Verabschiedet euch vom Konfliktbegriff.
Der Begriff ist inzwischen extrem aufgeladen und eigentlich völlig nichtssagend geworden. In D&D-Sprech gibt es Encounter, bei den Encountern geht es aber auch immer um Konflikte. ("Ich Monster, ich dich mach platt.") In HeroWars/HeroQuest können auch Umwelthindernisse zu Konflikten werden, weil Hindernisse aktiv verstanden werden. Das Umwelthindernis "Erdspalte" hat dann ein Interesse an "hier kommt niemand durch", der Held hat das Interesse "ich will da durch", *zack* ist der Konflikt da.
Manche benennen Lebenspunkte in Stress um und fügen dann gleich noch verschiedene Ausdauerbalken bei, *zack* sind die Regeln konfliktorientiert.
Andere unterscheiden zwischen "task resolution" und "conflict resolution", andere haben aber schon aufgezeigt, dass es diese Unterscheidung in Praxis und Theorie nicht gibt (nicht zuletzt wie oben dargestellt auch HeroQuest, weil da ja eben jeder task als conflict verstanden wird).
Konflikte in Rollenspielen sind zunächst eine Mode. Es ist hip, Konflikte in Rollenspielen zu haben und damit sind nicht Konflikte gemeint, sondern es ist tatsächlich einfach hip, von Konflikten zu sprechen.
Konfliktorientierte Regeln müssen auch nicht weniger kleinschrittig oder sonstwas sein. Gerade wenn "konfiktorientierte Systeme" mit sozialen Lebenspunkten arbeiten, kommen da oft mehrere Proben zusammen, wo ein angebliches klassisches "task resolution"-System nur eine Probe verlangt (entweder gelingt die Überreden-Probe oder nicht, steht das Ergebnis, wird damit weiter gespielt).
Was wird denn tatsächlich oft anders gemacht? Wir haben eine Verregelung von sozialen Prozessen, die soziale Auseinandersetzungen komplexer darstellen (sozialer Stress). Es wird versucht, Unterschiede zwischen verschiedenen Sorten von Konflikten aufzuheben, so dass tendentiell verschiedene Konflikte mit den gleichen Regeln ausgetragen werden können, egal, mit welchen Mitteln sie ausgetragen werden. (Ob ich mit Waffen kämpfe oder mit Worten spreche ist egal. Das ist eher neu, in vielen klassischen Systemen wurden Kämpfe anders ausgetragen, als soziale Auseinandersetzungen oder ein innerer Konflikt. Selbst innere Konflikte gab es aber z.B. schon in DSA sehr früh mit schlechten Eigenschaften. Die waren nur anders verregelt als eine Probe auf Lügen oder ein Kampf.) Reduktion auf Konflikte heißt also erst, Herausforderungen immer durch dieselbe Brille zu sehen und anzunehmen, dass sehr verschiedene Handlungen mit den gleichen Regeln abgehandelt werden können. Ist das nicht das neue? Und das ist in der Tat eine Reduktion, eine Reduktion durch die Rückführung auf allgemeine Regeln, also Abstraktion.
Statt zwischen konflikt- und handlungsorientiert würde ich eher konkrete und abstrakte Regeln unterscheiden. Und dann kann man anfangen, sich Gedanken um den Grad der Abstraktion zu machen. Natürlich ist selbst OD&D abstrakt und auch GURPS ist abstrakt. Es handelt sich also nicht fundamentale Kategorien, etwas ist entweder abstrakt oder konkret, sondern es handelt sich um Idealtypen, an die man sich nur annähern kann, die in ihrer Reinform aber wahrscheinlich niemals auftreten werden (vielleicht, weil es aus logischen Gründen sogar unmöglich ist). Es gibt also nicht entweder abstrakte oder konkrete Regeln, sondern es gibt nur Regeln, die etwas mehr abstrakt oder etwas mehr konkret sind.