Was ich aber im Rollenspiel blöd finde, ist, wenn die Rollenwahl durch die tatsächlichen Fähigkeiten des Spielers eingeschränkt wird. Eine der tollen Sachen am Rollenspiel ist eben, dass es, noch mehr als Räuber-und-Gendarme-Spiele bei Kindern, die Möglichkeit bietet, zwischenzeitlich jemand ganz anders zu sein. Genau dieses Feature zu untergraben, indem man im sozialen Bereich nun doch wieder alles an den persönlichen Fähigkeiten der Spieler festmacht, finde ich halt wiedersinnig.
Ich persönlich glaube, dass es viel mehr um die Bereitschaft, sich am Spielgeschehen zu beteiligen geht, als um die Fähigkeiten. Je nach angesetzter Spieldynamik und allgemeiner Vorstellung am Tisch davon, wie das Hobby ausgeübt wird, kann es schwer mit der Immersion brechen, wenn Spieler ihre Charaktere lediglich mit ihren Würfeln spielen.
Ich würde Niemanden, der nicht sehr redegewandt ist, davon ausschließen, einen redegewandten Charakter zu spielen. Erste Voraussetzung ist für mich vor allem, dass er bereit ist, dieser Prämisse auch im Spiel gerecht zu werden. Wenn er das nicht durch tatsächliches Spielen der Rolle (im Sinne von "so tun als ob") und direkte Rede kann oder will, gibt es immer noch genug andere Möglichkeiten, seinem Charakter die nötige Atmosphäre zu verschaffen, um die Immersion und die gemeinsame Vorstellungswelt nicht zu stören. Vor allem Beschreibungen und eine ausreichende Kommunikation der Vorgehensweise und vielleicht auch Wünsche, Vorstellungen und Motive des Charakters. Zweite Voraussetzung ist je nach System immer, dass sich die Werte auf dem Papier mit dem, was der Charakter darstellen soll, decken.
Ich muss auch sagen, dass ich den Verweis auf kämpferisch veranlagte Charaktere unschlüssig finde. Natürlich fordert man Niemanden dazu auf, den Schwerthieb seines Charakters physisch vorzumachen, damit er im Spiel stattfindet. Das ist allerdings nicht unbedingt das Äquivalent dazu, eine "soziale" Handlung in sprachlicher Form zu transportieren (ob durch Beschreibung oder direkte Rede). Das wäre wohl eher, von einem Spieler, dessen Charakter auf einem Abendball das flotte Tanzbein schwingen will, dazu aufzufordern, erstmal die Tische wegzuräumen und das selbst zu machen. Das wäre genauso absurd.
Es ist allerdings in meinen Augen nicht absurd, das sprachliche und erzählerische Kernelement einzufordern (wenn man das als Kernelement in seinem Spiel betrachtet und nicht etwa Dungeoncrawl im Sinn hat.. wo dann aber auch soziale Würfe keine große Rolle spielen dürften..). Damit fordert man im Grunde nur die Bemühung des Spielers ein, das Spielgeschehen mitzutragen und sich einzubringen, etwas, was meiner Meinung nach selbstverständlich ist.
Denn es ist ja letztlich so, dass der unausgespielte bzw. erwürfelte Dialog, vor allem wenn er aufgrund des Wunschs oder der "Fähigkeiten" (ich würde eher sagen: Motivation) des Spielers zu Regelmäßigkeit wird, nur dann stört, wenn der Rest des Spiels darauf ausgelegt ist, durch solche Situationen eine kohärente Stimmung, Atmosphäre und Immersion zu erzeugen. Erst recht wenn der Rest der Spieler sich bemüht, dieser Prämisse auch zu folgen. Im Übrigen würde ich in einem solchen Fall auch vom Spieler des kämpferisch veranlagten Spieler erwarten, dass er seine Rolle mit ein wenig mehr Leben füllt, als im richtigen Augenblick "ich hau den" zu rufen und die Würfel über den Tisch zu rollen.
Das hängt offenbar stark davon ab, was man von der Entwicklung des Spielgefühls erwartet. Ich schätze, dass diese Erwartungshaltung der Grund für das "Bestehen" auf ausgespielte, soziale Situationen ist und weniger die Verweigerung der Spielerwünsche bei ihrer Charakterwahl. Zu der muss ich allerdings noch abschließend anfügen, dass sie in keinem Fall unbewusst erfolgt. Wenn man sich dazu entscheidet, eine spezifische Art von Charakter spielen zu wollen, ist es bei einer Runde, die so spielt, selbstverständlich, dass man auch bereit sein sollte, diese Rolle auszufüllen, zumindest mit den gegebenen Mitteln. Die Motivation, diesen Charaktertypus zu spielen muss ja in erster Linie darin begründet sein, ihn im Spiel manifestiert zu sehen und weniger, am Ende die richtigen Werte auf dem Blatt stehen zu haben.