Ist das so oder gibt es doch Bestandteile eines Rollenspiels die man bei einem aktuellen Rollenspiel oder der aktuellen Edition eines Rollenspiels erwartet?
Doch! - Ich bin jetzt einfach mal so provokant.
Zuerst ein paar Basics:1.) Moderne Rollenspiele verfolgen klarer ihre Designziele (deswegen gibt es nur bessere/aktuellere Mechanismen je nach Designziel)
2.) Nicht jedes Rollenspiel-Konzept braucht Aktualität (Retro-Spiele haben jedoch klare Designziele, gewachsene Mainstreamtitel jedoch selten)
3.) Wenn ich ein klares Designziel habe, dann kann ich auch klar bessere und schlechtere Mechaniken identifizieren.
4.) Gute Designer mit dem selben Designziel wissen was gut ist und versuchen moderne Mechaniken auch bei sich einzubauen. (z.B. der Versuch überall Aspekte zu haben, der Versuch alles mit Gummipunkten/Fanmail zu machen usw.)
5.) Nicht immer macht das Sinn, aber jeder RPG-Designer sollte zumindest seine eigenen Mechaniken überprüfen, ob moderne Konzepte nicht funktionieren oder besser sind. Manchmal klappts, manchmal nicht - in jedem Fall versteht man danach das eigene Spiel besser.
Beispiel 1:Designziel: Erzählorientiertes Rollenspiel mit sich realistisch anfühlenden Kämpfen
Wahlmöglichkeiten Schaden zu verwalten:
1.) Hitpoints
2.) Lebenspunkte
3.) Lebenspunkte mit Todesspirale
4.) Detailliertes Trefferzonen-System
5.) Stress-Tracks mit Konsequenzen
6.) Wunden in Form von Fluff Beschreibungen
Es dürfte klar sein, dass jegliche Form von Punktezählen als Representation der Verletzung nicht erzählorientiert genug ist. Dennoch haben Spiele in denen man erzählorientiert spielen kann durchaus auch schon mal LE verwendet. Ich würde es bei einem neuen System mit klarem Erzähleinschlag aber als altbacken und nicht state of the art empfinden weil es mindestens ein System gibt, dass es vormacht wie es besser geht.
Beispiel 2:Designziel: Schnelle Probe mit der man kämpfen und Entscheidungsproben abhandeln kann, kleiner Entwicklungsbereich (Fähigkeiten)
Folgende Proben stehen zur Auswahl:
1.) 3W20 (DSA)
2.) 3W6 addiert, unterwürfeln
3.) 2W10 addiert, unterwürfeln
4.) Fudge Würfel (FATE)
5.) W6-Pool addieren
6.) 2x 3W20 - Pool (Mystix)
7.) 1W20 überwürfeln
Hier fällt 3W20 und W6-Pool (addieren) schon mal raus weil es einfach zu lange dauert. 3W6 hat für Kämpfe zu wenig Streuung (zu berechenbar) - 1W20 hingegen ist zu linear für Entscheidungsproben. Hat man es wirklich mit kleinen Fähigkeitswerten zu tun (1-6) so bleibt eigentlich nur die FATE-Probe übrig, wenn die Verfügbarkeit von Fudge Würfeln keine Rolle spielt. Agiert man mit Attribut+Fähigkeit oder braucht eine größere Fähigkeitsweite (z.B. 1-15), dann landet man schnell bei 2W10 oder 2x 3W20 (Mystix).
Würde man jetzt als RPG-Designer aus Unwissenheit oder weil man einfach Lust auf Probe X hat, für ein schnelles System eine Probe nehmen wo man 3 Würfel abliest, diese jeweils mit 3 Werten vergleicht und je nach Bedarf aus einem Punktekonto die Differenz dynamisch ausgleicht um idealerweise Punkte übrig zu halten, dann ist das schlicht altbacken. Modern wäre es hier eine Probe zu wählen, die wirklich schnell ist, weil z.B. überhaupt nicht/kaum gerechnet wird und nur ein Wert verglichen wird und somit halbwegs das Ziel der Geschwindigkeit erfüllt wird.
Allerdings hat ja nicht jedes System den Anspruch schnelle Proben zu ermöglichen. Bei solchen Systemen muss man sich jedoch fragen, welchen anderen Mehrwert denn diese Proben haben, der dem Designziel des Systems entspricht und es wert ist den Spielfluss zu verlangsamen.
Es hängt eben massiv von den Designzielen ab und davon ob man tatsächlich welche haben darf, weil z. B. die Fans Beständigkeit verlangen und Innovation verhindern. Hat man Ziele, dann gibt es allerdings sowas wie moderne Mechanismen und moderne Rollenspiele, die diese Ziele möglichst gut erfüllen wollen.
Was nun wem gefällt, ist davon komplett unabhängig und sollte nicht teil der Debatte sein. Ich spiele auch gerade mal wieder Lands of Lore 2 und finde es cool - dennoch ist das Spiel nicht mehr state of the art bzw. modern.