Autor Thema: Mechanik in Rollenspielen - Oder: Zum Anspruch und Kunstbegriff von RPGs  (Gelesen 10606 mal)

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Wellentänzer

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Erstaunlich. Ich hätte nicht gedacht, dass mir nach so langer Zeit noch die Kinnlade auf die Tastatur fallen könnte. Herzlichen Dank für diese lehrreiche Erfahrung. Ebenso lehrreich war dieser Thread für mich. Ich danke für die zwar leider oft themenfremde, aber doch rege Beteiligung und werkel dann mal in kleinerem Kreise weiter.

Bei Interesse sieht man sich bestimmt mal bei Gelegenheit auf ein Bierchen und da lassen sich diverse Klamotten ohnehin viel besser besprechen. Schönen Tag noch!

Online Crimson King

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Wenn man sich als Gedankenexperiment eine Rollenspielertruppe vorstellt, die auf einer Bühne ihr Rollenspiel vorführt, dann spielt es meiner Meinung nach keine wirkliche Rolle, welche Regeln benutzt werden und ob ein vorgefertigtes Abenteuer oder ein frei erfundenes zum Einsatz kommt. Es spielt auch keine Rolle, wie ausgelastet diese intellektuell oder kognitiv sind.

Eine Rollenspielgruppe spielt immer auf einer Bühne, und die Zuschauer sind die selbst. Es ist der spezifische Sonderfall, dass bei diesem Hobby die Schöpfer des kreativen Outputs mit den Rezipienten identisch sind.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline Slayn

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Eine Rollenspielgruppe spielt immer auf einer Bühne, und die Zuschauer sind die selbst. Es ist der spezifische Sonderfall, dass bei diesem Hobby die Schöpfer des kreativen Outputs mit den Rezipienten identisch sind.

Als These nicht mehr unbedingt haltbar, seitdem der schleichende Drang zum Exibitionismus auch unser Hobby erreicht hat und Gruppen angefangen haben ihre Sessions auf Youtube zu präsentieren.
Wenn wir einander in der Dunkelheit festhalten .. dann geht die Dunkelheit dadurch nicht vorbei
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Offline Beral

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... soweit mal mein systematischer Versuch "Rollenspiel als Kunstform" zu fassen. Die Gedanken dazu sind noch nicht wirklich ausgereift.
Lass sie reifen und mach bei Bedarf einen eigenen Thread dazu auf. Was du über Kunst geschrieben hast, hat zum ersten mal mein Interesse geweckt, über die Verbindung von Rollenspiel und Kunst überhaupt nachzudenken. Stütze dich auf die beiden von dir genannten Aspekte, die Kunst ausmachen sollen und entwickel das weiter.

Das ist sehr viel fruchtbarer als aller Nonsens, der sonst zu diesem Thema läuft und immer nur zu der Feststellung führt, dass Kunst gar nicht oder zu schwammig definiert ist und man daher alles und nichts als Kunst bezeichnen kann.

Mein Beitrag hat keinen Bezug zum eigentlichen Thema. So wie ich es verstehe, sollte es hier nicht um Kunst gehen. Aber wenn schon ungebeten ein hübscher Gedanke auftaucht, sollte man ihn einfangen, irgendwo einpflanzen und hochziehen.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.

fudi

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Eine Rollenspielgruppe spielt immer auf einer Bühne, und die Zuschauer sind die selbst. Es ist der spezifische Sonderfall, dass bei diesem Hobby die Schöpfer des kreativen Outputs mit den Rezipienten identisch sind.

Das ist ein sehr interessantes Argument.

Ich denke aber, dass auch in diesem Spezialfall keine Kunst 'hergestellt' wird, sondern es wird das subjektive Selbst als "Künstler" neu konzipiert, mit der Prämisse, dass die Spielmechanik aus dem Spiel Kunst machen kann, wenn sie durch den "Künstler" richtig mechanisiert wird.
Damit durchläuft das Selbst in einem Prozess der Selbstrepräsentation eine Transformation zum autonomen und souvärenen "Künstler", der die Feder führen soll.

Mir erscheint an dieser Stelle ein Zitat von Goethe ganz passend, dass auch die weiter oben erwähnte Kunstideologie der Romantik deutlich wiedergibt:

Zitat
"Die Natur wirkt nach Gesetzen, die sie sich in Eintracht mit dem Schöpfer vorschrieb, die Kunst nach Regeln, über die sie sich mit dem Genie einverstanden hat."

Um noch einmal die vorangegangenen Argumente zu reiterieren, denn ich denke so haltlos sind sie nicht: Mit Spielregeln hat das ganze wenig gemein.

Offline Der Nârr

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Verstehe die Diskussion nicht. Mechaniken sind Pinsel.

Damit kann man Kunst machen, aber auch ganz groß rumschmieren.

In der Perspektive des Geschichten-Erzählens/-Erlebens macht es keinen Unterschied, ob mir die Mechaniken vorgeben wie ich die Geschichte strukturiere und sie auf einer Meta-Ebene beeinflusst oder ob sie vorgibt, wie sich die Protagonisten und die Umwelt zueinander verhalten und sie so auf einer Meta-Ebene beeinflusst.

Oder kurz gesagt: Ob die Mechaniken bestimmen, dass der Protagonist gerade den Ork tötet, weil er besser kämpfen kann und der Spieler dafür Spielressourcen verwendet oder ob die Mechaniken bestimmen, dass der Protagonist gerade den Ork tötet, weil der Spieler das gaaaaanz doll wichtig findet für "die Story (TM)" und dafür Spielressourcen verwendet ist für die Frage, ob es Kunst sei, unerheblich.

Ich persönlich finde ja die erste Variante viel beeindruckender. So wie ich meinetwegen Gorillakunst beeindruckend finde. Liegt wahrscheinlich an der geglaubten Einschränkung oder Primitivität der Mittel.
Spielt aktuell Deadlands reloaded
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In Planung Fate Core, Pendragon

Offline 6

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Die Kunstdiskussion interessiert mich nicht. Darauf werde ich also nicht eingehen.
In der Perspektive des Geschichten-Erzählens/-Erlebens macht es keinen Unterschied, ob mir die Mechaniken vorgeben wie ich die Geschichte strukturiere und sie auf einer Meta-Ebene beeinflusst oder ob sie vorgibt, wie sich die Protagonisten und die Umwelt zueinander verhalten und sie so auf einer Meta-Ebene beeinflusst.

Oder kurz gesagt: Ob die Mechaniken bestimmen, dass der Protagonist gerade den Ork tötet, weil er besser kämpfen kann und der Spieler dafür Spielressourcen verwendet oder ob die Mechaniken bestimmen, dass der Protagonist gerade den Ork tötet, weil der Spieler das gaaaaanz doll wichtig findet für "die Story (TM)" und dafür Spielressourcen verwendet ist für die Frage, ob es Kunst sei, unerheblich.
Nimm die normale Rollenspielmechanik, bei der Du am Ende des Abenteuers eine Belohnung fürs Überleben bzw fürs Lösen des Abenteuers bekommst. Vergleiche das mit der Regelmechanik, dass Dein Charakter am Ende der Sitzung stirbt (Polaris) oder der Charakter am Ende der Sitzung in allen wichtigen Punkten versagt haben wird (Fiasco). Beide Mechaniken sind natürlich den Spielern vor dem Spiel bekannt.
Vergleiche das dann mit der Mechanik, bei der Du am Ende keine Belohnung für das Bestehen des Abenteuers bekommst, sondern der SL ist angehalten, die ganzen Aktionen der Charaktere als Aktionen Geisteskranker mit Wahnvorstellungen in der heutigen Zeit zu interpretieren (Power Kill). Diese Mechanik kennen die Spieler nicht vor dem Spiel.

Plötzlich ändert sich die Perspektive des Geschichten-Erzählens und -Erlebens. Meinst Du nicht auch?
« Letzte Änderung: 7.10.2014 | 08:52 von 6 »
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
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Nicht Sieg sollte der Zweck der Diskussion sein, sondern
Gewinn.

Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

Offline 1of3

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Der Pinsel-Vergleich ist extrem schwach. Formulierte Regeln sind - wenn man einen Vergleich bemühen will - eher wie Versmaße: Man passt das Spiel in sie ein, nimmt sich gelegentlich ein paar Lizenzen. Werkzeuge wie Pinsel funktionieren zwar unter gewissen Gesichtspunkten ähnlich, sind aber nicht in derselben Weise einsichtig regelhaft und arbiträr.

Ob der Vergleich irgendwie dem Verständnis dient...