Autor Thema: Kontrollverlust wagen  (Gelesen 9438 mal)

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Swafnir

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #25 am: 24.06.2014 | 18:47 »
Der soll einfach mal ne Runde Monsterhearts aufmachen, da ist das Programm!  ;)

Seitdem er endlich nen festen Freund hat, hat sich das mittlerweile gelegt  8)

Offline Turning Wheel

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #26 am: 24.06.2014 | 18:51 »
... ich glaube, dass Menschen sich auch in der Realität oft genug selbst überraschen, und dass man wahrscheinlich ein spannenderes und runderes Spielerlebnis hat, wenn man seine Figur öfter mal dem Zufall überantwortet und dann mit dem weiterarbeitet, was dabei herauskommt. ...

Da stellt sich eben die Frage, wie hart man das will.
Akzeptiert man es nur bei der Color oder sogar bei Kampagnenweichen?

Offline korknadel

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #27 am: 24.06.2014 | 18:58 »
Das ist interessant - ich glaube aber, dass gerade viele, die es ablehnen, wenn Spielleitung oder Regeln in die Empfindungen/Gedanken der Figur eingreifen, das deshalb tun, weil sie der Meinung sind, dass dadurch ihre Möglichkeit, die Figur gemäß ihrer eigenen Logik "selbst machen zu lassen", beschnitten wird. Ein Argument für die volle Kontrolle über den eigenen SC ist ja, dass man seinen Charakter konsistent aus dem eigenen Gefühl für diese Figur heraus spielen will.
Oder banaler gesagt: Der Einwand gegen Eingriffe wie "du bist hin und weg von ihr!" (durch SL oder Regeln oder beide) ist doch meistens nicht: "Das will ich als Spieler aber nicht, weil ich die Kontrolle nicht abgeben will", sondern: "Das will ich nicht, weil das überhaupt nicht zu meinem Charakter passt!" - weil die Figur also plötzlich nicht mehr die Freiheit hat, zum machen/denken/fühlen, wie sie von sich aus machen/denken/fühlen würde.

Ich selber sehe das eigentlich anders; ich glaube, dass Menschen sich auch in der Realität oft genug selbst überraschen, und dass man wahrscheinlich ein spannenderes und runderes Spielerlebnis hat, wenn man seine Figur öfter mal dem Zufall überantwortet und dann mit dem weiterarbeitet, was dabei herauskommt. Aber es ist trotzdem interessant, dass genau das Argument, dass du für Kontrollverlust bringst ("die Figur einfach aus sich selbst heraus handeln lassen"), das Argument ist, dass man auch hernehmen kann, um möglichst große Kontrolle durch den Spieler zu fordern.

Genau so sehe ich das auch. Was ich eben sagen will, ist: Wenn er ehrlich ist, hat der Spieler ein Problem damit, dass die Figur "dumm" ist, wenn sie etwas macht, was nicht in das Bild passt, das sich der Spieler von seinem Char gemacht hat. Nur so können überhaupt Aussagen zustande kommen wie: "Das passt nicht zu meinem Char". Ich dagegen plädiere hier eben für das, was Du eben auch geschildert hast: "Mal sehen, was zu meinem Char passt!" Das wäre doch die wahre Exploration, und ja, warum soll eine Figur nicht auch mal genauso "dumm" sein, wie man das selbst so oft gerade in "sozialen Encounters" ist? (Ich weiß, weil man dann nicht mehr seine Allmachtsfantasien mit ihr ausleben kann, fair enough; andrerseits ist die idealisierte Vorstellung einer "stringenten" Figur nichts, was sich mit den überraschenden Erfahrungen des Lebens in Einklang bringen ließe. Und darum tendiere ich dazu, lebendige Figuren nicht unbedingt immer "stringent" oder absolut kohärent zu sehen).
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Offline Maarzan

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #28 am: 24.06.2014 | 19:06 »
Das ist interessant - ich glaube aber, dass gerade viele, die es ablehnen, wenn Spielleitung oder Regeln in die Empfindungen/Gedanken der Figur eingreifen, das deshalb tun, weil sie der Meinung sind, dass dadurch ihre Möglichkeit, die Figur gemäß ihrer eigenen Logik "selbst machen zu lassen", beschnitten wird. Ein Argument für die volle Kontrolle über den eigenen SC ist ja, dass man seinen Charakter konsistent aus dem eigenen Gefühl für diese Figur heraus spielen will.
Oder banaler gesagt: Der Einwand gegen Eingriffe wie "du bist hin und weg von ihr!" (durch SL oder Regeln oder beide) ist doch meistens nicht: "Das will ich als Spieler aber nicht, weil ich die Kontrolle nicht abgeben will", sondern: "Das will ich nicht, weil das überhaupt nicht zu meinem Charakter passt!" - weil die Figur also plötzlich nicht mehr die Freiheit hat, zum machen/denken/fühlen, wie sie von sich aus machen/denken/fühlen würde.

Ich selber sehe das eigentlich anders; ich glaube, dass Menschen sich auch in der Realität oft genug selbst überraschen, und dass man wahrscheinlich ein spannenderes und runderes Spielerlebnis hat, wenn man seine Figur öfter mal dem Zufall überantwortet und dann mit dem weiterarbeitet, was dabei herauskommt. Aber es ist trotzdem interessant, dass genau das Argument, dass du für Kontrollverlust bringst ("die Figur einfach aus sich selbst heraus handeln lassen"), das Argument ist, dass man auch hernehmen kann, um möglichst große Kontrolle durch den Spieler zu fordern.

Ich denke jeder hat um überhaupt den Charakter spielen zu können ein gewisses Grundbild von diesem. Und da sind dann entsprechende Freiheitsgrade drin wie weit so ein "Ergebnisraum" einer Situation sein kann, damit er mit den eigenen Vorstellungen so weit deckungsähnlich bleibt, dass auf Basis dieses Verständnisses weitere Handlungen noch genacht werden können.
Manche wollen nur ein gewisses Ideal spielen, im anderen Extrem verstehen sie die eigene Figur nicht mehr.
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Offline Sashael

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #29 am: 24.06.2014 | 19:25 »
Die Abgabe der Kontrolle über die Handlungen des eigenen SC ist doch für ne Menge Spieler schon problematisch, wenn es um den Bereich "Trennung von Spieler- und Charakterwissen" geht. Das Beispiel mit dem Hauptverdächtigen im Mordfall ist so ein Stück. Wenn z.B. Handlung A eine starke Option darstellt und Handlung B eine schwache Option und der Spieler weiß, dass sein vollkommen unwissender SC bis zum Haaransatz in der Scheiße sitzt, wenn er Handlung A ausführt, dann sind (imho zu) viele Spieler zu gerne bereit, Handlung B den Vorzug zu geben.
In unserer Mutants & Masterminds Runde hatten wir mal folgende Situation:
Wir in feindlicher Basis. Stromausfall, alles düster. Wir sind getrennt worden. Wir hören heranstürmende Feinde. Ich morphe mich zu einem Feind und die Anderen verstecken sich. Ich will der Patrouille sagen, dass ich hier alles unter Kontrolle habe und sie weiterziehen können. Nach einem Szenenwechsel mit dem "verlorenen" SC wissen wir, dass da keine Cyborgs ankommen, sondern unsere eigene tonnenschwere Stahl-Killermaschine. Und ich steh als Cyborg verkleidet in seinem Path of Destruction.
Die anderen Spieler haben mich angeguckt, als wäre ich verrückt geworden, als ich erklärte, dass mein SC ja keine Ahnung hat, was gleich passiert und sich deshalb nicht doch mit dem Rest der Truppe versteckt.

Bereits das ist ja schon ein Abgeben der Kontrolle. Wer aber nicht einmal in der Lage ist, seinen Charakter in die Scheiße zu reiten, wenn dieser eine bestimmte Information beim besten Willen nicht haben kann (egal, wie der Spieler dessen Innenleben sieht), wird bei einem Kontrollverlust durch Würfelwurf auf Soziale Fertigkeit natürlich auf die Barrikaden gehen. Da muss man nicht einmal den Punkt "Ich kenne meinen Charakter besser und weiß, wie er in einer Situation reagiert" bemühen.
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Offline Bad Horse

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #30 am: 24.06.2014 | 19:52 »
In der Situation, die du gerade geschildert hast, hättest du auch sagen können: "Scheiße, da kommt etwas sehr Großes... mein Char zappelt nervös herum, verliert dann die Nerven und versteckt sich, blaß und schweißgebadet." Das wäre unter Umständen auch recht interessant gewesen.

Ich konnte das früher auch nicht leiden, wenn mir die Würfel gesagt haben, was ich tun muss. Bestes Beispiel war Vampire mit seinen "Und jetzt zerbeiß ich's"-Frenzy-Würfen (wo man blindlings irgendwas attackieren musste) oder den "huch, eine Wunderkerze"-Rötschreck-Würfen (wo man dann panisch davongedüst ist).

Da hat mir Unknown Armies extrem geholfen: Da kann ich zwar auch vollkommen die Fassung verlieren und in Panik geraten, aber dann darf ich immer noch entscheiden, was ich mache - renne ich weg? Sitze ich bibbernd in der Ecke? Oder raste ich aus und greifs einfach irgendwie an?

Dann kamen noch ein paar Indies, und mittlerweile hab ich nichts mehr dagegen, wenn der emotionale Zustand meines Charakters von außen bestimmt wird. Aber ich habe den Eindruck, Korknadel, dass es dir eventuell gar nicht nur um den emotionalen Zustand geht, sondern vielleicht auch gerade um die Reaktion - Was macht der Charakter, wenn er gerade in einem Wutanfall einen Schwächeren zusammengeschlagen hat? Oder von einem banalen Feuerzeug so sehr in Panik versetzt worden ist, dass er fast ein Auto gerannt wäre? Wie geht er mit sich um, wenn das passieren kann?
...interessant.  :D

Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

Korrekter Imperativ bei starken Verben: Lies! Nimm! Gib! Tritt! Stirb!

Ein Pao ist eine nachbarschaftsgroße Arztdose, die explodiert, wenn man darauf tanzt. Und: Hast du einen Kraftsnack rückwärts geraucht?

Eulenspiegel

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #31 am: 24.06.2014 | 20:12 »
Genau so sehe ich das auch. Was ich eben sagen will, ist: Wenn er ehrlich ist, hat der Spieler ein Problem damit, dass die Figur "dumm" ist, wenn sie etwas macht, was nicht in das Bild passt, das sich der Spieler von seinem Char gemacht hat.
Was hat das mit "dumm" zu tun?

Ob mein Char nun dumm handelt oder nicht, ist doch vollkommen unabhängig davon, ob ich die Kontrolle über den SC habe oder nicht. Wenn sich mein SC in einen NSC verliebt, hat das doch nichts mit Dummheit zu tun. - Egal, ob ich als Spieler das entscheide oder der SL oder die Würfel das entscheiden.

Zitat
andrerseits ist die idealisierte Vorstellung einer "stringenten" Figur nichts, was sich mit den überraschenden Erfahrungen des Lebens in Einklang bringen ließe. Und darum tendiere ich dazu, lebendige Figuren nicht unbedingt immer "stringent" oder absolut kohärent zu sehen).
Es sind eher überraschende Ereignisse, die einen Psyche-Wechsel einleiten.

Aber von heute auf morgen ohne irgendein überraschendes Ereignis wechselt niemand plötzlich seinen Charakter.

Offline Slayn

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #32 am: 24.06.2014 | 20:38 »
Das schöne an einer gut gemachten Simulation ist halt:
- Zum einem hat der SL darin nichts herumzupfuschen und ist nicht der Auslöser für den Kontrollverlust
- Zum anderen ist die Aussage "Mein Charakter ist halt so!" endlich mal berechtigt und beißt auch dem Spieler in den Hintern ;)
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Offline Sashael

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #33 am: 24.06.2014 | 21:24 »
In der Situation, die du gerade geschildert hast, hättest du auch sagen können: "Scheiße, da kommt etwas sehr Großes... mein Char zappelt nervös herum, verliert dann die Nerven und versteckt sich, blaß und schweißgebadet." Das wäre unter Umständen auch recht interessant gewesen.
Aber unter den Umständen eine Spielerwissen-über-Charakterwissen Aktion gewesen. Der Plan war (theoretisch) wasserdicht. Ich bin von den Cyborgs nicht zu unterscheiden, habe alle kommunikativen Skills auf Heldenniveau und die Coolness gepachtet. Dass der Char dann mal so richtig auf die Fresse kriegt, weil sein Kumpel einen Cyborg ausschalten will, konnte ausser den Spielern da ja niemand wissen.

Die anderen Spieler hätten übrigens höchstwahrscheinlich deine Variante gewählt. Aber das finde ich dann auch wieder langweilig. In die Scheiße reiten ist doch im Endeffekt viel lustiger. Aber diese Erkenntnis muss man erst mal haben. Vorher ist die Verlustangst zu hoch.
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Eulenspiegel

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #34 am: 24.06.2014 | 21:31 »
Aber letztendlich hattest du die Kontrolle über deinen Char. Du hattest entschieden, dass er die Coolness gepachtet hätte.

Kontrollverlust würde bedeuten, dass du würfeln müsstest, ob dein Char dort cool dasteht oder vor Angst doch abhaut. - Hier wäre der Kontrollverlust deines SCs sogar von Vorteil für deinen SC.

Offline Slayn

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #35 am: 24.06.2014 | 21:41 »
Aber letztendlich hattest du die Kontrolle über deinen Char. Du hattest entschieden, dass er die Coolness gepachtet hätte.

Kontrollverlust würde bedeuten, dass du würfeln müsstest, ob dein Char dort cool dasteht oder vor Angst doch abhaut. - Hier wäre der Kontrollverlust deines SCs sogar von Vorteil für deinen SC.

Grrr. Verdammte Doppel- und Dreifach-Belegung von begriffen im RPS!

Es gibt qualitative und quantitaive Unterschiede darin was und warum Konrollverlust.

In der Simulation ist es ein adequates Mittel um die Spielinterne Realität konsistent zu halten, die hier soll der Charakter konsequent konsistent gespielt werden und der Kontrollverlust geschieht um den Spieler davon abzuhalten in die konsistente Handlung ein zu greifen.

Im herausforderungsorientiertem Spiel ist der Kontrollverlust eine Strafe und die größte Art zu verkacken, denn man ist nicht nur draußen, man (also: der Charakter) handelt ggf. mit voller Effizienz für die Gegenseite.

Im stark narrativen Spiel ist der Kontrollverlust die Einladung zu "Bring it on!" und die Aufforderung für andere zum kreativ sein.

Ein Begriff, ganz unterschiedliche Konnotationen, wichtig ist hierbei herauszufinden wovon das Gegenüber spricht.
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Offline Sashael

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #36 am: 24.06.2014 | 21:49 »
Aber letztendlich hattest du die Kontrolle über deinen Char. Du hattest entschieden, dass er die Coolness gepachtet hätte.

Kontrollverlust würde bedeuten, dass du würfeln müsstest, ob dein Char dort cool dasteht oder vor Angst doch abhaut. - Hier wäre der Kontrollverlust deines SCs sogar von Vorteil für deinen SC.
Nein.
Der SC hatte sich einfach so entwickelt. Angefangen hatte ich ihn mal als Mr. Charming, der sich öfter um seine Portfolios kümmert als um die Rettung der Welt vor Pösen Puben. Im Verlauf der Kampagne wurde er halt auch immer mehr die coole Sau, weil er sich aus jeder Situation rauslabern konnte und ansonsten dank Teleport die Muskeln des Teams die Drecksarbeit machen ließ. Aus seiner Sicht war die Situation vollkommen unter Kontrolle. Sich als Spieler aus Sicherheitsbedenken anders zu entscheiden, wäre dem Wesen des Charakters zuwidergelaufen. Ich gab also die Kontrolle an meinen SC ab und das ist es, was Korknadel sich öfter wünscht, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Nicht die Verlustangst Handlungen diktieren lassen, sondern auch den SC zu spielen, wie er gespielt werden muss, auch wenn das für den SC Nachteile bringt. Und das Ganze ohne Taschenlampenfallenlasser-Attitüde, sondern weil es sich organisch aus der Situation ergibt.

Wenn ich nicht völlig falsch liege, möchte Korknadel Spieler, die an ihren SCs hängen (also keine Taschenlampenfallenlasser), die trotzdem bereit sind ihre Rolle trotz Autorenrechte so zu spielen, wie es die Rolle hergibt, auch wenn das zu unangenehmen Konsequenzen führt.
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Eulenspiegel

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #37 am: 24.06.2014 | 22:09 »
Nein.
Der SC hatte sich einfach so entwickelt.
Wie hat sich der SC so entwickelt?
Hast du entschieden, dass der SC von Mr. Charming zu Mr. Cool wird?
Hat der SL entschieden, dass der SC von Mr. Charming zu Mr. Cool wird?
Oder wurde die Entwicklung ausgewürfelt?

Zitat
Ich gab also die Kontrolle an meinen SC ab
Wo gabst du die Kontrolle über deinen Charakter ab?

Du hattest die volle Kontrolle darüber, ob dein SC weiterhin Mr. Cool bleibt, sich zu Mr. Charming zurückentwickelt oder sich in eine andere Richtung (z.B. Mr. Vorsichtig) weiterentwickelt.

Die Kontrolle darüber, wie sich dein SC in dieser Situation entwickelt, lag vollkommen bei dir.

Zitat
Wenn ich nicht völlig falsch liege, möchte Korknadel Spieler, die an ihren SCs hängen (also keine Taschenlampenfallenlasser), die trotzdem bereit sind ihre Rolle trotz Autorenrechte so zu spielen, wie es die Rolle hergibt, auch wenn das zu unangenehmen Konsequenzen führt.
Er möchte, dass die Kontrolle über den SC in bestimmten Situationen nicht beim Spieler sondern bei den Würfeln liegt.

Offline Sashael

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #38 am: 24.06.2014 | 22:14 »
Er möchte, dass die Kontrolle über den SC in bestimmten Situationen nicht beim Spieler sondern bei den Würfeln liegt.
Letzten Endes, ja.
Aber es geht ihm ja auch um den Vergleich mit einer Rolle im Theater, wo der Schauspieler gar nicht entscheiden KANN, wie sich die Figur in einer bestimmten Situation entscheidet, nichtmal mit einem Würfelwurf. Der Spieler spielt den Charakter so, wie es die Rolle vorgibt.
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Offline Slayn

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #39 am: 24.06.2014 | 22:17 »
Er möchte, dass die Kontrolle über den SC in bestimmten Situationen nicht beim Spieler sondern bei den Würfeln liegt.

Es gibt diesbezüglich ein extrem gutes Beispiel aus Pendragon (mal schauen wie oft ich das Wort die Tage noch so schreiben werden):
Hier baut ein Charakter seine Persönlichkeit im Spiel auf. Dies wird doch "große" und "kleine" Werte mitgehalten, große Werte sind die christlichen Tugenden, kleine Werte sind die Einzelmodifikatoren dazu.
Hierbei spielt extrem rein wie du, als Spieler, den Charakter führst und das entwickelt die Setting-Realität.
Wenn du, sagen wir mal, dem Graf widersprichst, entwickelt sich der Trait "Widerspricht dem GraF - 1d4" Wiederholst du das, spielst du also konsistent, steigt der Wert ggf. auf "Widerspricht dem GraF - 5d4" an und dein Charakter beginnt konsistent zu agieren (Stochastik lässt grüßen) und du als Spieler hast keine Kontrolle mehr darüber wie du dir deinen eigenen Charakter erspielt hast.
Die Betonung hier liegt darauf dass man sich eine Spielweltrealität erschaffen hat, diese konstant gehalten hat und diese gerade deswegen konstant bleibt.

Um ein konkretes gegenbeispiel zu geben: In D&D hat man immer eine ungefähre Ahnung wie weit man gehen kann bevor s einen Allignment Switch gibt und wählt auch oft Lösungen die der Charakter an sich, also wenn er eine "echte Person" wäre, niemals machen würde, die aber, da man eine herausforderungsorientiertes Spiel spielt, mit zur Lösung gehören.
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Eulenspiegel

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #40 am: 24.06.2014 | 22:23 »
@ Sashael
Ein Schauspieler spielt die Rolle so, wie sie der Regisseur vorgibt. Und wenn der Regisseur der Meinung ist, dass der Charakter in der Szene seine Psyche total ändert, dann muss dies der Schauspieler tun. Der Schauspieler hat nicht die Deutungshoheit über den Charakter. Er muss auf die Wünsche des Regisseurs bzw. des Autoren hören.

@ Slayn
Wann würfelt man auf den Trait "Widerspricht dem Graf"?  Und welche Konsequenzen hat eine erfolgreiche/misslungene Probe auf den Trait?

Offline Slayn

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #41 am: 24.06.2014 | 22:55 »
@ Slayn
Wann würfelt man auf den Trait "Widerspricht dem Graf"?  Und welche Konsequenzen hat eine erfolgreiche/misslungene Probe auf den Trait?

Ich habe jetzt keine besondere Lust so richtig tief ins Geschehen zu gehen, aber Konflikte nutzen eine Matrix bei der beiden Kontrahenten die relevanten Werte beitragen und auf der die Ergebnisse ermittelt werden.
das System an sich hält deine Handlungen mit, setzt diese in Werte um und macht diese in einem Format das für diese Konfliktmatrix nutzbar ist verfügbar.
Insofern entwickelt der Charakter sehr viele, sehr spezifische Werte die immer dann zum Einsatz kommen wenn sich die Action in den Szenen darum dreht. Geschieht dies nicht, wird geschaut ob sich neue Werte entwickeln lassen.
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Offline korknadel

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #42 am: 25.06.2014 | 08:20 »
@Eulenspiegel:
Begriffe wie "dumm" und "Kontrollverlust" sind nicht absolut zu verstehen. Es dürfte doch bitteschön offensichtlich sein, dass ich diese Begriffe im Zusammenhang eines Diskurses gewählt habe, in dem diese als Argumente immer wieder von einer Seite herangezogen werden. Ob diese Begriffe tatsächlich 100pro auf das zutreffen, was gemeint ist, sei dahingestellt. Die absolute Bedeutung von "Kontrollverlust" im Rollenspiel bitte ich woanders zu diskutieren (Slayn hat hierzu ja schon Bedenkenswertes gepostet).

Mir sind die realweltlichen Zustände an einem Theater hier schnurz, mir geht es lediglich um das abstrakte Verhältnis von Schauspieler und Figur. Und nach dem, was ich in meiner Ausbildung zum Musiktheater an Schauspielunterrricht und -tätigkeit erlebt habe, kann ich Dir versichern, dass meine Aussagen zum Verhältnis Schauspieler/Figur zumindest nicht weit hergeholt sind. Denn letztlich ist es egal, ob der Text oder der Regiesseur (wenn er den Text gegen den Strich bürstet) bestimmen, wo die Figur lang geht: In dem Moment, wo Du das als Schauspieler umsetzt, stehst Du mit der Figur wieder ganz alleine da. Und um diesen Moment geht es mir.

@alle:
Damit bin ich wieder an dem Punkt meiner Überlegung, die ich noch einmal anders zu formulieren versuche: Es geht um das von vielen tollen Rollenspielern vor sich hergetragene "In die Rolle Schlüpfen". Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr gelange ich zu der These, dass dies im Grunde gar nicht möglich ist, so lange ich die "Kontrolle" über die Figur beanspruche. Denn so lange ich dies tue, bewege ich mich immer auf der Metaebene der Autoren und Regiesseure. Das Ausleben und Ausfüllen einer Rolle kann aber nur stattfinden, wenn die Figur den Ton angibt. Entweder man ist Lenker oder Darsteller. Entweder ich führe die Figur, oder sie führt mich.

Und mir ist schon klar, dass man beim Rollenspiel in erster Linie eine Figur lenkt. Aber um den Immersionsgrad zu erhöhen, um "tiefer" in die Rolle hineinzuschlüpfen, um das Spiel wirklich in-character zu erleben, "sollte" man sich öfter mal als Darsteller der Figur zur Verfügung stellen und sich von ihr lenken lassen. Wie das dann im einzelnen aussieht, ob das mit sozialen Konfliktregeln oder anderen Dingen unterstützt, bzw. herbeigeführt wird, das ist für diese Überlegung erst einmal zweitrangig (wobei ich natürlich eine Präferenz für Würfelwürfe habe, die mir dann sagen: "Oh, meine Figur lässt sich tatsächlich von diesem Unsympathen einwickeln").

Meine These ist fürderhin ( ;D), dass auf diese Weise character exploration erst so richtig möglich ist. Denn das andere wäre "author exploration", bei der es eigentlich darum geht: Wie lenke ich meine Figur (auch emotional)? Das ist auch spannend, aber eben mehr auf der Metaebene, weniger "immersiv".

Oder um es mal ganz banal zu sagen, wobei ich dazu mal tatsächlich von gewürfelten sozialen Konflikten ausgehe: Es macht verdammt viel Spaß, zuzulassen, dass die eigene Figur von einem NSC, der besser würfelt, beeindruckt, belabert, belogen, betrogen, verzaubert, in den Bann gezogen, verführt, in Rage/zur Verzweiflung/um den Verstand gebracht wird etc. Ich habe mir vorgenommen, diesen Spaß verstärkt im Spiel zu suchen.
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Achamanian

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #43 am: 25.06.2014 | 08:37 »
Und mir ist schon klar, dass man beim Rollenspiel in erster Linie eine Figur lenkt. Aber um den Immersionsgrad zu erhöhen, um "tiefer" in die Rolle hineinzuschlüpfen, um das Spiel wirklich in-character zu erleben, "sollte" man sich öfter mal als Darsteller der Figur zur Verfügung stellen und sich von ihr lenken lassen. Wie das dann im einzelnen aussieht, ob das mit sozialen Konfliktregeln oder anderen Dingen unterstützt, bzw. herbeigeführt wird, das ist für diese Überlegung erst einmal zweitrangig (wobei ich natürlich eine Präferenz für Würfelwürfe habe, die mir dann sagen: "Oh, meine Figur lässt sich tatsächlich von diesem Unsympathen einwickeln").

Da liegt allerdings der problematische Punkt bei deiner These, dass es so "immersiver" wird: Klar kennt man das Gefühl, dass fiktiven Figuren ein Eigenleben entwickeln, aber letztlich kommt dieses Eigenleben ja doch von den Spielteilnehmern, die entweder aus dem Kopf oder aus dem Bauch heraus entscheiden, was sich für die Figur "richtig" anfühlt (und sich damit, wenn sie ehrlich sind, vielleicht durchaus überraschen). Selbst bei sozialen Konfliktregeln und Würfelentscheidungen hängt die Interpretation ja von den Spielern und deren Gefühl für die Figur ab.
Sich von der Figur lenken zu lassen, muss also immer eine Illusion bleiben, wenn auch eine wirksame. Die Figur kann nämlich keine eigenen Entscheidungen treffen.
Jetzt ist eigentlich nur die Frage: Wie verteile ich bei den Entscheidungs-/Entwicklungsprozessen der Figur die Kompetenzen? Wenn ich sie weit verteile (also auf SL und einen oder sogar mehrere Spieler, und dann noch Regelmechanismen als an/aus-Schalter für von den Spielern festgelegte binäre Optionen), wie du es favorisierst, dann hat der Spieler, der die Figur verkörpert, öfter Gelegenheit, sich mit Entscheidungen der Figur auseinanderzusetzen, die nicht auf seiner eigenen Interpretation der Figur beruhen, sondern aus der eines anderen. Und daraus kann dann das resultieren, was du als Immersion empfindest - sich einer Figur überlassen, sich in sie einfühlen, auch und gerade wenn sie Dinge tut, die sich der eigenen Kontrolle entziehen.
Aber es gibt eben auch Spieler, die finden, dass die Kompetenz, über einen Charakter zu entscheiden, am besten in einem Spieler vereinigt ist, und die es als immersiv empfinden, wenn sie die Gründe für das Verhalten ihres SC immer kennen und er für sie völlig transparent ist.

Offline korknadel

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #44 am: 25.06.2014 | 08:48 »
Sich von der Figur lenken zu lassen, muss also immer eine Illusion bleiben, wenn auch eine wirksame. Die Figur kann nämlich keine eigenen Entscheidungen treffen.

Selbstverständlich sprechen wir hier in gewissem Maße von Illusorischem, klar, eine Figur ist ja nur ein fiktives, abstraktes Bündel von Vorstellungen. Das hatte ich vorausgesetzt.

Aber es gibt eben auch Spieler, die finden, dass die Kompetenz, über einen Charakter zu entscheiden, am besten in einem Spieler vereinigt ist, und die es als immersiv empfinden, wenn sie die Gründe für das Verhalten ihres SC immer kennen und er für sie völlig transparent ist.

Es gibt eben auch Spieler, die auf den Gral pfeifen und trotzdem glücklich sind.  ;D

Im Ernst: Das sollte keine verbindliche Handlungsanweisung für "immersives" Rollenspiel sein, sondern ist nur ein Denkimpuls, der mir in letzter Zeit durch den Kopf geht. Der Klarheit willen formuliere ich das natürlich alles bestimmter, als es gemeint sein kann.
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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #45 am: 25.06.2014 | 08:49 »
Man kann Charakterentwicklung zu einem Gruppengesprächsthema machen. Da man sich den Vorstellungsraum und die Geschichte teilt, haben alle einen Anteil daran. Jeder kann auch IT, wie OT eine Wahrnehmung von einem anderen SC haben. Über emotionale, moralische etc. Charakterentwicklung kann man also gemeinsam sprechen, sofern gewünscht. In meinen Runden sehe ich oft, dass in der Feedbackrunde nicht nur über das gesprochen wird, was ich als SL mache, sondern auch über die Handlungen der SC und wie sich das für die Spieler und anderen SC wohl angefühlt hat. Das ist mehr so der erste Schritt zu einer indirekten Abgabe der Kontrolle, da ein Sinneswandel oder eine Veränderung in der Figur erst über die Zeit geschieht.

Edit: Interessanter Thread nebenbei.
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Offline gunware

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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #46 am: 25.06.2014 | 09:39 »
- Zum anderen ist die Aussage "Mein Charakter ist halt so!" endlich mal berechtigt und beißt auch dem Spieler in den Hintern ;)
:d :d Super.
Sorry für dein Einwurf, bitte weiter im Gespräch.
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Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #47 am: 25.06.2014 | 10:16 »
Da liegt allerdings der problematische Punkt bei deiner These, dass es so "immersiver" wird: Klar kennt man das Gefühl, dass fiktiven Figuren ein Eigenleben entwickeln, aber letztlich kommt dieses Eigenleben ja doch von den Spielteilnehmern, die entweder aus dem Kopf oder aus dem Bauch heraus entscheiden, was sich für die Figur "richtig" anfühlt (und sich damit, wenn sie ehrlich sind, vielleicht durchaus überraschen). Selbst bei sozialen Konfliktregeln und Würfelentscheidungen hängt die Interpretation ja von den Spielern und deren Gefühl für die Figur ab.
Sich von der Figur lenken zu lassen, muss also immer eine Illusion bleiben, wenn auch eine wirksame. Die Figur kann nämlich keine eigenen Entscheidungen treffen.
Jetzt ist eigentlich nur die Frage: Wie verteile ich bei den Entscheidungs-/Entwicklungsprozessen der Figur die Kompetenzen? Wenn ich sie weit verteile (also auf SL und einen oder sogar mehrere Spieler, und dann noch Regelmechanismen als an/aus-Schalter für von den Spielern festgelegte binäre Optionen), wie du es favorisierst, dann hat der Spieler, der die Figur verkörpert, öfter Gelegenheit, sich mit Entscheidungen der Figur auseinanderzusetzen, die nicht auf seiner eigenen Interpretation der Figur beruhen, sondern aus der eines anderen. Und daraus kann dann das resultieren, was du als Immersion empfindest - sich einer Figur überlassen, sich in sie einfühlen, auch und gerade wenn sie Dinge tut, die sich der eigenen Kontrolle entziehen.
Aber es gibt eben auch Spieler, die finden, dass die Kompetenz, über einen Charakter zu entscheiden, am besten in einem Spieler vereinigt ist, und die es als immersiv empfinden, wenn sie die Gründe für das Verhalten ihres SC immer kennen und er für sie völlig transparent ist.

Das hier muss ich jetzt ein wenig hinterfragen, denn da klingen für mich noch ein wenig zu sehr die üblichen Kompetenzverteilungen a la DSA mit rum, also das tatsächlich jemand irgendetwas zu sagen hat und das gewählte System übergehen können sollte.

So wie ich Korki hier bisher verstanden habe reden wir aber über eine richtiggehende Charakter-Simulation die es einem geneigten Spieler erlaubt einen Charakter als Vehikel für einen Blickwinkel ins Geschehen zu werfen und vom Spielleiter erwartet nur korrektiv einzugreifen wenn die Regeln versagen, ansonsten als reiner Input-Geber für die Außenwahrnehmung zu fungieren.
Traditionelle Erzählrechtverteilungen spielen dann also keine Rolle mehr (Ok, Kalauer, Tusch!).
Wenn wir einander in der Dunkelheit festhalten .. dann geht die Dunkelheit dadurch nicht vorbei
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Old Wise One

  • Gast
Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #48 am: 25.06.2014 | 10:24 »
Character exploration auf diese Weise ist schön und gut, wenn es dem gemeinsamen Spiel förderlich ist. Dadurch muss trotz des "leichten Kontrollverlustes" (ich würde hier eher von was anderem sprechen, siehe unten) eine gewisse Kontrolle doch darüber übrig bleiben, die Rolle entsprechend der Tisch- und Settingkonventionen in verträglichen Bahnen zu halten. Der Spieler muss in meinen Augen also immer in gewisser Weise als "enabler" der gespielten Rolle im Hintergrund bleiben, um im Notfall die Reißleine zu ziehen, wenn das Ganze mit ihm durchgeht.

Das, wovon du sprichst, korknadel, hat meiner Meinung nach weniger mit dem Verlust der Kontrolle zu tun, als mit progressivem Charakterdesign im Spiel. Wer seine Figur und Rolle (der er sich als Spieler in gewisser Weise unterzuordnen hat, wenn es ihm um eine gewisse Immersion geht, da gebe ich dir recht) nicht in Stein meißelt und mit jedem gespielten Moment neu ausformt bzw. weiterentwickelt, hat in der Regel kein Problem damit, Reaktionen nach Würfen auszurichten und so neue Ebenen des gespielten Charakters zu erfahren.

Ich meine das nicht als nit-picking im Bezug auf den Begriff. Ein Verlust der Kontrolle wäre in diesem Augenblick für mich sogar fatal. Es ist absolut notwendig, dass der Spieler zu jeder Zeit willens und in der Lage ist, die Ausgestaltung seines Charakters persönlich vorzunehmen. Es geht in erster Linie nur darum, wie offen er die Gesetze dieser Gestaltung ansetzt. In gewisser Weise kann man hier zwar von einem "Loslassen" von festgefahrenen Annahmen über die Motive und Persönlichkeit der Figur sprechen, um diesen neuen Entwicklungen überhaupt offen begegnen zu können, die Kontrolle darüber, was letztlich mit der Figur geschieht, darf allerdings nicht verloren gehen. Sich den Bedingungen der gewählten Rolle zu unterwerfen, die man gleichzeitig mitgestaltet, kann eben nicht bedeuten, die Verantwortung über ihre Integration in das gemeinsame Spiel abzugeben. Gerade dann landen wir bei "ich kann da nichts für, so ist mein Charakter eben".

Natürlich bin ich mir bewusst, dass das von dir verwendete Wort in gewisser Weise schon zutrifft, weil "Offenheit" auch irgendwie "nicht verbissen sein" heißt und das widerum irgendwas mit Kontrolle zu tun hat. Ich möchte das lediglich so eindeutig und hart getrennt wissen, weil ein Missverständnis in diesem Zusammenhang meiner Meinnug nach sowohl im Rollenspiel, als auch in der von dir eingebrachten theatralen und auch in der literarischen Kunst, immer wieder zu Katastrophen führt. Es gibt auch Autoren, die sich ihrer Verantwortung für die Aufrechterhaltung ihrer Geschichte und Ausgestaltung von Spannungsbogen und Plot entziehen, indem sie behaupten, ihre Figuren hätten sich einfach selbstständig gemacht. Oder Schauspieler, die Rollen entstellen, weil sie davon überzeugt sind, dass die Rolle "das so will". Oder eben das lästige "mein Charakter ist eben so" im Rollenspiel. Das ist im Grunde  "character exploration gone rogue" um im Kontext dieses Threads zu sprechen. Damit geht oftmals eine ganze Mentalität her, die der Dominanz der Figur viel zu viel und der Verpflichtung des Autors, diese zu kontrollieren, viel zu wenig Gewicht beimisst. Und die glaubt, die Kontrolle über das verlieren zu müssen, was sie entwickeln und darstellen, um diesem fiktiven "Etwas" genug Raum zur Entfaltung geben zu müssen.

Gerade in einem "coporative effort", wie im Rollenspiel, gibt es in meinen Augen nichts Wichtigeres, als diesen Fehlschluss, bzw. diese Illusion zu vermeiden. In dem Augenblick, wo man die Gestaltungskompetenz- und verantwortung an das fiktive Konstrukt abgibt, das überhaupt erst durch die persönliche Interpretation ihrer Prämissen, Grenzen und Motivationen existiert, tritt man im Grunde genommen mit Anlauf gegen die gemeinsam errichteten Säulen des Fundaments, das die gemeinsame Vorstellungswelt, den Gruppenvertrag und all das schöne Zeug, was das "wir spielen zusammen make belief" überhaupt ermöglicht. Da erfahrungsgemäß die wenigsten Spieler sich dieser Verantwortung immer zu 100% bewusst sind, ist Chaos und Stunk dann eigentlich vorprogrammiert.
« Letzte Änderung: 25.06.2014 | 10:27 von Old Wise One »

Achamanian

  • Gast
Re: Kontrollverlust wagen
« Antwort #49 am: 25.06.2014 | 10:30 »
Das hier muss ich jetzt ein wenig hinterfragen, denn da klingen für mich noch ein wenig zu sehr die üblichen Kompetenzverteilungen a la DSA mit rum, also das tatsächlich jemand irgendetwas zu sagen hat und das gewählte System übergehen können sollte.

So wie ich Korki hier bisher verstanden habe reden wir aber über eine richtiggehende Charakter-Simulation die es einem geneigten Spieler erlaubt einen Charakter als Vehikel für einen Blickwinkel ins Geschehen zu werfen und vom Spielleiter erwartet nur korrektiv einzugreifen wenn die Regeln versagen, ansonsten als reiner Input-Geber für die Außenwahrnehmung zu fungieren.
Traditionelle Erzählrechtverteilungen spielen dann also keine Rolle mehr (Ok, Kalauer, Tusch!).

Das System kommt bei dem, was ich meine, noch gar nicht direkt ins Spiel. Was ich meine, ist, dass der Charakter als Figur, als Person letztlich doch immer nur aus den Entscheidungen der beteiligten Spieler (ob die nun SL sind oder die Spieler des jeweiligen SC oder andere Mitspieler) entwickeln kann, auch, wenn er dabei ein Eigenleben zu entwickeln scheint. Selbst, wenn ein Zufallselement der Regeln darüber entscheidet, in weche Richtung sich ein Handlen entwickelt (Erfolg/Scheitern, Angst/Mut, Skepsis/Leichtgläubigkeit), dann muss man dieser groben Richtung im Spiel ja immer noch einen konkreten Ausdruck und einen Zusammenhang mit dem Charakter als Ganzem verleihen. Ohne diesen Ausdruck und ohne die Herstellung eines Gesamtzusammenhangs hat man eben doch keine Figur, sondern nur eine Ansammlung von abstrakten Entscheidungen.
Ob man dabei das System übergeht oder es streng berücksichtigt, ist noch mal eine ganz andere Frage.

Mit Kompetenzverteilung meine ich in diesem Zusammenhang gar nicht so sehr die klassische Erzählrechtsvergabe (wer entscheidet, wie genau etwas abläuft), sondern die Frage, wer alles in welcher Form Input geben kann. Zu diesem Input gehört auch: Wann wenden wir die Regeln auf Charaktere an? Befolgen wir die Regeln mehr oder weniger streng?

Was Korki angesprochen hat, kann doch letztlich nur ein sehr fließender Ansatz sein: Mal hält mehr der Spieler die Zügel in der Hand, mal mehr der SL; und wenn letzterer eingreift, dann gehört es halt zum guten Ton, dass er dem SC nicht einfach die Variante, die ihm gefällt, aufpropft, sondern entweder eine Anregung gibt oder die Entscheidung zwischen verschiedenen Optionen dem Würfel überlässt. Letztlich ist das für mich aber immer nur als situationsabhängiges Aushandeln darüber denkbar, wessen Ideen für das Handeln des SC gerade im interessantesten/passendsten/spaßförderndsten sind. Und wenn man diesen "Ich weiß am besten, wie mein Charakter tickt!"-Fetisch hat, dann will man sich natürlich nicht auf ein Aushandeln einlassen, sondern findet, dass es am Besten ist, wenn immer alles genau so läuft, wie man es sich vorstellt.