Den Unterschied kann man auch gerne dadurch betrachten wenn man einen Vergleich zieht was _in echt_ sinnvolle Handlungen sind und was _nach den Regeln_ sinnvolle Handlungen sind.
Das ist eine Frage, die ich beim Lesen von Regelwerken gerne stelle: Trifft jemand, der sich "nur" mit der beschriebenen Situation auskennt, auch in völliger Unkenntnis der Regeln sinnvolle Entscheidungen?
Und wenn nicht, liegt das im Setting und/oder im Genre begründet oder ist es rein durch die Regeln bedingt?
Ist es ein reines Regelartefakt, gehört das System wahrscheinlich zu denen, die ich nur anfasse, um sie ins Feuer zu werfen
Der Schiedsrichter entscheidet ebenso die Effektivität, die Punktewertung, des Tritts nicht aufgrund seines persönlichen Gusto sondern aufgrund dessen was innerhalb der Regeln an wechselseitiger Wirkung zu beobachten ist bzw. war.
Das ist doch genau der Faktor, warum einige Vollkontaktler so über Pointfighting herziehen - weil eben bewertet wird und nicht laufen gelassen ("ausgespielt"
).
Und auch im Vollkontaktbereich sind die Regeln nicht so eindeutig, dass alles 100% determiniert ist.
Gerade im MMA sieht man durch die komplexeren Abläufe und Regeln im Vergleich z.B. zum Boxen sehr oft Entscheidungen, die man auch deutlich anders hätte treffen können.
Da wird natürlich oft diskutiert, ob die Bewertung richtig war. Und auch der Schiedsrichter, der sich sagt "Ich breche nicht vorzeitig ab, sondern lasse erst mal alles bis zur absoluten Eindeutigkeit laufen", hat diese Entscheidung getroffen und keine andere, die ihm regelseitig auch möglich gewesen wäre.
Der relevante Unterschied zum Freeform?
Einer trifft die Entscheidung und der Rest kann höchstens maulen.
Ob da ein realer Ablauf dahinter stand, ist im Prinzip egal.
Genau so könnte man einem Schiedsrichter den Kampfverlauf möglichst detailliert erzählen und der trifft seine Entscheidungen basierend auf der Erzählung - "medial" bedingte Unterschiede in der Wahrnehmung mal außen vor.
Wenn man jetzt ein Freeform Rollenspiel hat fallen die Regeln zur Entscheidung der Partie weg und damit m.E. auch eine Taktik.
Es gewinnt nicht der der die beste Taktik hat sondern der der am überzeugensten Wissen bzw. Kompetenz hat bzw. vortäuschen kann.
Wo ist bei einer rein theoretischen Veranstaltung der Unterschied zwischen Wissen/Kompetenz und daraus resultierender guter Taktik?
Aber ja, ansonsten ist genau das ein Problem: Wenn sich die Spieler in Blender und tatsächlich Kompetente aufteilen, tut man sich natürlich schwer, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen - auch wenn das durch die Zielsetzung bei Freeform im Vergleich zum "klassischen" Rollenspiel wieder etwas relativiert wird.
Am Rande: Es gewinnt bei ausreichend komplexen Abläufen sowieso nicht immer der, der die beste Taktik hat, weder in crunchigen Rollenspielen noch im Sport noch in echten Kämpfen.
Dieser Gedanke nimmt vielleicht etwas den Anspruch aus dem Freeform, mit aller Gewalt zu einem eindeutigen bzw. zwingenden Ergebnis kommen zu wollen. Das kann nämlich nicht funktionieren.
Wo sind die Beispiele mit Freeform und taktischen Anspruch?
An den Spieltischen, wo das jeweils stattfindet - genau wie bei den crunchigen Spielen auch. Das Regelwerk ohne dazugehöriges Spielgeschehen kann nur eine Absichtserklärung sein, aber mehr nicht.
Was die Runden daraus machen, sieht man nur vor Ort.
Wobei das Problem ist das sie aufgrund der Spielbedingungen weder am Tisch noch im LARP die gleichen Bedingungen vorfinden.
Das heißt wo im richtigen Kampf diese zum Zuge kommen werden im Spiel nur nicht formalisierte/reglementierte Annahmen getroffen.
Und genau darum geht es doch:
Wenn die Spieler sich so weit auskennen, dass sie diese Bedingungen erkennen, formulieren und einordnen können, dann kann man auch darauf Bezug nehmen und sie wirken lassen.
Das legt überhaupt erst den Rahmen fest, in dem man sich bewegt, und deswegen sollten die Spieler da entsprechend nah beieinander sein.
Genau diese Arbeit ersparen crunchige Regeln.
Welches konkrete Ergebnis bzw. Ereignis dann daraus gemacht wird, hängt "nur" noch davon ab, was für eine Geschichte man erzählen will (im Gegensatz zu sturer Regelanwendung beim crunchigen Spiel).
Das ist die Stelle, an der Freeform oft hakt: Wenn jemand meint, aufgrund der beschriebenen Situation wäre nur ein einziger Verlauf möglich und das durchdrücken will.
Aber, oh Wunder: Das gibt es in Runden mit konventionellen Systemen auch, bis hin zum spontanen Ändern von Regeln, wenn der Meinende der SL ist, oder der leidigen "Das ist jetzt aber unrealistisch..."-Diskussion, wenn es ein Spieler ist.