Da du das "brisant" direkt in den Titel schreibst: Willst du die Brisanz auch irgendwo bewusst auf einer Reflexions-Ebene dabei haben? Oder soll es eine Herangehensweise à la "alles kann, nichts muss" werden, bei der das Setting erstmal relativ frei von moralischen Design-Zielen etc. entsteht und dann eher als Umgebung für sowas herhält (wenn überhaupt)? Die "Innenwelt" der Charaktere ist bisher der einzige Ansatzpunkt in die Richtung, den ich herausgelesen habe, und der kann ja auch noch in viele verschiedene Richtungen gehen.
Deshalb ernst gemeinte Frage: Was ist die Idee? ^^
Ich habe beim Brainstormen in der Weltenband-Challenge gemerkt (mein Thema war die Berliner Mauer), dass mein größter "Feind" bei einer moralischen Herangehensweise das moderne Befinden ist. Es ist zwar bspw. ein guter Anfang, die Spieler in eine ideologisch fragwürdige Umgebung zu werfen und sie vor schwierige Entscheidungen zu stellen, aber es führt halt tendenziell nicht wirklich weit, weil (spätestens unterbewusst) sowieso alle irgendwo "darüber stehen", so als Menschen im Jahr 2014. Aus didaktischer Sicht würde ich sogar dran zweifeln, ob da überhaupt irgendein Perspektivwechsel stattfindet, oder am Ende nur einfach nur einfach die Befindlichkeit "war schrecklich, würde ich selbst aber nie machen!" befestigt wird - was imho tragbar für die fünfte Klasse ist, aber danach keinen großen Wert mehr hat. ^^''
Wenn man also wirklich "moralisch" werden will, muss man sich vielleicht auf Hinterfotzigkeiten und Kunstgriffe verlassen. Bei mir ist es bspw. darauf hinausgelaufen, die Handlungsfreiheit der Charaktere einzuschränken (durch eine "Programmierung"). Das überspringt sozusagen den Gedanken "ich hätte es ja ganz anders gemacht!", der üblicherweise immer präsent sein wird, und fokussiert sich mehr auf andere Aspekte, etwa das "wie" anstatt des "ob". Also, jetzt mal komplett davon abgesehen, ob diese Strategie in meinem Spiel aufgegangen ist, Moral bleibt natürlich immer persönlich. ^^ Ein Schritt, der mir bei deinen Ideen sehr naheliegend scheint, ist die Vielfältigkeit dieser möglichen Zukunft. Wie brisant und aufrüttelnd (und damit potenziell moralisch!) wäre es bspw., wenn die ganze Nazischeiße am Ende zu einer faschistischen Utopie geführt hätte, die vom Sichtpunkt der Zukunft aus zwar auf Blut gebaut wurde, aber zu kontemporär paradiesischen Ergebnissen geführt hat? Dann müssten Charaktere und Spieler, die gegen dieses System vorgehen wollen, erstmal eine wirklich tragbare Moral finden, die über "ist halt scheiße!" hinaus geht. Die Chroniken der Engel hat das ähnlich gemacht, indem einfach alle vorhandenen Alternativen genau so scheiße waren. Ließ aber auch das Problem, dass man immer noch einfach alles kaputt machen konnte, in der Hoffnung auf etwas unbestimmtes Besseres.
Und ich befürchte, auf den Widerstand bzw. die Rebellion gegen das System läuft es am Ende immer hinaus (Engel, Paranoia, Shadowrun ...). Wobei es auch mal interessant wäre, andere Wege zu gehen. Hm, fällt jemandem etwas ein? Shadowrun hat ja auch dieses "Rädchen im System" dabei, das imho ebenfalls ein gewisses Potenzial hat, sofern es nicht auf "Cyberpunk-Robin-Hood!" hinausläuft.
Allgemein dürfte ein Blick in die verschiedenen Weltenbandchallenge-Sachen sehr interessant sein. Da sind auch einige Nazisachen dabei (imho meistens relativ stumpf), aber gerade auch "Die Grenzer" und "Bergungskreuzer Möve" finde ich politisch hochgradig interessant, auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen. Tatsächlich rüttelt mich persönlich der Bergungskreuzer noch mehr auf (obwohl es da wahrscheinlich weniger geplant war ^^), weil er nicht so direkt ist.
Ach ja, unbedingte Leseempfehlung:
Mars Colony!
DAS hat auch eine heftige, moralisch interessante Herangehensweise, ohne irgendwie den Holzhammer zu holen!