Ich muss gestehen, dass "Das Schicksal Aventuriens" mir mittlerweile, wo ich Fate Core kenne, zu "crunchig" geworden ist...es ist eine coole FATE3.0-Umsetzung, aber das "weniger ist mehr", das Fate Core verkörpert, liegt mir mittlerweile deutlich mehr.
Kurz: In Fate Core würde ich eigentlich sehr wenig für Aventurien ändern.
Das meiste, einschließlich so Sachen wie Ausrüstung, Astralenergie u. Ä., wird davon einfach schon "by the book" abgedeckt – besonders, wenn man den Grundsatz "Aspects are always true" (Aspekte geben oder verweigern Permissions) stark betont. Insbesondere die neue "Success with a Cost"-Regel macht einiges viel, viel einfacher...eine Cost kann von einem Gegentreffer über verbrauchte Munition bis zu schwindender Astralenergie so ziemlich alles sein, kein Grund mehr, das zwingend über neue Stress-Tracks o. Ä. abzubilden.
Vermeiden würde ich jedenfalls Gleichsetzungen à la "Skill-Level X bedeutet, du kannst Y Kilo heben", oder so ähnlich. Ich weiß, dass das in FATE3.0 so absolut üblich war, aber in einer Fate Core-Umsetzung würde ich definitiv darauf verzichten – siehe den Abschnitt
Skills and Specific Measurements in Fate Core.
Vor allem würde ich die Skill-Liste absolut nicht länger machen als unbedingt notwendig und so nahe als möglich bei jener von Fate Core bleiben. Ich hab gerade in der Google+ Community einen
Kommentar zu dem Thema geschrieben, der damit zusammenhängt. Klar, es gibt in Aventurien unglaublich viele Spezialgebiete, aber Skills in Fate bilden nicht nur "innerweltliche" Wissens- und Kompetenzgebiete ab, sondern vor allem emulieren sie Charakter-Rollen/Nischen, was dadurch verstärkt wird, dass jeder Charakter (zumindest zu Spielbeginn) nur genau einen Apex-Skill hat: Wenn du einen hohen Lore-Skill hast ist dein Charakter nicht nur sehr gelehrt in allen möglichen Wissensgebieten, sondern du bist der "Lore Guy" und wirst natürlich versuchen, alle möglichen Herausforderungen mittels Lore zu lösen – das ist kein Bug, sondern ein Feature.
Skills in "Sub-Skills" aufzuspalten macht nur dann sinn, wenn der neue Skill nicht nur "innerweltlich" ein eigenes Spezialgebiet ist, sondern auch am Spieltisch ganz eigene "Nische" einnimmt.
So macht das beispielsweise Atomic Robo: Dort ist jede Wissenschaft ein eigener Skill. Lang hab ich mich gefragt wozu das gut sein soll und war extrem skeptisch, beim schreiben des oben verlinkten Eintrags hat es nun für mich "Klick" gemacht: In Atomic Robo wird von allen Charakteren angenommen, dass sie "Action Scientists" sind – somit sind alle Charaktere "brain guys", das verliert somit an "Distinktionskraft". Es wäre langweilig, wenn alle Charaktere denselben Skill – Lore – als Apex-Skill hätten.
Sprich: In einer DSA-Kampagne, in der (fast) alle Charaktere einen in irgendeiner form "gelehrten" Charakter spielen, macht eine Aufsplittung in mehrere Skills um des "Nischen-Schutzes" willen schon Sinn (auch wenn ich in einer solchen Kampagne persönlich eher einen Fate-Accelerated-Hack bevorzugen würde, mit Approaches statt Skills). In einer Kampagne, wo ein Großteil der Herausforderungen "gelehrter" Natur ist, bekommen sowohl der "Götter-und-Kulte-Kerl", der "Sagen-und-Legenden-Kerl" und der "Magiekunde-Kerl" ihr angemessenes Spotlight. In den meisten "normalen" Kampagnen mit "typischen Abenteuer-Situationen" ist das aber, finde ich, viel zu eng gefasst, weil es sehr bemüht wird, die Spezialgebiete an jedem Spielabend sinnvoll einzubringen. Und ein Apex-Skill, der nicht an jedem Spielabend mehrmals das Abenteuer voran bringt, ist seinen Slot nicht wert.
Das Einzige, was ich wahrscheinlich ändern würde, ist den Skill "Notice" durch "Survival" auszutauschen, wie Ryan Macklin es im Fate Codex, Vol. 1, Issue 2 vorgeschlagen hat. Außerdem wird "Drive" natürlich umkontextualisiert, um "Fäntelalter-taugliche" Fortbewegungsmittel zu umfassen: Reiten, Kutschen, Boote usw.
Eventuell würde ich überlegen, Reiten zu Athletics zu "verschieben", aber höchstwahrscheinlich würde ich es einfach dem "Skill-Thema" wegen bei Drive belassen: Athletics ist der Skill zum "sich selbst bewegen", Drive ist "sich mittels Hilfsmittel fortbewegen". Außerdem würde das verschieben von Reiten zu Athletics diesem Skill eine noch größere Bedeutung beimessen, als er ohnehin bereits hat, während Drive für die meisten Spieler wohl komplett uninteressant wird.
Das eigentlich einzige "Extra", das ich eventuell ins Spiel bringen würde, ist das Gewähren zusätzlicher rein narrativer "Tricks" neben den "mechanischen" Stunts. Was meine ich damit?
Nun, Stunts in Fate Core modifizieren in einem bestimmten Bereich die Regeln...du bekommst irgendwo +2 Bonus, eine Extra-Konsequenz, bekommst zusätzliche freie Invocations, darfst irgendwo aktive statt passive Opposition bieten, machst mehr Stress, verwendest einen Skill statt einem anderen, was auch immer – alles definitiv spielmechanische Effekte.
Das "Problem", das ich sehe, ist die häufige Verwendung von Stunts für Effekte, die eben NICHT spielmechanischer Natur sind, sondern eigentlich "nur" narrative Permission geben, vergleichbar mit dem "establishing facts/being always true"-Teil von Aspekten.
Zum Beispiel? Du darfst mit Shoot Feuerbälle werfen. Du kannst mit Athletics fliegen. Du kannst dich unsichtbar machen und darfst daher auch Stealth würfeln, wenn du dich "eigentlich" nicht verstecken könntest. Du kannst nur durch Silber verwundet werden. Du bist im Umgang mit Stangenwaffen geübt, in einem offenen Kampf muss man dich erst unterlaufen, um dich attackieren zu können. Und so weiter.
Das alles sind Effekte, die eigentlich ausschließlich auf der narrativen Ebene stattfinden und nicht auf der mechanischen: Sie "rekontextualisieren" und "färben" nur bestimmte Aktionen, sie bestimmen ob und welche Regeln wie zu verwenden sind – aber ändern nichts an der eigentlichen Spielmechanik. Sie geben dir an sich keine Boni, keine freien Invokationen, nichts "Crunchiges".
Also? Eigentlich sind solche Fähigkeiten daher keine "richtigen" Stunts. Eigentlich reicht es, solche Fähigkeiten einfach in den Charakteraspekten "auszuweisen", um sie im Spiel zu etablieren ("establish facts") und einsetzen zu können ("aspects are always true") – nichts weiter notwendig.
Fate Accelerated beispielsweise handhabt "ungewöhnliche" Fähigkeiten fast ausschließlich auf diese Art: Du bist Zauberer, also kannst du eben zaubern – beschreibe einfach, wie du deine Aktionen "magisch" durchführst anstatt "manuell". Du bist unverwundbar, also bist du es einfach – man kann dich nicht selbst verwunden, aber man kann dich immer noch fesseln, einsperren, deine Liebsten töten, deine Stadt verwüsten, was auch immer...du selbst magst immun sein, das was dir teuer und wichtig ist nicht.
Und in vielen Spielen reicht das komplett, wie Ryan Danks am Beispiel von
Superman und
Iron Man schön zeigt.
Das Problem: Meist wird in Aspekten vieles nur implizit angedeutet. Das ist dann unproblematisch, wenn es ganz klare Genre-Konventionen gibt, wenn jeder Spieler am Tisch ganz klar vor Augen hat, was ein bestimmter Aspekt bedeutet. Sehr leicht ist das beispielsweise bei ikonischen Four-Color-Comics, wo einfach klar ist, dass die Charaktere nun mal Superhelden sind. Auch in Spielen im Stile von Samstagmorgen-Comics ist das recht einfach, weil Fähigkeiten dort meist recht vage defininiert sind und es niemanden wundert, wenn ein Charakter einen neuen Trick aus dem Hut zieht.
Bei komplexeren Settings wird das hingegen potentiell sehr schnell sehr unübersichtlich, sofern die Gruppe sich nicht mit der "handwavyness" von Fate zufrieden gibt, sprich: dass es in Fate "by the book" beispielsweise so etwas wie "vordefinierte" Zauberlisten, wie man sie aus "traditionellen" Rollenspiel-Systemen kennt, eigentlich nicht gibt.
Ich persönlich bin mit der "Offenheit" der Art und Weise, wie Fate Accelerated das handhabt, ausgesprochen glücklich (und lasse im Zweifelsfall einfach einen Fate-Punkt springen, um einen neuen Trick herbeizuerzählen). Aber wenn man's etwas detaillierter will, ohne gleich ein neues komplexes Sub-System einzuführen, bietet sich Folgendes an:
Aufbauend auf Ryan Danks Idee von
Aspect Containers würde ich jedem Charakter eine gewisse Zahl rein narrativer "Features" (mir fällt gerade nichts besseres ein) gewähren, die er sich in der Extras-Sektion des Charakterbogens aufschreiben kann, mit einer einzigen Bedingung: Sie müssen durch einen Charakteraspekt "begründbar" sein.
Wie viele solche "Slots" soll ein Charakter bekommen? Ich würd irgendetwas zwischen 3 und maximal 7 vorschlagen, mit der Option, im Spiel alte auszutauschen und eventuell auch mit der Zeit neue "Slots" zu bekommen. Tendenziell ist auch hier weniger mehr, ansonsten geht sowohl die Übersicht als auch der Fokus verloren – Charaktere in Fate sind keine "Eierlegenden Wollmilchsäue", sondern sollten irgendein "Thema" haben. Eine Beschränkung auf "das Wesentliche" tut ihnen also ganz gut.
Ein "Adeptus minor der Akademie der Hohen Magie zu Punin" könnte dann beispielsweise "Features" in Form einzelner Zauber wählen – Analys Arcanstruktur, Arcanovi, Invocatio Minor, Oculus Astralis, Pentagramma, all diese Dinge lassen sich rein narrativ abbilden, dafür braucht es keine "regelbrechenden" oder Boni gebenden Stunts.
Analys? Nun, würfle Investigation, um ein magisches Artefakt zu analysieren – bei einem Fehlschlag/Success with a Cost schreib' einen Situationsaspekt à la "Nicht mehr viel Astralenergie" auf...oder dein Zauber braucht viel länger als erhofft...was auch immer. Invocatio? Würfle auf Contacts, um einen Dämon aus den Niederhöllen zu beschwören – spielmechanisch nicht anders, als würdest du einen "sterblichen" Gefolgsmann anheuern. Und so weiter. All das funktioniert natürlich nur, wenn du "in game" genug Zeit für die nötigen Rituale hast – auch hier rein narrativ.
Ein Erzmagier oder gar Verhüllter Meister hingegen würde sich wohl stattdessen die Magiemerkmale aufschreiben, die er hervorragend (und im Falle Verhüllter Meister: freimagisch) beherrscht – auch das "power scaling" könnte also rein narrativ stattfinden: Irgendwann im Laufe der Charakterentwicklung schreibt man eben nicht mehr einzelne Sprüche und Rituale auf das Blatt, sondern magische Spezialgebiete und irgendwann ganze Merkmale, oder fasst die Zauber, die man schon als frischer Abgänger beherrscht hat, irgendwann nur mehr unter "Hauszauber" zusammen.
Ja, das ist natürlich ziemlich "handwedelig", aber ich finde es passt mehr zu Fate als ellenlange Listen an Zaubersprüchen, über die weder Spieler noch Meister Überblick behalten
Natürlich spricht nichts dagegen, zusätzlich dazu gewisse Fähigkeiten freiwillig mit Stunts zu "untermauern", um zusätzliche Boni zu geben. So etwas wie "Kampfmagier: +2 auf Shoot, um Gegner mit magischen Geschoßen (z. B. Fulminictus, Ignifaxius, Kulminatio o. Ä.) anzugreifen". Aber das ist nicht notwendig, sondern nur eine Option.
Wie handhaben "nicht-magische" Charaktere das? Natürlich genauso. Bloß statt Zaubersprüchen können schreiben sie sich "profane" Besonderheiten auf, die ihnen Dinge erlauben, die andere Charaktere nicht einfach so tun können. So etwas wie "Bekommt immer eine Audienz zu Hofe", "Hat ein sonderbares Gespür für Hohlräume", "Verborgene Gefahren verursachen ihm Gänsehaut", "beherrscht 12x12 Sprachen", whatever.
Alles Dinge, die nicht per se spielmechanische Boni geben, die aber neue Kontexte eröffnen, die eigenen Skills zu verwenden (ohne dabei andere Skills zu "substituieren"). Der eine wird einfach immer zu einer Audienz vorgelassen (ermöglicht ihm, dort seine sozialen Skills zu nutzen, ohne erst lange bitten und betteln zu müssen), der andere kann Investigate nutzen, um Höhlen und verborgene Schätze zu finden, der nächste darf auf Notice würfeln, wenn er in einen Hinterhalt o. Ä. gerät, und der letzte wird nahezu alle Sprachen entweder schlicht verstehen oder zumindest auf Lore würfeln dürfen (wobei Failure kein langweiliges "nein", sondern irgendein interessanter Success with a Cost ist).
Wichtig ist nur wie bereits gesagt, dass das alles keine eigenen Aspekte sind, sondern quasi "Kommentare" zu den "eigentlichen" Charakteraspekten: sie konkretisieren, was der Charakter kann und was nicht. Dadurch können die eigentlichen Aspekte ruhig weniger "kompetenzorientiert" sein und können mehr "Drama" beinhalten (mal ehrlich, die meisten "hey, ich kann was!"-Aspekte sind eher langweilig).
Ich persönlich bleibe wohl immer noch lieber bei der "Handwavyness" à la Fate Accelerated, aber für andere mag das ein brauchbares Mittelding zwischen Vagheit und Crunch sein