Nochmal kurz zu zwei Themen:
1) Verkauf und Verbreitung von FATE
Danke für den hinweis mit dem Evil Hat Blog. Freut mich, zu hören, dass FATE sich gut verkauft und mit seinen Ansätzen im Mainstream angekommen ist und auch in Deutschland ein Achtungserfolg möglich ist. Mir ging es generell eher darum, zu erklären, auf welche Schwierigkeiten FATE (oder ähnlich gelagerte Systeme) in der mit Deutschland üblichen Vorstellung von Erzählrollenspiel stoßen.
2) Taktiker
Verwendung in meinem Post: Ich vermute, dass ein (bestimmter Typ des) auf taktische Lösungen ausgerichteten Spielers deswegen eher mit dem Einbauen von Aspekten in einzelne Szenen, speziell Konfliktszenen (Kampfszenen) zurecht kommt als einige andere Spielertypen, weil diese Art von Spieler schon gewohnt ist, im normalen Rollenspiel nach taktisch vorteilhaften Optionen in der Spielwelt zu suchen.
Dass FATE (Core) mit seiner einheitlichen Handhabung dieser Optionen (immer Aspekt, immer neu würfeln oder +2, nach dem ersten Nutzen kostet es Fatepoints) für den Taktiker nicht befriedigend ist, sehe ich durchaus ein. Cortex+ gefällt mir unter dem Blickwinkel besser, weil geschaffene Vorteile einen Nutzen zwischen d4 und d12 haben können und damit mehr Anpassung möglich ist, aber das nur am Rande.
Meiner Meinung nach kann man mindestens drei Arten von taktischem Verhalten unterscheiden, mehr sind sicher noch drin, wenn man genauer schaut. Einmal der taktische Umgang mit Spielregeln. Das sind die Spieler, die schauen, welche Boni zueinander stacken, welche Powers Synergien produzieren und welche Kombos gute Effekte erzielen. Taktiker mit solchen Vorlieben haben oft auch eine Optimiererseite - und für solche Taktiker ist FATE bestenfalls in stark verregelten Varianten wie Legends of Anglerre oder Dresden Files brauchbar.
Eine andere Variante sind die Taktiker, die auf die beschriebene Spielwelt achten und sie zum Nutzen ihrer Aktionen einbauen. Das führt manchmal zu Stress am Spieltisch, wenn der Storyteller-SL einen Umstand zu Atmosphärezwecken einbringt ("dichter Morgennebel wallt auf") und er Taktiker daraus Vorteil schlägt ("Ich schleiche im Schutz des Nebels an und kann meinen Sneak Attack anbringen"). Für die Taktiker hat FATE den Vorteil, dass ganz klar ausgemacht ist, dass man Orts- und Szeneaspekte vorteilhaft nutzen soll, aber eben den Nachteil, dass die Auswirkung der Aspekte immer gleich gehandhabt wird (s.o.). Dieses Ausnutzen der Spielwelt habe ich jedoch meistens bei Spielern beobachtet, die eine taktische Spielader haben, und fast nie bei denen, an denen der taktische Aspekt des Rollenspiels vorbei geht (außer eben bei FATE).
Eine dritte Variante der Taktiker nutzt nicht nur die beschriebene Spielwelt aus, sondern folgert daraus auch Elemente, die ihnen nutzen. Wenn also der Spielleiter sagt "Ihr sitzt in einer Jagdhütte", dann sind es diese Spieler, die im Fall eines Überraschungsangriffs fragen, ob irgendwo ein nur leicht verschlossener Schrank mit Jagdflinten herumsteht, auch wenn dem SL sowas nicht in den Sinn kam oder es beschrieben wurde. Auch so ein Verhalten kenne ich meistens eher von taktisch orientierten Spielern, weniger von z.B. Storytellern.
Taktikerspieler können natürlich einzelne Vorlieben haben oder in allen drei Bereichen gleich gerne zuhause sein. Meine Vermutung ist, dass Taktikerspieler der Vorliebe 2 + 3 sich bei FATE ein bisschen wundern, warum man etwas, was für sie zum "völlig normalen (Simulations-)Rollenspiel" gehört, auf einmal verregelt und dazu noch undifferenziert behandelt wird. Zumindest Vorliebe 3 - bereichern einer Situation/Szene durch Spielerinitiative - ist aber überhaupt kein so "normaler" Vorgang für die meisten Rollenspieler.