Autor Thema: System DOES NOT Matter - Früher konnten wir das noch nicht wissen.  (Gelesen 25078 mal)

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Offline Amromosch

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Systeme mit offensichtlichen und groben Designfehlern (Du nennst Vampire als Beispiel und führst konkret aus) können problemlos zu einem allseits höchst befriedigenden Spielerlebnis führen.

Das finde ich schlecht formuliert. Oder es ist mMn einfach falsch.

Ein System mit "offensichtlichen und groben Desingfehlern" führt nicht zu einem "allseits höchst befriedigenden Spielerlebnis". Man kann ein solches Spielerlebnis aber trotz solcher Systemfehler erreichen.

Ich sehe das wie bei einem Fussballspiel: Man kann trotz einer miserablen Verteidigung zu Null spielen, aber nicht wegen einer miserablen Verteidigung. Daher führt eine miserable Verteidigung auch nicht zu einem zu-Null-Spiel. Genausowenig wie ein schlechtes Spielsystem zu einem tollen Spielerlebnis führt.

Offline Slayn

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Das finde ich schlecht formuliert. Oder es ist mMn einfach falsch.

Ein System mit "offensichtlichen und groben Desingfehlern" führt nicht zu einem "allseits höchst befriedigenden Spielerlebnis". Man kann ein solches Spielerlebnis aber trotz solcher Systemfehler erreichen.

Ich sehe das wie bei einem Fussballspiel: Man kann trotz einer miserablen Verteidigung zu Null spielen, aber nicht wegen einer miserablen Verteidigung. Daher führt eine miserable Verteidigung auch nicht zu einem zu-Null-Spiel. Genausowenig wie ein schlechtes Spielsystem zu einem tollen Spielerlebnis führt.

Naja. Es geht ja die These um dass die Dinge, die am wichtigsten sind, mit den meisten Regeln versehen werden. Wenn man danach geht (bei der WoD): Cool Powerz!

Wenn aber die ganze Sache rund um die "Menschlichkeit" im Mittelpunkt stehen soll, die regeln aber ganz andere Themen betrachten, was bedeutet das? An der Stelle könnte man davon ausgehen das:
- Die Cool Powerz im Mittelpunkt stehen
- Man für das Kernthema gar keine Regeln braucht
- Regeln nur dann massiv auftreten, wenn an einer Stelle Probleme zu erwarten sind.

[Nachtrag] Dazu einen Blick auf D&D: 90% der regeln drehen sich um den Kampf. Entweder handelt dieses Spiel nur vom Kampf _oder_ man erwartet dort den größten Bedarf an Regeln.
Vgl. Dazu: Viele Gruppen spielen laut eigenen Angaben D&D relativ storylastig mit maximal einem Kampf pro Spielabend ...

Kann jemand hierfür Systembeispiele nennen (egal ob alt oder neu)?

Würde mich auch interessieren welche Systeme gemeint sind, wenn man von Fokus und Drift spricht.

Schau dir mal die D&D 4E an. Die ist ein Paradebeispiel dafür wie es aussieht ein Spiel mit Fokus zu designen und dabei noch zu versuchen ein wenig Platz für Drift zu lassen, den an ein paar Stellen sogar zu antizipieren.
Hat zwar nicht wirklich geklappt, aber das ist ein anderes Thema.
« Letzte Änderung: 14.10.2014 | 10:50 von Slayn »
Wenn wir einander in der Dunkelheit festhalten .. dann geht die Dunkelheit dadurch nicht vorbei
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Das finde ich schlecht formuliert. Oder es ist mMn einfach falsch.

Ein System mit "offensichtlichen und groben Desingfehlern" führt nicht zu einem "allseits höchst befriedigenden Spielerlebnis". Man kann ein solches Spielerlebnis aber trotz solcher Systemfehler erreichen.

Ich sehe das wie bei einem Fussballspiel: Man kann trotz einer miserablen Verteidigung zu Null spielen, aber nicht wegen einer miserablen Verteidigung. Daher führt eine miserable Verteidigung auch nicht zu einem zu-Null-Spiel. Genausowenig wie ein schlechtes Spielsystem zu einem tollen Spielerlebnis führt.

Schönes Beispiel. Sieh es vielleicht so: wenn eine Mannschaft weiß, dass die eigenen Defensivspieler gewisse Defizite aufweisen, dann hängt sich das ganze Team stärker rein und verteidigt deshalb viel besser im Verbund.

Eine Mannschaft hingegen, die auf allen Positionen mit Superstars bestückt ist, mag hingegen sehr schnell an Eogismen scheitern.

Achamanian

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Zu den konzilianten Problemlösungen durch unvollkommene Regelwerke:

Nun könnte man ja sagen, dass das noch viel mehr gelten würde bei besser designten Systemen. Dieser Hypothese, nämlich dass besser designte Regeln zu einem besseren Spielerlebnis führen, folge ich jedoch nicht so ohne Weiteres. Denn durch die gruppenintern bekannte und etablierte Tatsache eines (innerhalb sinnvoller Grenzen) unvollkommenen Regelwerks ergeben sich Potentiale für eine konziliantere Problemlösung am Spieltisch. Wenn sich also beispielsweise alle darüber bewusst sind, dass das System bei heftigem Powergaming bricht, muss man da gemeinschaftlich sinnvolle Grenzen einziehen*. Je optimaler ein System nun designt ist, desto schwieriger wird der Problemlösungsprozess, da eine solch konziliante Problemlösung nicht mehr den Normal-, sondern den Spezialfall darstellt.


Du hast schon recht, insofern das für mich tatsächlich nach einem ganz gängigen Spieltisch-Vorgang klingt: Man legt gemeinsam mehr oder weniger explizit die Grenzen des Erlaubten und die erwünschten Inhalte und Themen fest. Und wenn man in der Gruppe eine tolle Kommunikationspraxis hat, dann stört einen dabei auch ein holperiges Regelsystem nicht - und vielleicht ist es gelegentlich sogar anregend dafür, eine gemeinsame Problemlösung zu finden.
Der Clou an typischen Indies ist halt, dass ihnen genau diese Erkenntnis zugrunde liegt, gefolgt von der Idee: So, jetzt versuchen wir mal, das gleich in den Regeln zu kodifizieren. Damit ist natürlich klar, dass man einen Prozess aus dem Spiel herausnimmt, der durchaus schön und anregend sein kann - aber gleichzeitig entwickelt man auch ein System, dass die nervigen Aspekte dieses Prozesses umgeht und auch die Wahrscheinlichkeit eines völligen Scheiterns am gemeinsamen Spaßgewinn (kommt ja auch häufig vor) reduziert. Ich glaube, gerade deshalb sind Indies auch attraktiv für viele ältere Rollenspieler, die einfach nicht mehr so viel Zeit für ihr Hobby haben und nicht über Monate im Trüben fischen wollen, bis sich ein befriedigendes Spiel herausgebildet hat.
Und im Prinzip muss die Gruppe sich natürlich auch und gerade bei Indies in ähnlicher Weise darüber verständigen, was gespielt werden soll und wie, wie das bei klassischen Systemen der Fall ist: Spielen wir jetzt Fiasko? Haben alle Bock auf so ein Katastrophenszenario? Wenn nicht, dann nicht, wenn ja, dann los! Der Prozess wird halt nur vereinfacht.


Ein Beispiel: Für mich schimmert diese Problematik beim ersten Post von Rumpel durch. Ich zitiere mal:

Solche Aussagen lese ich desöfteren und frage mich dann immer, ob das in dieser Form wirklich zutrifft. Denn da werden überspitzt formuliert die eigenen Mitspieler als mehr oder weniger unflexible Volltrottel dargestellt. Haben die, insbesondere wenn man den gerade hier im Thread dargestellten Punkt im Hinterkopf hat, WIRKLICH keinen inhaltlichen Grund für ihre Verweigerungshaltung und sind die tatsächlich nur unfähig, ein nicht-offizielles System zu ertragen? Ich kann mir das ehrlich gesagt nicht vorstellen. Allerdings kenne ich einige Fälle, in denen das so oder ähnlich auch läuft und der SL ähnliche Schlüsse wie Rumpel gezogen hat. Ich bin diesbezüglich jedoch skeptisch und glaube viel eher, dass die Leute als Grund für ihre Ablehnung ein vages Gefühl von dem haben, was ich da oben einigermaßen nachvollziehbar aufzuschreiben versucht habe.


Ich kann natürlich nur davon ausgehen, was meine Mitspieler über ihre Motive sagen, und sie haben halt ganz lange genau das gesagt: Dass sie doch lieber beim offiziellen System bleiben wollen, weil andere Systeme Aventurien halt nicht "richtig" repräsentieren. Und andererseits waren wir uns alle explizit einig, dass wir das offizielle System nicht mögen und so wenig wie möglich verwenden ...
(Wir haben es dann später mit FATE probiert, was aber noch weniger geklappt hat, weil da System und Welt dann tatsächlich für uns nicht zusammengefunden haben. Es war also tatsächlich eine Hassliebe. Auch hier kam es auf das System an, wenn auch eher in negativer Weise als Abgrenzungspunkt.)

Online Arldwulf

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Schau dir mal die D&D 4E an. Die ist ein Paradebeispiel dafür wie es aussieht ein Spiel mit Fokus zu designen und dabei noch zu versuchen ein wenig Platz für Drift zu lassen, den an ein paar Stellen sogar zu antizipieren.
Hat zwar nicht wirklich geklappt, aber das ist ein anderes Thema.

Das Problem dabei ist: Der Fokus ist bei der 4E halt viel größer als in Vorgänger und Nachfolgereditionen - inklusive viel mehr Möglichkeiten es zu spielen. (Wenig Kämpfe? Kein Problem, hier hab ich Regeln dafür. Keine magischen Gegenstände? Kein Problem, hier hab ich Regeln dafür. Viel Improvisation? Kein Problem, hier hab ich Regeln dafür. Lieber ganz viel Taktik? Klar doch! Ach ne, lieber ganz viel Story? Na aber sicher doch, schau mal hier, da hab ich doch glatt ein paar Storymechaniken. Magst du Fallen und Rätsel? Haben wir überarbeitet. Oder doch lieber Detektivabenteuer mit viel sozialer Interaktion? Hey, da muss sich so ein Kämpfer nicht langweilen - der kann dort mitmachen und sich einbringen und wir schreiben dir wie.)

Ob die Regeln nun jedem gefallen oder nicht, oder jeder sie überhaupt gelesen hat sei mal dahingestellt... doch der Punkt ist halt: Sie sind da, stehen im Buch und sind gute Beispiele dafür wie ein System versuchen kann den Fokus möglichst weit zu stellen.

Ohne Erfolg fraglos.

Würdest du so etwas dann noch unter "Fokus" auf etwas fassen? Schon als "Drift"? Und was wäre dann umgedreht ein Spiel ohne Fokus? Hier handelt es sich für mich schlichtweg um ganz banalen Fantasymainstream mit natürlich D&D typischer Kampflastigkeit. Aber selbst das für D&D Verhältnisse ja nur auf der unteren Kante des Bereichs der dafür normal ist.

Weiter oben wird Erfolg und Misserfolg ja am Fokus auf eine Spielweise festgemacht - und ich denke D&D 4 ist eher ein Beispiel dafür, dass Erfolg oder Misserfolg nicht besonders viel damit zu tun haben.
« Letzte Änderung: 14.10.2014 | 11:05 von Arldwulf »

Offline Amromosch

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Schönes Beispiel. Sieh es vielleicht so: wenn eine Mannschaft weiß, dass die eigenen Defensivspieler gewisse Defizite aufweisen, dann hängt sich das ganze Team stärker rein und verteidigt deshalb viel besser im Verbund.

Eine Mannschaft hingegen, die auf allen Positionen mit Superstars bestückt ist, mag hingegen sehr schnell an Eogismen scheitern.

Das hat was. Allerdings muss sich eine Rollenspielgruppe in diesem Fall dem Problem innerhalb des Systems schon bewusst sein.

@ Slayn: Deine D&D-Aussage verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht. Wenn es dort bspw. keine Regeln zur sozialen Interaktion gibt, können diese auch nicht schlecht und behindernd sein. Damit stehen sie einem guten Spielerlebnis logischerweise auch nicht im Weg.

Achamanian

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Kann jemand hierfür Systembeispiele nennen (egal ob alt oder neu)?


Systeme, die typische Indie-Elemente aufnehmen:

13th Age (mit dem "One Unique Thing" und den Icon Relationships wird das bewusste Setzen von Kampagnen-Themen durch Spieler in den Regeln verankert)
Numenera (Starke Reduzierung der Spielwerte, SL würfelt nicht - d.h. Handlungen werden nicht mehr 1:1 durch Würfelei abzubilden versucht, sondern abstrakter zusammengefasst; außerdem die GM-Intrusions)
Gumshoe-Systeme von Pelgrane Press (basieren auf im Kern recht forgigen Überlegungen dazu, was das System leisten sollen, sind aber als Regelsystem dann doch wieder eher klassisch)
The One Ring (Sehr gelungener Hybrid, da gibt es einerseits Wundregeln, die aber andererseits ganz bewusst so designt sind, dass die Spieler nicht durch Abzüge genervt werden und Regeln für "Menschlichkeit" - hier als "Hoffnung" - die zentral für das System sind und das Spielthema  - Wir sind die Guten, auch wenn's mal schwerfällt - stärken.)

Ich würde mal ganz steil behaupten, dass all diese Systeme ohne die Forge entweder nicht entstanden wären oder zumindest sehr anders aussähen.

Offline bobibob bobsen

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Zitat
Nun könnte man ja sagen, dass das noch viel mehr gelten würde bei besser designten Systemen. Dieser Hypothese, nämlich dass besser designte Regeln zu einem besseren Spielerlebnis führen, folge ich jedoch nicht so ohne Weiteres. Denn durch die gruppenintern bekannte und etablierte Tatsache eines (innerhalb sinnvoller Grenzen) unvollkommenen Regelwerks ergeben sich Potentiale für eine konziliantere Problemlösung am Spieltisch.

Vergleichst du da nicht Äpfel mit Birnen. Das unveränderte für die eigene Gruppe unvollkommene Regelwerk mit dem speziell für die jeweilige Gruppe angepassten Regelwerk. Da kann es doch nicht verwundern das das zweitgenannte besser funktioniert. Wenn ich also bei D&D 3.X die Kampfregeln grundlegend ändere dann betrachte ich 100% zu 10%.
Sollte ich dann ein besseres Spielergebnis erziehlen mach ich das mit einem Spiel wo zwar D6D drauf steht aber nicht D&D drin ist.


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Das hat was. Allerdings muss sich eine Rollenspielgruppe in diesem Fall dem Problem innerhalb des Systems schon bewusst sein.

Absolut! Ich würde deswegen auch unbedingt die DSA-Gruppen, die nix anderes kennen und wollen, von denen trennen, die sich nolens volens auf das Originalsystem geeinigt haben.

@ Rumpel: Jau, das verstehe ich beides sehr gut.

1. Logo. Gut designte Indies sind toll. Aber sie schaffen die lästigen Diskussionen ab, indem sie auf anderen Feldern Freiräume entfernen. Das geschieht üblicher Weise über eine thematische Fixierung (Polaris, Dogs, Fiasko), bisweilen auch über eine Reduktion von Komplexität durch Abstraktion (The Pool, FATE, pdq). Mein Problem damit ist erstens, dass ich mich gerne durch das Spiel überraschen lasse. Wenn ich aber Fiasko spiele, dann ist das nur in eingeschränkter Form möglich. Es wird auf alle Fälle etwas schiefgehen, die Frage ist nur: wie wird das passieren? Zweitens fehlt mir bei der Abstraktion entweder der Crunch (z.B. pdq) oder ich werde damit nicht so richtig warm (z.B. Dresden Files). Deshalb bin ich, ganz persönlich, davon mittlerweile komplett weg.

2. Das ist dann der "Fit" zwischen System und Setting. Der fühlt sich natürlich insbesondere dann anders an, wenn man viel Settingerfahrung mit (Kack-)System 1 hat und dann mit dem (designtechnisch) überlegenen System 2 dauernd aus der Suspension of Diesbelief herausgerissen wird,  weil das Setting sich plötzlich so anders anfühlt. Das ist zwar nicht das Thema dieses Threads, aber fraglos ein enorm wirkmächtiges Argument, das viel Massenträgheit bei der Systemwahl erklärt.

@ bobibob bobsen: Nene, ich vergleiche schon das verhausregelte System 1 mit dem verhausregelten System 2. Und selbst wenn das verhausregelte System 1 nach vielen Designkriterien sogar als einigermaßen objektiv schlechter gelten kann, so lassen sich damit durchaus im Spielerlebnis höchste Genüsse erzielen. Und das muss gar nicht mal damit zu tun haben, dass das verhausregelte System 2 nicht so gut zum Setting passt wie das verhausregelte System 1 (siehe FATE und DSA im Beispiel von Rumpel). Insofern finde ich nicht, dass da Äpfel mit Birnen verglichen werden.

So, bin nun wieder weg. Schaffe es vermutlich vor morgen Mittag nicht mehr reinzuschauen. Schönen Tag noch!

Offline Crimson King

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Ich halte da nicht so viel von Fußballallegorien. Ich würde allerdings in dem Punkt zustimmen, dass schlechte Systeme nicht wegen, sondern trotz ihrer miesen Qualität zu einem guten Ergebnis führen und vor allem in viel größerem Maß als gut designte (wobei gut nicht mit fokussiert oder kohärent im Sinne der Forge gleichzusetzen ist) zu schlechten Spielergebnissen. Ausnahmen bestätigen da eher die Regel.

Ich sehe auch die Argumentation, dass der Erfolg der anerkannt schlechten Systeme DSA und Vampire den Spieldesignern von damals Recht gibt, als nicht haltbar an. DSA ist vor allem deshalb stark, weil es in den 80ern sehr offensiv vermarktet wurde (es war eines von zwei Rollenspielen, die man relativ problemlos im normalen Spielefachhandel bekam), Vampire bediente die richtige Klientel zur richtigen Zeit und war eines der ersten Spiele, die versucht haben, das Innenleben des Charakters irgendwie wertetechnisch abzubilden. In beiden Fällen lieferte die Konkurrenz in den relevanten Zeiträumen mehrheitlich nichts, was besser funktioniert hätte. Aber selbst wenn, dass sich im Kapitalismus Produktqualitaet immer durchsetzt, glaubt vermutlich eh keiner.

Die Systeme bog man sich halt, wie man sie gebraucht hat. Dass man dann Jahre später lieber die eingeschliffenen Routinen verwendet, als sich in ein neues System einzuarbeiten, ist da meines Erachtens hochgradig nachvollziehbar, heisst aber noch lange nicht, dass man das auch täte, müsste man auch beim altbekannten System bei 0 anfangen.

Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass ich deutlich mehr Spaß habe, seit ich Systeme verwende, die mit vernünftig abgestimmten Regeln daher kommen. Ob das nun Korrelation oder Kausalität ist oder ob ich nur ein Sonderfall bin, kann ich letzten Endes nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich halte die Argumente pro allgemeiner Kausalität aber für im höchsten Maße schlüssig.
« Letzte Änderung: 14.10.2014 | 11:27 von Crimson King »
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J.W. von Goethe

Offline 1of3

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Was vielleicht noch interessant ist: SYSTEM DOES MATTER erlaubt eine andere Attribution bei Scheitern. Wenn eine Vampire-Runde nicht funktioniert, kann ich das auf die Gruppe oder auf das Spiel abwälzen.

Um dem Spiel die Schuld zu geben, muss ich an seine Wirkung glauben.

Das hat dann ggf. unterschiedliche Lösungsansätze zur Folge.

Offline Beral

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damit steigt die Verbindlichkeit der Regeln und das ist in mehrfacher Hinsicht nicht unbedingt eine gute, allseits willkommene Sache. Insofern, und man verzeihe den etwas provokanten und natürlich nicht komplett korrekten Threadtitel, gilt da wohl tendentiell SYSTEM DOES NOT MATTER.
Dein Verständnis von "System" ist nicht haltbar. Die Verbindlichkeit der Regeln kannst du auf einer Skala einordnen. Das "System" X hat dann eine Regelverbindlichkeit y. Du behauptest, dass Systeme mit niedriger Verbindlichkeit besser sind und deswegen gilt "System does not matter". Merkst du den Widerspruch?

Das was du meinst, musst du besser/anders kommunizieren.

Zweiter Punkt: Du suchst den Grund für den Erfolg der Klassiker in den Regeln und übergehst den bereits getätigten Einwurf, dass alle (?) Klassiker sich wie zufällig durch ein außergewöhnliches Setting von den Indies abheben. DSA ist das Paradebeispiel schlechthin. Du versuchst auf Biegen und Brechen zu belegen, dass die miesen Regeln für den Erfolg von DSA verantwortlich sind, weil es den Spielern so viel Spaß macht, diese Regeln zu ignorieren und zu verhausregeln. Viel naheliegender ist aber die Annahme, dass das geile Setting primär für den Erfolg von DSA verantwortlich ist. Selbst dem Artwork würde ich viel mehr Anteil am Erfolg zuschreiben als den Regeln.

Überleg noch mal, ob du wirklich auf der richtigen Fährte bist. Von außen betrachtet sieht es nicht so aus. Du ignorierst offensichtlich wichtige Aspekte und versuchst in diejenigen Aspekte, in die du dich reingebissen hast, zu viel Erklärungspotential für den Erfolg der Klassiker reinzupressen. Für mich sieht es so aus, dass Ursache und Randerscheinung verwechselt werden.

Rein theoretisch sehe ich durchaus Potential im Aspekt "Selbstbestimmung". Von den Spielern selbst erfundene Regeln können natürlich eine andere Bedeutung haben als Regeln aus fremder Feder. Damit kann erhöhtes Motivationspotential bewirkt werden, sich mit einem Regelsystem langfristig auseinanderzusetzen. Eine Randbedeutung würde ich ohne weiteres einräumen. Um dem mehr zuzugestehen, muss das aber viel besser fundiert werden. Es muss glaubwürdig argumentiert werden, warum der Effekt auf diesen Aspekt zurückzuführen ist und nicht auf die viel näherliegenden anderen Dinge (Setting).

Der Kampagnenerfolg von Klassikern erklärt sich beispielsweise sehr banal dadurch, dass sie Kampagnenspiel zum Ziel haben und entsprechende Regeln liefern (plus weiteres Material, das regelmäßig nachgeschoben wird: Bücher, Abenteuer, Anpassungen der Spielwelt), während viele Indies genau das nicht zum Ziel haben. Unter diesen Voraussetzungen das Kampagnenspiel als Erfolgskriterium herzunehmen ist sehr fragwürdig. Das ist so, als ob man PKW und LKW vergleicht, feststellt dass mit den LKWs viel mehr Güter transportiert werden und daraus den Schluss zieht, dass LKWs besser und erfolgreicher sind. So einfach darfst du es dir nicht machen. Für die weitaus meisten Indies ist Kampagnenspiel einfach gar kein Qualitätskriterium. Man kann sie einfach nicht danach bewerten.

Daraus leitet sich direkt ab, warum (nicht auf Kampagnen ausgerichtete) Indies schwer zum Hauptspiel werden können. Man kann ja durchaus argumentieren, dass Indies auch ohne Kampagnenschwerpunkt die Klassiker verdrängen könnten/sollten, um ihren Erfolg unter Beweis zu stellen. Aber so schlank die Indies auch sind, jedes von ihnen erfordert dennoch eine intensive Einarbeitung. Das ist eine Hürde, die bei jedem neuen Indie-System aufs Neue überwunden werden muss. Die Hürde der Einarbeitung kann für die meisten Gruppen als ein sehr sehr großes Problem angenommen werden. Mit diesem Hürdenlauf erreicht eine Gruppe keinen stabilen Zustand. Wenn die Gruppe bestehen bleiben soll, darf sie sich solche Hürden nicht leisten, muss also mit einem System auskommen, das allen vertraut ist und das für langfristiges Spiel geeignet ist. Schon wieder gewinnen die Klassiker, aber nicht etwa wegen ihrer Qualität, sondern aus rein organisatorischen Gründen auf Spielerebene. Die Wiederverwendung der Klassiker erklärt sich leicht dadurch, dass Klassiker auf Wiederverwendung ausgelegt sind, viele Indies aber nicht.

Zum Vergleich muss man solche Kriterien hernehmen, die für beide Untersuchungsgegenstände relevant sind.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.

Offline Crimson King

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J.W. von Goethe

Offline Arkam

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Hallo zusammen,

"System matter" ist für mich auf einer Achterbahn an die dann noch verschiedene Ansprüche gestellt werden. Denn wenn ich mich nicht komplett irre macht die Forge Theorie nur eine Aussage darüber wie gespielt wird und nicht was konkret gespielt wird.
Ein Focus im Forge Sinne muss also nicht unbedingt ein Thema oder vorgegebene Lösungsmöglichkeiten betreffen sondern wie das Thema oder die Lösung konkret verregelt werden.
Das ist natürlich besonders dann einfacher umzusetzen wenn man sich bei Thema und oder möglichen Lösungen beschränkt.
Diese Einschränkungen und die Verregelung führen jetzt auf Spieler Seite aber zu zwei Dingen.
Das Spiel wird als "anstrengender" empfunden weil man eben meistens nicht nur für den entscheidenden Wurf oder einen Kampf aufgeweckt wird sondern immer am Spiel Prozess beteiligt ist.
Das Spiel wird als beengend oder gar nicht als Rollenspiel empfunden weil vertraute Elemente wegfallen können, etwa der Spielleiter, Ausrüstung oder kleinschrittige Problemlösungen.
Aus dieser Sicht kann ich Wellentänzers Überlegungen durchaus nachvollziehen.

Aber "Systems matter" wird ja noch aus einer anderen Richtung in die Diskussion hinein getragen. Aus meiner Sicht hat sich diese Diskussion tatsächlich sehr an "Vampire the Masquerade" also der "World of Darkness" und dem Storytelling entzündet. Denn diese Spiele geben eben ein Thema vor ohne es unbedingt durch Regeln zu unterstützen, siehe auch die Überlegungen zu nötigen Bestandteilen und zur Menschlichkeit unter http://www.tanelorn.net/index.php/topic,23376.0.html und http://www.tanelorn.net/index.php/topic,25217.0.html .
Hier sahen sich die Regel und meistens auch Taktisch orientierten Spieler nicht ernst genommen bzw gegängelt wenn der Spielleiter und das System in ihre Art zu spielen hineinredeten.
Heraus kam eine Gegenbewegung, ARS, für die eben klar gegebene Regeln und eine Zentrierung auf die Themen die die Spieler interessierten aus meiner Sicht die wesentlichen Punkte waren.

Beide Richtungen finden sich inzwischen auch im Mainstream wieder. Das zeigt sich indem das Thema oder wenigstens nur Teile des Themas in den Mittelpunkt gerückt werden. Bei "Der Ring" etwa die Gruppe und ihre Reise statt auch Schlachten in Mittelerde oder politisches Geplänkel in Mittelrede. Zudem versucht man für diesen Focus auch spezifische diesen Focus auch mit Regeln bespielbaren Bestandteil des Spiels zu präsentieren.

Für den Erfolg von "schlechten Systemen" ist häufig der Hintergrund ein wichtiger Faktor. Hintergründe wie Aventurien oder auch die Welt von 7th Sea, um Mal zwei Beispiele zu nehmen die in unserer Gruppe für Kopfschütteln sorgten, sind sehr schlecht auf andere Systeme umzusetzen. Denn hier wird der Fluff gleichzeitig mit Regeln unterstützt. Man kann also nicht einfach die störenden Regel heraus nehmen weil eben auch ein Teil des Hintergrunds heraus genommen wird.

Gruß Jochen
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Offline Fredi der Elch

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Hier spricht aus meiner Sicht aber die Rollenspielpraxis eine ganz andere Sprache. Natürlich wäre es potentiell möglich, dass sich alle Spieler der Probleme des Systems bewusst sind und gemeinsam eine supergute Alternativlösung erfinden. In der Praxis ist aber doch wohl eher das Gegenteil der Fall. Alle Foren (und auch meine persönliche Erfahrung) sind doch voll von Storys über Powergamer, Rules-Lawyer, endlose Regeldiskussionen, unglückliche SL-Entscheide und vielem mehr. Die "klassischen" Regelsysteme scheinen eher eine Tendenz zu besitzen, auf der Regelebene nicht sehr konzilliantes sondern eher konfrontatives Verhalten zu fördern.

Wenn wir hier im Thread also schon mal davon Ausgehen, dass die Empirie gezeigt hat, dass sich Indies nicht haben durchsetzen können, so müssen wir, denke ich, auch eingestehen, dass 50 Jahre Rollenspielgeschichte gezeigt haben, dass Spieler auf Unklarheiten der bzw. Freiräume in den Regeln nicht mit Konzillianz, sondern mit Rechthaberei reagieren.
Where is the fun at? - The rules should tell me clearly - And how to get there
- Don't try to make me feel like I live there, make me care about it. -

Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

fudi

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Fragst du nach experimenellen, stark fokussierten Spielen oder nach solchen, die die Erkenntnisse aus den Experimenten mit dem klassischen Spiel zu verbinden versuchen?

Spielt keine Rolle. Alles was kommerziell erhältlich ist.

Offline Tele-Chinese

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Im fAden wurde ja bereits einige Spiele genannt. Schau dazu ochmal die diversen Posts vom Wellentänzer, aber auch Rumpel und Fredi durch. Da steht eingies dabei. Sei es nun Fate, Dogs in the Vineyards, Polaris, Primetime Adventures, Fiasko oder auch kommerziellere Dinge (also erfolgreichere Spiele) wie Numenera, The One Ring, 13th Age.
Toastbrot (von englisch toast, „rösten“ aus lateinisch tostus, „getrocknet“) oder Röstbrot ist ein spezielles, feinporiges Kastenweißbrot mit dünner Kruste, das vor dem Verzehr scheibenweise geröstet wird, heute üblicherweise mit einem Toaster.

Brot kann schimmeln, was kannst du?

alexandro

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Es gibt mit Sicherheit theoretische Elemente und Definitionen der Forge-Theorien die es bis in den Mainstream geschafft haben (Situation ist da so einer meiner Favoriten), aber darüber hinaus?

Allein in einem Cortex+ Spiel (Smallville, in diesem Fall) finden sich:
Scene Framing
Stakes
Fortune in the Middle
Actor/Author Stance
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Nicht immer explizit mit diesen Namen, aber die Einflüsse sind deutlich erkennbar.

Offline Crimson King

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Einige dieser Begriffe sind allerdings etwas älter als die Forge-Theorie. :)

Trotzdem kann ich die extreme Ablehnung, die dem Big Model und anderen Aspekten der Forge-Theorie von einigen entgegen gebracht wird nicht, so recht teilen. Speziell sich darüber aufzuregen, dass man, um mit der Theorie zu hantieren, erst mal Vokabeln lernen muss, finde ich verquer. Die Forge-Theorie ist von Wissenschaftlichkeit sicherlich ein Stück weit entfernt. Gerade an der Stelle der Begriffsbildung haben sie aber was richtig gemacht. Ohne die geht es nun mal nicht. Dass die Begriffe nicht immer intuitiv sind - geschenkt. Das sind die in der richtig wissenschaftlichen Arbeit auch nicht.

Meines Erachtens ist GNS mit seinem extrem fokussierten NAR und auf der anderen Seite SIM als Müllhalde der kreativen Agendas Mumpitz (da scheint ja weitgehend Einigkeit zu herrschen). Die Kernaussage des Big Model, nämlich, dass Gruppen, die kohärent eine kreative Agenda verfolgen, mit weitaus geringerer Wahrscheinlichkeit dysfunktionale Spielrunden erleben werden, ist davon aber unberührt, und da kann ich auch nicht ansatzweise erkennen, dass da irgend was widerlegt wäre.
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Offline Haukrinn

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Allein in einem Cortex+ Spiel (Smallville, in diesem Fall) finden sich:
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Nicht immer explizit mit diesen Namen, aber die Einflüsse sind deutlich erkennbar.

Das sind alles Sachen die schon vor der Ausformulierung des Big Model Anwendung gefunden haben. Und das sind alles Techniken die jeder halbwegs gute Spieldesigner spätestens dann zum Einsatz bringen kann wenn er die entsprechenden Spiele in denen das Zeug erstmalig aufgetaucht ist studiert hat. Insbesondere sei angemerkt dass z.B. in Cortex+ keine dieser Techniken explizit so genannt wird.
What were you doing at a volcano? - Action geology!

Most people work long, hard hours at jobs they hate that enable them to buy things they don't need to impress people they don't like.

Offline Tele-Chinese

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In Bezug auf die Forge darf man auch nicht vergessen, dass es da kein einheitliches Theorie-Vokabular oder gar eine einheitliche Idee dahintersteckte. Der Diskurscharakter wird tendenziell immer vergessen oder es wird darüber hinweg gegangen und so getan als wäre die Forge eine Einheit und die Theorie stünde fest (oder auf einem festen Sockel). Das ist nicht der Fall, und wie in jedem Zweig, in dem Menschen versuchen, auf abstrakter Ebene über zu beschreibende Phänomene miteinander zu diskutieren, entwickelt sich erst ein Modell auf das sich der "Mainstream" einigen kann. Das nennt man dann Paradigma. Aber das lustige ist doch, dass die meisten "Forge-Hasser" immer von einem geschlossen Theoriegebilde ausgehen, zwei Sachen von Ron Edwards gelesen haben, die Begriffe GNS heranziehen und ihren Dampf dazu ablassen. Der Rest wird dann einfach unter den Tisch gekehrt, die Wissenschafltichkeit abgesprochen, oder man ignoriert sie schlicht und ergreifend.

Aber eigentlich ist das doch der wichtigste Punkt in der ganzen Sache. Das Mensch mitdenkt: es handelt sich um einen Diskurs. Dieser ist nicht fertig, abgeschlossen oder steht in irgendeiner Art fest. Sondern der lebt davon, dass man sich miteinander darüber austauscht. Neue Begriffe findet, alte verwirft. Neue Modelle aufwirft, andere Probleme und Phänomene in den Fokus rückt. Man muss sich mal davon lösen, dass es eine Erklärung für alle Rollenspielspezifischen Probleme gibt. Die gibt es einfach nicht.

Vielleicht könnten wir das auch in der Theorie und hier im Faden ein wenig mehr berücksichtigen, wenn wir Behauptungen aufstellen, Argumente versuchen zu unterfüttern usw.

So, das war zwar nur ne Nebensächlichkeit, aber jetzt kann es gerne inhaltlich weitergehen. Danke...
Toastbrot (von englisch toast, „rösten“ aus lateinisch tostus, „getrocknet“) oder Röstbrot ist ein spezielles, feinporiges Kastenweißbrot mit dünner Kruste, das vor dem Verzehr scheibenweise geröstet wird, heute üblicherweise mit einem Toaster.

Brot kann schimmeln, was kannst du?

Eulenspiegel

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SYSTEM MATTERS!
Heute wissen wir, dass das nicht der Fall ist.
[...]
Jedoch: Ich kenne keine einzige, lange Kampagne mit einem der Forgespiele. Warum das so ist? Durch die Fokussierung geht vermutlich ein massiver Motivationsverlust für das Langzeitspiel einher.
Was denn nun?

Entweder du sagst, dass Forgespiele für Kampagnen ungeeignet sind. Das bedeutet aber "System matters": Es gibt Systeme, die sich für Kampagnen eignen, und Systeme, die sich nicht dafür eignen.

Oder aber du sagst, dass das System unwichtig ist. Dann könnte man mit Forge-Systemen genau so gut Kampagnen spielen wie mit anderen Systemen.

Zitat
GNS und damit der Kern des Modells der Forge ist gescheitert.
GNS ist gescheitert. Aber GNS ist nicht der Kern der Forge.

Zitat
Aber für meine Bedürfnisse sind Indies mittel- und langfristig keine gute Lösung (mit Ausnahme von D&D4 vielleicht, das immerhin ein paar Jahre motivieren konnte). Wenn ich eine begrenzte Zahl an Rollenspiel mit auf eine einsame Insel nehmen dürfte, wäre ein Indie erst auf einem der hinteren Plätze dabei (vermutlich Fiasko).
Hmmm...
Das klingt für mich extrem nach "System DOES matter".

Offline Kriegsklinge

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Zitat
Diese drei Punkte bieten sicher einiges an Potential. Hoffe ich zumindest

An diesem Punkt von Fredi möchte ich mal einhaken und ein bisschen Verbindung zum Nachbarthread mit den "schlecht designten Spielen" herstellen.

Meine gar nicht so steile These hierzu lautet: Regeln in „schlecht designten“ Spielen sollen eben gar nicht als Spielregeln im strengen Sinn funktionieren.  Das war tatsächlich ein großes Missverständnis von Seiten der Forge; man hat nämlich dort darauf geschaut, was diese Regelwerke alles nicht machen und anklagend drauf gezeigt. Die Kritik lässt sich tatsächlich ohne viel Überspitzung so zusammenfassen: Das sind ja gar keine Spielregeln!

Was man mit einigem zeitlichen Abstand und viel Theoriegebrabbel später tatsächlich jetzt eher sehen kann ist, dass sie das eben auch nicht sein müssen – und dass der Verzicht auf Spielregelcharakter für manche Benutzer ein Feature und kein Bug ist. Was die Regeln „schlecht designter Spiele“ im Gegensatz zu Spielregeln, wie sie etwa die Forge versucht hat einzuführen, liefern, sind Anlässe, sich sozial mit den imaginären Inhalten zu beschäftigen, und zwar in einem wilden Gemisch von Gruppeninteraktionsformen (uff!), die gar nicht immer spielförmig (ächz!) sein müssen.

Dazu gehören Barbiespiel (als Urheber dieses mittlerweile anscheinend eingebürgerten Begriffs möchte ich noch mal darauf hinweisen, dass ich den nie abwertend verstanden habe und selbst ein eifriger Betreiber von Barbiespiel bin, aktuell bei Diablo 3, wo ich immer ganz verliebt meinen Barbaren angucke, was für schöne Rüstungsteile der jetzt wieder anhat  ), aber eigentlich alles, was die Forge geschmäht hat. Der SL zuhören und nur lose aus Charaktersicht kommentieren, ganze Sessions lang zusammenhocken und über Charaktervorgeschichte sprechen, Fraktionen und Interessengemeinschaften in der Spielwelt bekakeln, eigentlich gemütlich beisammenhocken und im lockeren Gespräch Material aus und für die Spiewelt anhäufen. Bis hin zu der DSA-Nischenkultur, wo man fast gar nicht mehr spielt, sondern nur noch die Bücher sammelt.

 Eben: Sich auf Spielwiesen tummeln, die ein Umwälzen des imaginären Materials ermöglichen. Dazu haben „schlecht designte“ Spiele und ihre Spieler eine ganze Reihe von Techniken entwickelt, die wahrscheinlich bisher nur unzreichend beschrieben sind, weil man sie ständig als Spiel missverstanden hat. Tatsächlich ist der Begriff Rollen“spiel“ aber wahrscheinlich selbst irreführend, und richtiger wäre eigentlich „gemeinsame sozial vermittelte kreative Auseinandersetzung mit einem Kanon des Imaginären“. Sagt natürlich aber keiner, weils bescheuert klingt. Die große Wut, die die Forge auf sich gezogen hat, rührt eben daher, dass sie aus Rollenspielen tatsächlich Spiele machen wollte, und diese gewachsene Form der kreativen Auseinandersetzung damit implizit angegriffen hat. OSRler sind zu Frühformen des Rollen“spiels“ zurückgegangen, in der auf andere Weise der Spielcharakter dieser kreativen Auseinandersetzungskultur noch im Mittelpunkt stand, und haben den weiter entwickelt.

Das „Mainstreamrollenspiel“ hat tatsächlich eher Elemente von Spielhandeln, wie man es von Kleinkindern kennt (und jetzt bitte nicht schon wieder alle schreien, dass Kriegsklinge Rollenspieler mit dummen Kindern vergleicht, ich meine das höchst wertschätzend), nur dass die Bausteine und Raumelemente eben ins Imaginäre verlagert sind. Führt jetzt aber vielleicht zu weit. Was ich aber wirklich meine ist, dass „schlecht designte“ Regeln und „Mainstreamrollenspiel“ in Begriffen von Spiel und spielen nicht gut zu verstehen sind, so lange wir dabei an Brettspiele oder so was denken. Der Vergleich mit Puppen- und Bauklotzspielen erscheint mir hilfreicher.

OSR und Forge haben aus dieser Form der gemeinsamen, sozial vermittelten  Interaktion mit dem Imaginären Spiele gemacht (oder man kann auch sagen; sie farauf verengt), das geht aber für viele, wenn nicht die meisten Menschen, am Kern der Sache vorbei. Viele Rollenspieler haben ja auch genau so reagiert wie eine Gruppe Dreijähriger, zu denen der Erzieher kommt und sagt: Ihr rennt ja immer nur quer durch die Turnhalle, wir müssen jetzt mal richtig "Feuer, Wasser, Sturm" spielen. Und wie dort hatten auch im Knall zwischen Forge und Restrollenspielern beide irgendwie recht, nur dass sie völlig aneinander vorbei geredet haben. Spontane Kreativität und unausgesprochene Regelverhandlungen wie im -- ich sag´s jetzt mal analog zum bösen Wort "Barbiespiel" -- "Kinderspiel" Rollenspiel haben halt sowohl unglaublich coole als auch unsagbar nervige Facetten.

Solche Menschen, für die die Forge-Sache eben am Kern ihrer Sache vorbei geht, wollen keine Spielregeln. Sie wollen Regeln, die ihnen Anlässe zur Beschäftigung mit dem Imaginären geben, und das sind keine Spielregeln, sondern „Regeln“, die aus Sicht von Spieldesign geradezu absurd wirken können, aber unter dem Gesichtspunkt der Berührungsorganisation mit dem imaginären Material sehr viel Sinn ergeben . Beispiel Charaktererschaffungsregeln DSA4 mit den vielen scheinbar sinnlosen Optionen und komplizierten Kaufvorgängen, die als Spielregeln kaum Sinn ergeben, aber fortgesetzten Kontakt mit dem Material herstellen und Gruppenaustausch anregen. Wahrscheinlich kommt man auf ähnliche Funktionen bei anderen Regeln solcher Systeme, die als Spielregeln kaum Sinn ergeben.

Edit: Moment, das hatten wir doch auch alles 2006 schon mal mit der Unterscheidung zwischen "Spiel" und "Spielzeug", oder? Mensch, wenn man mit Leuten diskutiert, die damals noch ausgewürfelt haben, ob sie in die Windel gekackt haben oder nicht, sabbert man immer das gleich vor sich hin, wie so ein alter Greis  ;D.
« Letzte Änderung: 15.10.2014 | 09:12 von Kriegsklinge »

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Oder kurz: (EDIT:) traditionelle Rollenspielregelwerke sind Spielzeuge oder Gameengines (um vom Computerbereich zu kommen) und keine Spiele.
« Letzte Änderung: 15.10.2014 | 09:40 von 6 »
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
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Nicht Sieg sollte der Zweck der Diskussion sein, sondern
Gewinn.

Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

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Alter Falter, der Kriegsklinge verfügt über eine solch beeindruckende analytische Durchdringung, argumentative Klarheit und sprachliche Lässigkeit: es ist wirklich toll, davon in einer Diskussion profitieren zu dürfen. Zwar fühle ich mich angesichts dessen immer etwas unscheinbar und klein, aber damit kann ich gut leben.

Kurzum: Du hast das Thema, um das es mir ging, perfekt erfasst und dargestellt. Chapeau! Damit erklärt sich übrigens für mich auch gleich der Vorgängerthread mit, in dem es um den Anspruch von Rollenspielen ging.

Die einzige Frage, die damit für mich dabei noch offen ist, lautet: welche Merkmale hat denn nun ein Rollenspiel, welches das Umwälzen des imaginären Materials in optimaler Form ermöglicht? Es scheint da ja durchaus Überschneidungen mit "gut designten" Rollenspielen, parallel aber noch diverse weitere Anforderungen zu geben. Ein paar Ideen habe ich dazu, aber das wäre dann ein neuer Thread. Dieser hier wurde von Kriegsklinge zu meiner absoluten Zufriedenheit beantwortet und deshalb schließe ich das Thema, damit man die Antwort auf die Ausgangsfrage nicht untergeht. Falls jemand noch was Wichtiges beizutragen hat: gerne PM an mich oder aber einfach in den Thread posten, in dem über die Frage diskutiert wird, weshalb Leute "schlechte" Spiele spielen. Danke fürs Mitmachen!