergrund stehen.
Das finde ich insbesondere in Bezug auf Brienne of Tarth interessant - denn die Frau hat ungefähr 90% aller Schwierigkeiten durch ihr schwach ausgeprägtes Selbstbewusstsein und ihre, ja, Hässlichkeit.
Im Vergleich dazu jetzt Asha Greyjoy, Maege, Dacey und Alysanne Mormont, sogar die Sand Snakes, alles Frauen mit recht ähnlichem Hintergrund, aber alles Frauen mit gesundem Selbstbewusstsein, die fast garnicht negativ betroffen sind. Einfach durch ihre Persönlichkeit.

Eigentlich könnte man da so ungefähr 90% aller weiblichen Charaktere einordnen, Frauen die nicht gezielt auf Konfrontation mit dem Sexismus gehen, sondern einfach das tun was sie wollen.
Aufs Spiel umgesetzt, den Sexismus im Hintergrund haben, aber nicht bei jeder Gelegenheit auf Teufel komm raus anspielen. Da sind dann Spieler und SL gefordert, und die Gruppe muss sich natürlich von vornherein einig sein.

Offline Ginster

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Offline Teylen

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Ich kann durchaus nachvollziehen das Pyromancer einmal die weiblichen Spieler fragen möchte.
Das heißt jene die von der Entscheidung mit am stärksten betroffen sind. Weil für diese eine Frau schließlich nicht nur "ein Konzept" von vielen ist, sondern der weibliche Charakter auf anderen Konzepten basiert.

Diskutiert man gemeinsam finden sich hierbei, nach meinem Eindruck, sehr viele männlichen Diskutanten ein welche die Rolle der Frau als Exot positiv hervorheben [hier anhand des Beispiel von Brienne of Tarth] oder jedoch darauf bestehen das ein historisches Setting in dem kein dem Klischee entsprechender Sexismus vorherrscht nicht authentisch ist [hier mit dem Verweis auf eine bestimmte Periode des 19ten Jahrhundert, in einem bestimmten Land und eingeschränkten gesellschaftlichen Kreis].

Selbst wenn man dort seine eigene Sicht einbringen mag, geht man aufgrund der zahlenmäßigen Unterlegenheit auf der Plattform mitunter (gefühlt?) unter. Abgesehen von der Motivation gegen die gleichen Pseudo-Vorteile oder Vorurteile immer wieder anzuargumentieren.
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Offline Slayn

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Ich finde bemerkenswert, dass dieses Thema jetzt in geschlechtergetrennten Threads diskutiert wird.

Der letzte, gemischte, Faden zu diesem Thema lief sehr...hm.... unschön, da einige Beteiligte imho nicht zwischen einer akademischen Fragestellung und einer Meinung unterscheiden konnten. Insofern ist diesbezüglich eine Trennung hier gar nicht mal so schlecht.
(Daher auch. Teylen, husch in den Hühnerstall!)

@Topic:
Ich bleibe bei meiner alten Aussage: Sowohl als Darstellungs-/Stilelement als auch als Spielinhalte der erfahren werden will ist Sexismus eine Sache, sowohl in Opfer- als auch in Täterrolle in die man schlüpfen kann (bzw. passiver Zuschauer sein kann) und hat seine Darseinsberechtigung, verknüpft mit der alten Aussage dass nunmal alle wirklich _zustimmen_ müssen diese Inhalte und Themen am Spieltisch haben zu wollen.
Wenn wir einander in der Dunkelheit festhalten .. dann geht die Dunkelheit dadurch nicht vorbei
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Offline Praion

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(Daher auch. Teylen, husch in den Hühnerstall!)

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Ucalegon

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@Topic:
Ich bleibe bei meiner alten Aussage: Sowohl als Darstellungs-/Stilelement als auch als Spielinhalte der erfahren werden will ist Sexismus eine Sache, sowohl in Opfer- als auch in Täterrolle in die man schlüpfen kann (bzw. passiver Zuschauer sein kann) und hat seine Darseinsberechtigung, verknüpft mit der alten Aussage dass nunmal alle wirklich _zustimmen_ müssen diese Inhalte und Themen am Spieltisch haben zu wollen.

Grundsätzlich stimme ich zu. Beifügen muss man aber aus meiner Sicht trotzdem, dass die (bewusste!) Entscheidung, historischen, gegen Frauen gerichteten Sexismus als Settingelement einzubauen/zuzulassen für einen Spieler deutlich andere Konsequenzen hat als für eine Spielerin. Einige davon sind in diesem Thread ja bereits genannt worden. Daraus folgt dann, dass es absolut unangebracht ist, ein Setting als schöngefärbt, unhistorisch oder unauthentisch abzutun, das schlicht darauf Rücksicht nimmt.

Das gilt besonders auch dann, wenn man gegen Frauen gerichteten Sexismus nur einbauen/zulassen möchte, weil er bestimmte Plots ermöglicht.

Gegen Frauen gerichteter Sexismus als Exploitation/Überzeichnung/zur Provokation ist wie alles andere in der Richtung naturgemäß schwer zu beurteilen.


Offline Oh Gott sie sind Überall

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@Topic: Nunja es kommt halt drauf an was die Gruppe als ganzes möchte. Wenn man gewillt ist sich den "Problematiken der Welt" im RPG zu stellen. Dann nur zu. Aber bitte differenziert und möglichst ohne Klischees.

Wobei mich persönlich das ganze Thema an und für sich ziemlich nervt.
Robin D. Laws würde über mich folgendes sagen:
Method Actor 100%, Storyteller 92%, Tactician 75%, Specialist 58%, Butt-Kicker 50%, Power Gamer 25%,
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Ucalegon

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@Topic: Nunja es kommt halt drauf an was die Gruppe als ganzes möchte. Wenn man gewillt ist sich den "Problematiken der Welt" im RPG zu stellen. Dann nur zu. Aber bitte differenziert und möglichst ohne Klischees.

Beide Punkte sehe ich anders:
1. Die Gruppe als Ganzes gibt es für mich nicht, sondern nur individuelle Interessen, die es verdienen, einzeln berücksichtigt zu werden.

2. Ich glaube nicht das man den "Problematiken der Welt" irgendwo entkommen kann, geschweige denn versuchen sollte, das zu tun.

Eulenspiegel

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@ Ucalegon
Ja, für Frauen hat Sexismus andere Auswirkungen als für Männer. Und daher ist es durchaus angebracht, falls man weibliche Mitspieler hat, die das nicht wollen, entweder keine historischen Settings zu spielen oder historische Settings in dieser Hinsicht schönzufärben.

Aber es ist nunmal eine Schönfärberei. Durchaus eine evtl. angebrachte Schönfärberei aber nichtsdestotrotz eine Schönfärberei.

Ucalegon

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@Eulenspiegel: Tja, da bleiben wir dann wohl unterschiedlicher Meinung.

Offline Oh Gott sie sind Überall

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@Ucalegon:

1. Klar ist eine Gruppe nicht  1:1 homogen in den Interessen. Was ich meinte ist, dass innerhalb der Gruppe ein Konsens besteht das im Spiel zu wollen.

2. Also sollte die RPG Runde immer/oft/was auch immer Bezug nehmen auf aktuelle Weltpolitik? Ich denke es wäre wichtiger wenn man selbst Konsequenzen zieht. Rollenspiele sind für mich erst mal Unterhaltung. Wenn es tiefgründiger wird auch recht, muss es aber nicht.
Robin D. Laws würde über mich folgendes sagen:
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Offline Slayn

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@OGssü:

1) Konsens ist hierbei etwas gefährlich, gerade weil Leute gerne Peer Pressure nachgeben und trotzdem mitmachen, blahblah, die üblichen Mechanismen.

2) Je konkreter die Inhalte werden, umso mehr kann man selbst damit anfangen und umso weniger abstrakt kann das Spiel sein. Je näher man sich dabei an unserer gewohnten Realität hält, umso einfacher kann es sein sich dann in eine Situation hineinzudenken.

Aus irgendeinem Grund bleiben so viele Leute dabei aber immer so Bier-ernst. Man kann sich z.B. auch mal die ganzen Warhammer Spiele anschauen, die nutzen all diese Themen gut aus und haben dabei sogar noch Humor.
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