Was gab´s am Sonntag?
Stimmenfang in Irencillia!
Das Quellenbuch „Guardians of the Forest“ beschreibt, dass der Bund auf derart bizarre Art und Weise vom Wesen der Feen durchzogen ist, dass er sich in seiner Erscheinung der Vorstellung eines jeden Individuums anpasst, dass sich an diesen Ort verirrt. Wenn ich mir das domus magnus des Hauses Merinita also als Versuchslabor für Feenmagie vorstelle, dann sieht es für mich genau so aus. Wenn ich mir aber vorstelle, dass es sich um einen Bund handelt, der sich komplett in den Wipfeln der Bäume befindet, dann ist das für mich eben so. Wenn ich mir eine Märchenburg mit flatternden Wimpeln und schillernden Rittern vorstelle, dann ist das für mich so. Und wenn ich mir den Bund als unterirdische Zwergensiedlung vorstelle, dann gilt genau das für mich.
Na toll, habe ich erstmal gedacht. Ich habe fünf Charaktere am Start. Wie soll ich das spielen?
Ich habe zuerst mal meinen Spielern eine email geschrieben und sie darum gebeten, mir zu schildern, wie sich ihr Charakter Irencillia vorstellt. Dann habe ich ganz generisch Räumlichkeiten entworfen: Eingang, Gänge, Innenhof, Speisesaal, Küche, Gästezimmertrakt, Ratssaal, Bibliothek, Kerker und die sancti der ansässigen Magi, die aber aufgrund der entsprechenden Markierungen als unzugänglich galten. Dann habe ich den Bund individualisiert. Der Speisesaal war für den einen Charakter eine Wiese mit Picknickdecken, für den nächsten eine Schänke, für den dritten eine nüchtern-funktionale Kantine. Die Gänge waren für den einen Charakter normale durch Steinwände begrenzte Durchgänge, für den nächsten Charakter waren es schillernde Brücken zwischen einzelnen Bäumen, für den dritten waren es bogenförmige Gewölbe aus Pflanzen, die über Kopf zusammengewachsen sind. Auch die anwesenden Bewohner habe ich individualisiert. Für den einen Charakter wohnten hier Satyre und Zentauren, für den nächsten Zwerge, für den nächsten Männer mit Brille in grauen Kitteln usw. Die Magi des Bundes Irencillia sind allerdings für alle Charaktere gleich und fungieren als die feste Größe dieses Bundes. Außerdem besitzen sie alle eine Feenkarikatur, ein Feenwesen, das Form annimmt, wenn sich ein Mensch längere Zeit in Irencillia niederlässt. Manche dieser Karikaturen sind das genaue Gegenteil, andere ergänzen den Mensch (indem sie beispielweise sein Reittier darstellen) oder verdoppeln ihn in seiner Funktion. Auch diese Karikaturen sind feste Größen und sehen für alle Besucher gleich aus.
Dann ging´s los. Wenn die Charaktere neue Örtlichkeiten betraten, teilte ich ihnen einen Schnippsel aus, auf dem ihre individuelle Ortsbeschreibung stand. Ich habe als Spielhilfe eine Kerze angezündet und relativ schnell verraten, dass ich immer mit dem Spieler über die Realität seines Charakters spreche, vor dem die Kerze steht. Wenn die Kerze also vor Spieler A steht, geht es in meinen Beschreibungen und Dialogen um die Realität von Charakter A. Spieler B hört dann seltsame Dinge, die er nicht versteht, er kann aber nach einer Weile mutmaßen, wie Irencillia für seine Kumpanen aussieht. Darin lag ein besonderer Reiz des Nachmittags. Ein Beispiel: Charakter A hat durch seine Fertigkeit „second sight“ entdeckt, dass von dem Baum, auf dem er sich befindet, eine unsichtbare Treppe zu einem Nachbarbaum führt. Dummerweise befindet sich vor der Brücke ein Gnom mit einem Schlägel neben einem großen Gong. Offensichtlich ist es die Aufgabe des Gnoms, den Gong zu schlagen, wenn jemand die Brücke überqueren will. Charakter A beginnt nun ein Gespräch mit dem Gnom über den Gong und dessen Funktion um mehr herauszufinden. Dann aber kommt Charakter B hinzu, sieht Charakter A, der vor einer verschlossenen Tür steht und sich mit einem Laborassistenten unterhält und hat nicht die geringste Ahnung, warum Charakter A andauernd irgendetwas von einem Gong faselt. Kurz gesagt: Schon sehr bald mündete die Erforschung des Bundes in ein lustiges Chaos.
Die entscheidenden Handlungsschritte sind schnell erzählt: Die Gruppe brauchte einen Charakter des Bundes Irencillia, der auf dem nächsten Tribunal seine Stimme dafür abgibt, dass die Charaktere einen neuen Bund gründen. Schnell erfuhren sie, dass eine solche Stimme von jedem Mitglied des Bundes Irencillia nur dann abgegeben werde, wenn die Feenkönigin Rosmert die Erlaubnis dazu erteilt. Mit der kann man allerdings kaum sprechen, da sie die Feenkarikatur von Handri, dem Primus des Hauses Merinita ist, der wiederum sehr zurückgezogen lebt und jedem Besuch aus dem Weg geht. Die Aufgabe bestand also zunächst einmal darin, zu Rosmert vorgelassen zu werden. In der Gruppe gab es einen Ritter, der von Magie völlig unbeleckt war und zu irgendeinem Zeitpunkt von all den Alternativrealitäten und komischen unsichtbaren Barrieren die Nase voll hatte. Er besitzt einen Schutzgeist, und zwar einen Dschinn aus dem Morgenland, den er von einem Aufenthalt im heiligen Land mit nach Hause gebracht hatte. Völlig verwirrt zog sich der Ritter in sein Gästezimmer zurück und rief diesen Dschinn um Rat an. Als Antwort bekam er die Anweisung, den Dschinn mit in den Innenhof zu nehmen, auf dass dieser diesen gottlosen Ort im Namen Allahs weihen könne. Der Ritter – schon längst kein christlicher Fundamentalist mehr – tat wie ihm geheißen. Die Aktion kam bei den Feen allerdings weniger gut an, da sie fürchteten, ein solcher Einfluss göttlicher Macht könnte die Stabilität der Feenaura des Bundes stören. Flugs wurden Ritter und Dschinn aufgegriffen und in den Kerker geworfen. Die anderen Charaktere reagierten und folgten ihrem Freund in den Kerker. Hier schlug die Stunde des Magus´ in dessen Vorstellung Irencillia eine Art Versuchslabor war. In seiner Realität existierten in den einzelnen Kerkerzellen noch ein paar Schläuche, die zu einem Glaszylinder führten. Über diese Schläuche wurde den Gefangenen Vitalität abgesaugt (diese menschliche Vitalität brauchen die Feen um existieren zu können). In dem Glaszylinder saß ein Laborassistent, der ein Buch beschrieb. Über diesem Buch hing ein Prisma, dass den Buchinhalt quasi in den Raum jenseits des Glaszylinders projizierte. Und weil Feen im Prinzip zu einem Wesen geronnene Geschichten sind, entstand durch diese Apparatur auch ein neues Feenwesen – in diesem Falle habe ich nicht gekleckert, sondern gleich geklotzt und einen im Werden begriffenen durchscheinenden Feendrachen in dem Raum postiert. Die Gruppe war natürlich nicht begeistert davon, dass ihr Ritter in gewisser Weise als Feenfutter herhalten sollte. Bevor aber ernste Aggressionen entstanden, betrat eine Maga von Irencillia den Raum, untersuchte den neuen Gefangenen und stellte einen wirklich wertvollen Charakter fest (der Ritter hatte als personality flaw die Eigenschaft, Leidenden gegenüber stets starkes Mitleid zu zeigen). Da der Ritter offensichtlich völlig am Ende seiner geistigen Gesundheit war, erbot sich einer der Magi, an seiner Stelle in den Kerker zu steigen und aus dieser Position heraus Verhandlungen zu führen. Auch dieser Magus war ein Charakter mit einer besonderen Persönlichkeit. Er verliert aufgrund eines Charakterflaws niemals seinen Optimismus. Die Maga von Irencillia war aufgrund der wertvollen Charaktere ihrer Besucher völlig aus dem Häuschen und daher zu einem Deal bereit: Sie würde die Charaktere zur Feenkönigin Rosmert bringen und wenn Rosmert die Erlaubnis für die Stimmabgabe zugunsten des Spielerbundes abgibt, dann würden sich zwei Spielermagi dazu bereit erklären, freiwillig zwei Tage in den Kerker zu gehen, wo sie ihre Vitalität dem Bund Irencillia zur Verfügung stellen würden. Die Verhandlung mit Rosmert schließlich brachte den Charakteren noch eine weitere Bedingung ein. Sie bekamen vom Bund Irencillia ein Schriftstück, dass sie zweimal kopieren und an bestimmte Persönlichkeiten weitergeben sollten. Auf Nachfrage erfuhren die Charaktere, dass es sich um ein Buch handele, dass das harmonische Zusammenleben zwischen Menschen und Feen fördern würde. Die Spieler haben sich darauf eingelassen und konnten dann den Bund verlassen. Einer der Magi hatte vorerst seinen Optimismus verloren und brauchte ein paar Tage, bis er wieder der alte war. Was in dem Schriftstück wirklich steht, werden die Charaktere noch herausfinden.
Das war ein chaotischer, lustiger Nachmittag mit einer Menge ROLLENspiel. Für mich der beste event dieses Jahres bisher.
Chiarina.