Autor Thema: Ich bin immersionsimpotent  (Gelesen 7923 mal)

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Offline Chiarina

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Ich bin immersionsimpotent
« am: 29.12.2014 | 23:56 »
Immersion, Immersion, Immersion... ständig ist hier die Rede von Immersion. Bevor ich Anfälle bekomme, wenn ich das Wort wieder lese, habe ich dann gerade doch noch mal nachgesehen, was das eigentlich bedeutet:

Wikipedia:
Immersion beschreibt die Überführung in einen Bewusstseinszustand (Eindruck), bei dem sich die Wahrnehmung der eigenen Person in der realen Welt vermindert und die Identifikation mit dem Selbst (dem Avatar) in der virtuellen Welt vergrößert. […] Im Unterschied zur passiven, filmischen Immersion erlaubt die virtuelle Realität eine Interaktion mit der virtuellen Umgebung, und dadurch kann eine wesentlich höhere Intensität der Immersion erreicht werden. Man spricht von einer immersiven, virtuellen Umgebung […] wenn es dem Benutzer ermöglicht wird, direkt mit dieser zu interagieren. […] Im Pen-&-Paper-Rollenspiel […] ist die Immersion ein zentrales Thema. Es geht darum, dem Spieler ein möglichst glaubhaftes und intensives Erlebnis der Spielwelt zu bieten. Beim P&P-Rollenspiel wird dies in erster Linie durch die Erzählkunst des Spielleiters bewerkstelligt. Des Weiteren durch ein Regelwerk, welches die Spielwelt möglichst glaubhaft in Werte, Spielregeln und Hintergrundgeschichten fasst.

Zunächst meine zwei kleinen Fragezeichen zu dem Artikel:
1.   Inwiefern hat die Erzählkunst des Spielleiters mit der Immersion zu tun? Ich kann mir Spielleiter vorstellen, die in Sachen Erzählkunst ganz vorn dabei sind, bei denen ich aber trotzdem eher den Eindruck bekomme, dass ich einer Romanlesung zuhöre. Für die Immersion ist in meinen Augen doch weniger wichtig, wie künstlerisch hochwertig der Spielleiter zu erzählen vermag, sondern, inwieweit er den Spielern die Möglichkeit gibt, mit ihrer virtuellen Umwelt zu interagieren.
2.   Inwiefern hat ein Regelwerk mit der Immersion zu tun? Ein Regelwerk, dem es gelingt eine Spielwelt glaubhaft in Werte, Spielregeln und Hintergrundgeschichten festzuhalten, verhindert vielleicht, dass ein Spieler die Regeln reflektiert, aber das ist doch noch keine Garantie für Immersion!

Nun zu der von mir erlebten Spielrealität, konkret zur Frage: Wie kommt denn Immersion zustande? Meine Antwort: Bei mir eigentlich gar nicht.
Hier ein paar Beispiele:
Spielleiterbeschreibungen: Ja, es gibt schöne Beschreibungen. Irgendwann fragt aber sicherlich ein Spieler dazwischen: Kann Eirik auf den Wandteppichen irgendwelche Wappen erkennen, mit denen er etwas anfangen kann? Immersion unmöglich. Ich stelle mir vor, wie mir ein Spielleiter vor dem Spiel zur Einstimmung salbungsvoll ins Ohr flüstert: „Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise […]“. Ich würde anfangen zu lachen und die Sache für einen netten Witz halten. Immersion erzeugt so etwas bei mir nicht (das gilt auch für neue Texte).
Dialoge: Funktionieren vielleicht ein paar Stationen lang. Dann kommt die Idee auf, einen Wurf auf Menschenkenntnis zu machen. Immersion unmöglich.
Dramatische Handlungen: Sind besonders anfällig, durch Anwendung bestimmter Regelmechanismen entschieden zu werden. Immersion unmöglich.
Kerzen: Immer, wenn jemand Kerzen anzündet, fühle ich mich wohler. Ich fühle mich aber nicht am Hofe König Artus´.
Hintergrundmusik: Das finde ich meistens völlig bescheuert. Immer wenn so etwas erklingt, fragt mein Anti-Immersions-Trieb: Äh, bitte, wer erzeugt jetzt noch diese Klänge?
Battlemaps und Ticksysteme: Was ist daran glaubhaft? Mein Charakter ist weder ein statisches Zinnfigürchen, noch muss er warten, bis er dran ist.

Ich scheine immersionsimpotent zu sein. Damit komme ich zur Gegenfrage: Will ich das überhaupt, diese Immersion?
Tatsache ist: Ich will ein spannendes Spiel, eine spannende Handlung. Ich will auch als Spieler einen Teil zur Handlung betragen und echte Entscheidungen fällen. Ich will einen Charakter verkörpern und mich reizt es, mich in eine Figur hineinzuversetzen, die anders ist als ich selbst. Nur: Es reicht mir völlig, wenn ein Mitspieler sagen kann: "Ja, so wie Chiarina ihn hier darstellt könnte sich jemand wie Fridtjof in dieser Situation verhalten". Es ist nicht mein Ziel, jemandem vorzugaukeln, ich sei Fridtjof! Ein intensives Spielgefühl entsteht bei mir eigentlich nie dadurch, dass ich mich in einer virtuellen Welt verliere und "sich die Wahrnehmung der eigenen Person in der realen Welt vermindert". Ich bin mir eigentlich permanent absolut bewusst darüber, dass ich auf einem gemütlichen Sofa mit ein paar netten Leuten sitze und meine Mitspieler immer noch dabei sind Pizza zu essen. Ein intensives Spielgefühl entsteht eher dadurch, dass ich mir der Differenz zwischen meiner Realität und der künstlich erschaffenen Alternativwelt bewusst bin. Wenn ich das Gefühl bekomme: Das war ungewöhnlich, das war eine Situation, in der ich im realen Leben noch nie war, etc., dann ereignen sich unvergessliche Momente. Mit Immersion hat das bei mir nicht viel zu tun.

Schlimm?

Chiarina.
[...] the real world has an ongoing metaplot (Night´s Black Agents, The Edom Files, S. 178)

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #1 am: 30.12.2014 | 00:04 »
Immersion ist gelinde ausgedrückt kein scharf definierter Begriff. Damit kann man nix anfangen. Du hast das Problem ja selbst erfasst. Habe gerade mal gesucht, denn ich hatte zwei tolle Theorieartikel zu dem Thema. Darin wurde ausführlichst dargelegt, weshalb die Nutzung des Begriffs der Immersion nicht sinnvoll ist. Leider finde ich die gerade nicht.

Fazit: Gräm Dich nicht. Im Wiki-Eintrag steht Quatsch, mit Dir ist alles in Ordnung. Rock on!

Offline Slayn

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #2 am: 30.12.2014 | 00:06 »
Schlimm?

Nein!

Gelinde gesagt: Scheiß auf Immersion! Immersion bedeutet meist einfach sich in eine Situation hineinzudenken und dann entsprechend zu Reagieren. Immersion schließt Aktion und Kreativität aus, dafür muss man sich auf die Meta-Ebenen begeben und genau die brechen Immersion automatisch. Also lieber entspannen, nachdenken und agieren als immersiv sein und nur stumpf reagieren.
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Offline KWÜTEG GRÄÜWÖLF

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #3 am: 30.12.2014 | 00:10 »
Ich hätte früher ja blauäugig behauptet, dass ich immersiv spiele (wenn ich den Begriff damals gehört hätte), aber einige Sessions mit unsympathischen Hardcore-DSA-Athmo-Spielern, die den ganzen Abend nur in ihren Rollen gespielt haben, und das mit einer pseudomystisch-emotionalen Zwangsathmosphäre, bei der jeder zeigen musste, wie nahe sein Charakter jetzt den Tränen ist, weil sein Lehrmeister / Heimatdorf / Lieblinsgtempel von Orks, Dämonen oder watweissich geschändet worden ist, haben mich Mores gelehrt.

Ich geniesse im Spiel immer besonders die Momente, in denen man sich mal zurücklehnt und auf der Metaebene Witze übers Spielgeschehen reisst.


Nachtrag: EIN intensives und spassiges Immersionserlebnis hatte ich aber mal.
Der SL hatte mit mir ausgemacht, für DSA (ganz andere Gruppe) einen Wegwerfcharakter zu bauen, der dann zum Entsetzen der anderen teilnehmenden Spieler im Verlauf des Abenteuers hops gehen sollte.

Zwei der Rollenspielneulinge haben dann aber sich so viel Mühe gemacht, meinen todgeweihten Streuner aus dem Kerker rauszubringen (wo er eigentlich auf seine Hinrichtung warten sollte), dass ich dann diese Situation erleben konnte: der Char steckt bis zum Hals im Hafenbecken, und muss versuchen, bei Nacht quer durch den Hafen zu schwimmen, um zu entkommen.

Und ich WUSSTE, der SL wird mich kaltmachen. Keine Chance, aber für die Mitspieler musste ich es ernsthaft versuchen. Und das hat sich wirklich so angefühlt, als ob ich da im eiskalten Wasser sitzen würde und um mein Leben schwimmen würde. Intensiver habe ich es nie wieder erlebt.

Ach ja, die Aktion war so verbissen durchgezogen worden, dass zu meiner Verblüffung der Char dann tatsächlich überlebt hatte.
« Letzte Änderung: 30.12.2014 | 00:17 von Kwuteg Grauwolf »
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Eulenspiegel

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #4 am: 30.12.2014 | 00:22 »
1.   Inwiefern hat die Erzählkunst des Spielleiters mit der Immersion zu tun? Ich kann mir Spielleiter vorstellen, die in Sachen Erzählkunst ganz vorn dabei sind, bei denen ich aber trotzdem eher den Eindruck bekomme, dass ich einer Romanlesung zuhöre. Für die Immersion ist in meinen Augen doch weniger wichtig, wie künstlerisch hochwertig der Spielleiter zu erzählen vermag, sondern, inwieweit er den Spielern die Möglichkeit gibt, mit ihrer virtuellen Umwelt zu interagieren.
Interaktion ist für Immersion nicht unbedingt wichtig.

Wenn du ein spannendes Buch liest und dich dort hineinversetzt, erlebst du auch Immersion.
Wenn du einen spannenden Film siehst und dich dort hineinversetzt, erlebst du auch Immersion.

Für viele Leute (mich eingeschlossen) vereinfacht es zwar die Immersion, wenn man interagieren kann, es ist aber nicht notwendig. Ohne Interaktionsmöglichkeiten fällt mir Immersion zwar schwerer, ich kann sie aber dennoch erreichen.

Zitat
2.   Inwiefern hat ein Regelwerk mit der Immersion zu tun? Ein Regelwerk, dem es gelingt eine Spielwelt glaubhaft in Werte, Spielregeln und Hintergrundgeschichten festzuhalten, verhindert vielleicht, dass ein Spieler die Regeln reflektiert, aber das ist doch noch keine Garantie für Immersion!
Nein, es ist keine Garantie. Aber es ist ein gutes Hilfsmittel.

Eine gute Schwimmausbildung ist auch keine Garantie dafür, dass du heil auf der anderen Seite des Ufers ankommst. Und manche Leute schaffen es auch ohne Schwimmausbildung (indem sie z.B. ein Boot benutzen). Aber dennoch kann die Schwimmausbildung hilfreich sein.

Und genau so ist es mit einem guten Regelwerk.

Zitat
Kerzen: Immer, wenn jemand Kerzen anzündet, fühle ich mich wohler. Ich fühle mich aber nicht am Hofe König Artus´.
Der eigentliche Sinn ist es, die Umgebung dunkler zu gestalten. Normalerweise nimmt man sehr viele visuelle Reize dar, die die Vorstellung überlagern. Wenn man die visuellen Reize minimiert, fällt es häufig leichter, sich etwas eigenes visuell vorzustellen.

Das passiert dir sicherlich auch häufig:
1) Wenn du versuchst, dir etwas bildlich in Erinnerung zu rufen, schließt du die Augen.
2) Wenn du schlafen möchtest, schaltest du das Licht aus.

Das beruht prinzipiell auf genau den gleichen Effekt.

Zitat
Hintergrundmusik: Das finde ich meistens völlig bescheuert. Immer wenn so etwas erklingt, fragt mein Anti-Immersions-Trieb: Äh, bitte, wer erzeugt jetzt noch diese Klänge?
Hier hilft es, wenn anstatt Musik Geräusche verwendet werden, die auch ingame vorhanden sind:
Im Wald also das Zwitschern von Vögeln und das Rauschen des Windes durch das Blätterdach.
In einer Grotte z.B. das Tropfen von Wasser.

Zitat
Battlemaps und Ticksysteme: Was ist daran glaubhaft? Mein Charakter ist weder ein statisches Zinnfigürchen, noch muss er warten, bis er dran ist.
Das ist bei mir ähnlich. Kämpfe sind regelmäßig die Stellen im Abenteuer mit der geringsten Immersion.
Allerdings gibt es ja nicht nur die beiden Extrempole 0% Immersion und 100% Immersion. Es gibt ja auch noch diverse Zwischenstufen.

Zitat
Will ich das überhaupt, diese Immersion?
Keine Ahnung. Das muss schon jeder für sich selber entscheiden.
Mir persönlich macht es extrem viel Spaß. - Ich habe sicherlich nicht an jedem Spielabend Immersion. Aber rückblickend kann ich sagen: Die Spielabende, an denen ich Immersion hatte, haben mir am meisten Spaß gemacht.

Aber es gibt halt auch Leute, die Immersion hatten und denen es jetzt nicht mehr oder weniger Spaß gemacht hat als ohne Immersion.
« Letzte Änderung: 30.12.2014 | 00:25 von Eulenspiegel »

Offline Boba Fett

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #5 am: 30.12.2014 | 00:25 »
Ab und zu haben manche Rollenspieler während oder nach dem Rollenspiel den Eindruck, dass sie die beim Spiel in der Vorstellung entsehenden "Bilder im Kopf" wahrgenommen haben, als wären sie im gespielten Ereignis mitten drin dabei.
Ob man das Eintauchen, Versinken oder Immersion nennt, ist egal und das hängt auch im Wesentlichen nicht von dem Rollenspiel oder der Erzählkunst ab.
Vielleicht ist derjenige einfach nur durch stundenlanges Spiel übermüdet und driftet in enen halbwachen Zustand oder das Koffeein in der Voke haben es ausgelöst oder die Bratwurst war schlecht.
Vor allem: Der im Spiel entstehende Unterhaltungs- oder Freizeitwert ist nicht davon abhängig,,ob oder wieviel Immersion man erlebt. Daher ist es auch nicht zwanghaft erstrebenswert, die vielgepriesene I. Unbedingt zum Bestandteil seines Rollenspielerlebnisses zu machen.
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline Slayn

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #6 am: 30.12.2014 | 00:37 »
Mal anders: Immersion zu erreichen ist toll! Ich liebe es, wenn ein guter SL eine Szene so beschreibt das ich mich in ihr wiederfinde. Ich liebe es, wenn die Interaktion am Spieltisch so flutscht das ich mir wirklich vorstellen kann wie das gerade innerhalb der Charaktere abläuft.
Aber: Ich bin ein halbwegs intelligenter Mensch, kreativ und ein erfahrener Spielleiter, die Chance das mich eine Story noch überraschen kann und mich mitreist ist praktisch Null, sofern sich nicht ein rein emotionales Niveau bei mir anspricht.
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alexandro

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #7 am: 30.12.2014 | 00:56 »
Für mich reicht es, wenn ein Bild im Kopf entsteht. Das muss kein kristallklares Bild sein, es kann schwammig und konfus sein (so wie in den meißten Träumen). Es muss nicht einmal ein Bild sein, es kann genausogut eine Stimmung sein. Und es muss auch nicht immer während des Spiels sein, sondern kann auch später kommen, wenn man darüber nachdenkt (während der wenigsten Filme denkt man ja während des Schauens über das nach, was da passiert - das passiert idR hinterher).

Ein verbreiteter Irrglaube ist glaube ich die Gleichsetzung von Immersion mit dem, was die Forge unter dem Begriff "Gemeinsamer Vorstellungsraum" definiert. Dass man eine Vorstellung der "Spielrealität" hat und sich in die dargestellte Spielfigur "einfühlt" - und dass man das eigentliche Spiel in diesem Moment "vergisst". Nicht nur dass diese Definition von Immersion ein wenig von "Malen nach Zahlen" hat, sie ignoriert auch einen wesentlichen Aspekt des Rollenspiels (die unterschiedlichen und immer wieder neu verhandelten Vorstellungen der Spielteilnehmer) und erscheint mir daher nicht lohnend.

Sie wird letztendlich nur als "buzzword" benutzt um zu sagen dass man nur mit Leuten spielen will, mit denen man so 100% auf einer Wellenlänge liegt, dass man nichts mehr verbalisieren muss. Kann man machen. Ist mir aber zu einschränkend.

Offline Skele-Surtur

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #8 am: 30.12.2014 | 01:47 »
Ich glaube, es ist erstmal nicht ganz unerheblich, sich zu vergegenwärtigen, dass es verschiedene Abstufungen von Immersion gibt.

0% Immersion bedeutet, dass man vor sich ein Blatt mit Werten liegen hat und da ein Typ oder eine Frau sitzt, die sich selbst als SL bezeichnet und mir die Geschichte vom Pferd erzählt.
100% Immersion ist, dass ich keine Ahnung habe, wer dieser ominöse (realer Name hier einfügen) ist und wo dieses Deutschland liegen soll und ich nun aufbreche, um den Drachen zu töten, der meine Heimat bedroht, die ich gerade vor mir sehe.

Letzteres halte ich für etwas, was keinem normalen Menschen beim Rollenspiel passiert. In dem Moment, in dem das Blatt mit den Werten drauf aber anfängt eine Person zu symbolisieren, in deren Gedankenwelt ich mich einzufühlen beginne, die eine Biographie hat (von der mir völlig klar ist, dass diese fiktiv ist) und ich diese fiktive Person auf beschriebene Situationen in einer für mich glaubhaften Weise reagieren lasse, beginnt die Immersion Prozentpunkte größer 0 anzusammeln.

So verstehe ich den Begriff zumindest, was aber sicher auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist.
Doomstone ist die Einheit in der schlechte Rollenspiele gemessen werden.

Korrigiert meine Rechtschreibfehler!

Eulenspiegel

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #9 am: 30.12.2014 | 02:26 »
Ich glaube, es ist erstmal nicht ganz unerheblich, sich zu vergegenwärtigen, dass es verschiedene Abstufungen von Immersion gibt.
Zustimmung. :d

Wobei ich 0% Immersion eher z.B. beim Spiel "Dame" oder "Go" vorfinde: Du hast irgendwelche abstrakten Figuren vor dir, die du nach abstrakten Regeln aufs Brett setzt bzw. verschiebst.

Schach wäre in meinen Augen dann schon 0,1% Immersion, da die Figuren dort immerhin schon nach real vorkommenden Sachen benannt wurden. - Und wenn der König geschlagen wird, ergibt sich die restliche Armee. Das reicht aus, um Schach wenigstens auf 0,1% Immersion zu erheben.

Monopoly oder 'Die Siedler von Catan' schaffen dann immerhin schon den Sprung auf 1% - 5% Immersion.

Spiele wie Descent, Star Quest, Legenden von Andor oder Zombicide sind dann schon bei 10% Immersion.

Und alle RPGs, die ich kenne, fangen dann so ab 20% Immersion an. (Wobei für mich LARP zum Beispiel immersiver ist als Pen&Paper.)

Disclaimer:
Das ist mein persönliches Immersionserlebnis von verschiedenen Spielen. Durchaus möglich, dass andere Leute andere Erfahrungen gesammelt haben.

Disclaimer2:
Obwohl Go für mich eine Immersion von 0% hat, gehört es doch zu meinen Lieblingsspielen. Das beweist, dass Immersion nicht alles ist.

Offline Slayn

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #10 am: 30.12.2014 | 02:30 »
Wieso sollte Immersion "alles" sein?
Gerade als SL hat man doch ein echtes Problem wenn man traditionelle "Allmacht" mit Immersion paart, oder? Das geht nicht gut.
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alexandro

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #11 am: 30.12.2014 | 02:35 »
Sich die Situation zu vergegenwärtigen (ein Bild "wie in echt" vor sich zu haben) kann für den SL durchaus hilfreich sein, um die Auswirkungen der Spielerhandlungen konsequent und plausibel zu beurteilen. Man muss halt nur wieder "rauskommen" und das eigene Kopfkino den Spielern irgendwie rüberbringen können (bzw. dass irgendwie simultan hinbekommen), sonst bringt das nichts.

Eulenspiegel

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #12 am: 30.12.2014 | 02:42 »
@ Slayn
Imho ist das ein Grund, warum viele Leute kein SL sein wollen.

Der SL-Posten bietet viele Vorteile: Du kannst die Geschichte am Stärksten beeinflussen. Du hast unzählige Charaktere mit beliebig hohen Werten. Du bist nicht an XP gebunden, um deine Charaktere aufsteigen zu lassen. In vielen klassischen RPGs hat das Wort des SLs am meisten Gewicht. Wenn du mal keine Zeit hast, geht die Kampagne nicht ohne dich weiter.

Trotz all dieser Vorteile hat der SL-Posten aber einen riesigen Nachteil: Du bekommst Probleme mit der Immersion. Von allen Mitspielern ist der SL derjenige, der am wenigsten immersiv ist.

Und dieser Nachteil sorgt dafür, dass viele Immersions-Fans keine Lust haben, den SL-Posten zu übernehmen. Früher hat man dieses Problem häufig abgeschwächt, indem man einen "SL-SC" mitgeführt hat. Das heißt, ein NSC, der aber den gleichen Generierungsregeln wie normales SCs unterlag. Dadurch, dass der SL durch diesen "SL-SC" handeln konnte, hatte er dann wenigstens einen Bruchteil der Immersion zurückerhalten.

Heutzutage gibt es zum Glück genügend Spieler, denen Immersion nicht so wichtig ist. Man kann sich daher einen Mitspieler als SL suchen, für den Immersion nicht so wichtig ist.

User6097

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #13 am: 30.12.2014 | 02:45 »
Ich würde meinen, man kann Immersion eher greifbar machen, wenn man andere Medien miteinbezieht, wobei das immersivste Medium aktuell wohl ein Film oder Computerspiel mit 3D-Brille wäre. Da wird Immersion dann dadurch erzeugt, das man möglichst viele Sinne direkt möglichst realitatsnah anspricht. Das wären dann die Kerzen bzw. die Hintergrundmusik im Rollenspiel oder das beim Erzählen möglichst viele Sinne angesprochen werden.

Das sind natürlich sehr begrenzte Mittel und manche Leute sprechen da mehr oder weniger drauf an. So wie manche Leute ein Buch lesen und Stunden später 100 Seiten weiter sind und ganz vergessen das sie noch nen Termin hatten, und andere halt nach drei Seiten schon die Langeweile kommt.

Ich würde jetzt sagen das da der erstere schon mehr von dem Buch hat, das also auch der Rollenspieler der Immersion tiefer erlebt mehr vom Rollenspiel hat. Bei nem Buch oder Film allerdings ist man immer passiver Rezepient, während man beim Rollenspiel ja auch aktiv was machen kann und da seinen Spaß draus hat.   

Man kan ndas vielleicht auch mit neuen und alten Computerspielen vergleichen. Manche Leute spielen alte Spiele mit schlechter Grafik gern, weil es ihnen um das Spielprinzip geht, andere fassen nur Spiele mit aktueller Grafik, Wi-Controller und Dolby Surround an. 

Offline Ursus Piscis

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #14 am: 30.12.2014 | 08:02 »
Mir drängen sich beim Lesen einiger Abschnitte in diesem Thread Parallelen zu Artikeln über die Wichtigkeit von regelmäßigen Orgasmen in diversen Hochglanz-Magazinen auf.

Statt: "Und? Bist du auch gekommen?"

Eben: "Hattest du heute eine schöne Immersion?"     

Geht das nur mir so?  ~;D

Offline Infernal Teddy

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #15 am: 30.12.2014 | 08:12 »
Ich habe immer das Gefühl, Immersion ist ein Begriff der gerne in den raum geworfen wird damit die DSA-Atmo-Bauergamer sich besonders toll vorkommen können wenn jemand sie wieder drauf hinweist das sie eigentlich für eine normale Rollenspielrunde völlig untaugliche charaktere spielen...
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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #16 am: 30.12.2014 | 09:03 »
Sehe ich wie Infernal Teddy und Ursus Piscis.

Offline Saffron

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #17 am: 30.12.2014 | 09:29 »
Es gilt ja immer: jeder soll so spielen, wie es ihm Spaß macht. Wenn du dich nicht in die Spielwelt, die Geschehnisse und deinen Charakter hineinversetzen möchtest oder kannst, sondern das ganze lieber von außen betrachten möchtest, ist das ja vollkommen in Ordnung, solange du trotzdem Spaß hast.

Für viele Spieler ist ein gewisses Maß an Immersion aber wichtig, und ich zähle mich auch dazu. Ich habe kein Problem damit, dass mal offgame Witze gemacht werden, oder dass bestimmte Spielmechanismen nicht so günstig für die Immersion sind. Trotzdem fühle ich mit meinem Charakter mit, und wenn es SL und Spielern gelingt, die für das Genre oder die Szene passende Atmosphäre zu schaffen, dann rockt das Rollenspiel für mich mehr, als wenn das nicht der Fall ist.

Das ist für mich ähnlich wie bei Büchern und Filmen. Da will ich bestenfalls auch  mitgerissen werden, und da kann ich dann auch mal ein paar Tränen zu vergießen, wenn es für die Figuren gerade sehr emotional wird.
Ich leide nicht an Realitätsverlust. Ich genieße ihn.

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #18 am: 30.12.2014 | 09:46 »
Naja, vielleicht wird der Begriff Immersion überstrapaziert. Aber ich finde, es gibt sowas schon, bei guten Filmen oder Büchern, bei Computerspielen und durchaus auch im Rollenspiel. Wenn man sich halt auf die Vorstellung konzentriert, auf den Charakter, die Situation und die Handlung, und halt sehr mitfiebert. Wer schonmal kurz in ein tolles neues Computerspiel reingucken wollte und sich dann gefühlt "wenig später" wundert, warum es draussen hell wird, weiß wovon ich rede.
Neben der etwas verminderten Wahrnehmung der Wirklichkeit ist emotionale Reaktion ein ganz guter Indikator finde ich. Wenn tragische ingame Ereignisse zu Tränen rühren, wenn im Kampf gegen einen fiesen Feind das Herz schneller schlägt und der Schweiß ausbricht usw. würde ich mal von Immersion ausgehen.
Es neigt aber sicher nicht jeder gleichermaßen dazu und es ist auch nicht unbedingt das einzig wahre Rollenspiel. Ich würde sogar sagen, dass Leute, die zu Immersion neigen, in anderen, auch nicht unwichtigen Bereichen, zu Schwächen neigen. Beispielsweise IT/OT Trennung.
Wie Immersion zu erreichen ist, wenn man sie will, da gehen die Meinungen auch sicher auseinander. Mit so einer Athmo-Dsa-Runde mit reichlich Tavernenspiel ist das zumindest bei mir aber nicht zu machen.
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Offline Der Nârr

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #19 am: 30.12.2014 | 09:58 »
Überstrapaziert, ja, das ist schön. Ich wollte schon sagen: Immersion ist ein Kampfbegriff. Es kann ja niemand prüfen, wie "immersiv" jemand ist und jeder kann jedes Rollenspiel hypen oder dissen mit dem Verweis darauf, wie toll immersiv man damit werden kann - oder eben nicht.

Ich überlege mir, was ist denn der Gegenpol zu Immersion? Ich bezeichne das gerne als "Szenenverwaltung". (Klassisches OT wie Gespräche über Kinobesuche lasse ich da komplett außen vor, weil das ja nicht mal zum Spiel gehört.) In der "Szenenverwaltung" redet man nicht als sein Charakter und handelt nicht, sondern fängt an zu überlegen, was man nun machen könnte und die Spieler diskutieren die nächste Handlung an und dann erfolgt erst die Ausführung. Immersives Spiel wäre dagegen eine spontane Reaktion, in der man keine Überlegungen anstellt, sondern sofort handelt. Eine spontane Reaktion, z.B. sofortiges Ingame-Sprech oder eine Handlung, gehen ja nur, wenn man sich die Situation vergegenwärtigt hat und in diesem Moment als sein Charakter agiert, das ist immersives Spiel.

Mit stundenlangem Tavernensprech hat das erstmal nichts aber auch gar nichts zu tun.

Zentrales Element immersiven Spiels wäre für mich, dass immer der Spielfluss aufrecht erhalten bleibt.

Davon zu unterscheiden wäre aber der "Flow", denn wenn man "Flow" als Merkmal für gelungenes Rollenspiel zur Basis nimmt, dann kann ja auch die Szenenverwaltung Flow ermöglichen - weil man da ja auch als Spieler richtig drin stecken kann. Szenenverwaltung ist ja immer spielbezogen. In gewisser Weise gehört auch Metagaming dazu, z.B. wenn man Sonderfähigkeiten aktiviert und Bonuspunkte sammelt ("So, dann habe ich noch +2 von meinem Schwert und +3 durch den Sprungangriff und dann aktiviere ich noch meinen täglichen Superkick und verdopple, HA, das überlebt der nie und nimmer" ist nicht immersiv, aber der Spieler ist ja wohl voll im Spiel).

Ich habe mal erlebt, wie zwei Spieler darüber diskutiert haben, auf welchem Feld sie am besten einen Schlaf-Zauber in eine Hütte zaubern – 45 Minuten lang. Ich habe da total abgeschaltet. Das war für mich weder Flow noch Immersion. Für die anderen war es aber womöglich Flow, sie waren ja die ganze Zeit im Spiel. Wenn der Zauberer sofort gesagt hätte, er zaubere den Schlafzauber DORT hin, dann wäre es womöglich auch immersiv gewesen.

Ich finde Immersion wichtig, weil ich spontane Reaktionen der Spieler möchte und damit für mich ein Spielfluss gewährleistet wird, den ich interessanter finde, als das Durch-Diskutieren jeder Handlung und jeder Szene. Es ist für mich aber nicht der heilige Gral des Rollenspiels. Für mich ist aber auch klar, dass nicht ein einzelner Wurf die Immersion zerstört. Das ist allenfalls eine kurze Unterbrechung, aber wenn der Spielfluss da ist, geht es ja sofort weiter. Immersion ist da wichtig, wo man ENTSCHEIDUNGEN trifft.

(In Tavernensprech trifft man selten wichtige Entscheidungen. Da stehen meiner Meinung nach auch andere Sachen im Vordergrund, gerade von DSA kenne ich es so, dass da gar nicht das Individuum zum Vorschein kommt, sondern dass man vielmehr bestimmte Muster durchkaut, die man aus den Quellenbüchern kennt - der Elf mag keine Zwerge, der eine Geweihte diskutiert mit dem anderen Geweihten, der Novadi faselt was von Ungläubigen, der Moha tut den ahnungslosen Wilden usw.)
« Letzte Änderung: 30.12.2014 | 10:02 von Der Narr »
Spielt aktuell Deadlands reloaded
Spielleitet aktuell gar nix
In Planung Fate Core, Pendragon

Luxferre

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #20 am: 30.12.2014 | 10:20 »
Schlimm?

Nö.

Immersionsimpotenz würde Dir nur ein Bi-Ba-Besserspieler unterstellen  ~;D Sich von irgendwelchen halbwegs passenden Begrifflichkeiten abhängig zu machen ist doch kokolores. Einige Leute brauchen das, andere spielen seit 'nem Vierteljahrhundert und denen geht so ein Quatsch am Poppes vorbei, weil sie glücklich und zufrieden sind.

Dir geht es ähnlich, wie es mir vor einigen Jahren ging. Unzufriedenheit, Hunger auf "Mehr" und die Neugier auf Neues vergraulen einem das Spiel zuweilen. Die Liste der Unzufriedenheiten wäre wohl noch um einiges länger, belassen wir es mal dabei. Auf jeden Fall habe ich mich kopfüber in Systeme gestürzt und ich mich Theorien und Begrifflichkeiten herumgeschlagen. Davon bin ich wieder weit ab. Jetzt aber zu meinem Punkt, Deinen Beitrag betreffend ...
Immersion ist auch so ein Begriff, den ich versucht habe für mich zu finden und zu definieren. Teilweise kam mir das Spielen so tot vor. Leblos, auf Werte fixiert und repetetiv. Mein Vorstellungsraum war zusehends weniger gefüllt. Das lag aber letztendlich einzig an mir. Weder an meinen Spielern, die richtig Spaß hatten, noch am falschen System oder gar der falschen Welt.
Meine Einstellung und meine Suche nach diesem "Mehr" war der ausschlaggebende Punkt.

Sodele ... jetzt habe ich viel mehr geschrieben, als ich wollte, oder das Thema wert wäre ;) Daher breche ich es mal ab, bevor ich mich hineinsteigere.

Ich denke, dass Du mehr ausprobieren solltest und Blickwinkel wechseln könntest. Zum Beispiel mal wieder Spieler sein ... Loslassen und laufenlassen  :headbang: Und diese Theoriebegriffe aktiv aus dem Spiel heraushalten.

Offline Iona

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #21 am: 30.12.2014 | 10:39 »
@Chiarina: Ich glaube nicht, dass du "immersionsimpotent" bist :) Sondern nur, dass du den Begriff etwas überbewertet hast.
Das, was du in deinem letzten Absatz beschreibst, trifft denke ich auf die meisten Spieler zu. Mir ist auch ständig bewusst, dass ich da gemütlich mit netten Leuten an einem Tisch sitze - aber dennoch versuche ich mich in die Situation und den Charakter, der ja in den meisten Fällen zumindest etwas anders tickt als man selbst - hineinzuversetzen. Da ist eine gute Beschreibung der Gegebenheiten durch den Spielleiter schon hilfreich. Und die Beseitigung von Störungen, die mich genau an diesem Hineinversetzen hindern.
Und diese sind sehr individuell. Für den einen sinds vorhandene oder fehlende Hintergrundmusik, für andere vielleicht sogar die inkonsequente oder unpassende Verkörperung der Spielercharaktere durch andere SpielerInnen.

Der Narr beschreibt das mMn richtig. Ein Hineinversetzen in den Charakter und die Situation ist wichtig, wenn man ein flüssiges und emotionales Spiel haben möchte.
Runden, die halt eher mechanisch spielen (und evtl. sogar vom eigenen Charakter in der 3. Person sprechen oder nur mit indirekter Rede spielen), haben das meiner Erfahrung und Ansicht nach nicht oder auf eine andere Art und Weise.

Ob man dies tut oder nicht, merkt man finde ich am besten an Situationen und Szenen, die einem (evtl. erst im Nachhinein) unangenehm sind. Ich erinnere mich da an eine (noch harmlose) Szene in einem sehr üblen Bordell, wo ein anderer SC die Mädchen gefragt hat, ob sie gerne hier sind. Die Antwort war sichtlich nicht leicht auszuspielen.

Oder einmal hatte ich eine Szene, wo mein heilkundiger Charakter ein vermutlich mehrfach vergewaltigtes Mädchen behandeln musste. Diese Szene musste ich abkürzen, weil es mit persönlich zu nah ging, diese jetzt mit der Spielfigur, in die sonst ohne Probleme auch sehr emotional darstelle, auszuspielen.
Klar weiß ich, das ist nur ein Spiel, aber es regt ja nunmal zurecht das Kopfkino an und so etwas läuft mir dann doch eine Weile nach.
Wie es auch bei einem guten Film sein kann, der einen zum Nachdenken anregt.


Und Luxferre schieße ich mich auch an: Weniger über Theorie nachdenken, mehr machen ;)

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Offline dunklerschatten

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #22 am: 30.12.2014 | 10:55 »
das böse Wort mit I..... wird völlig überbewertet.
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eldaen

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Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #23 am: 30.12.2014 | 11:02 »
Erstens: Der Artikel auf Wikipedia ist bezüglich Rollenspiel und Immersion dahingehend schlecht, dass er nicht erfasst, dass Rollenspiel (jaja, bis auf eine verschwindend geringe Zahl an Ausnahmen) eine Chimäre aus mindestens zwei, meist mehr Aspekten ist. Der Englische Begriff macht es finde ich immer gut deutlich: Roleplaying Game. Play halt im Sinne eines Schauspiels und game im Sinne eines "regulären" (also mit Regeln versehenen) Spiels.

Wenn der Artikel also besagt, dass Die Regeln Teil der Immersion eines Rollenspiels seien, so ist dies IMO schlicht falsch. Sie gehören zum zweiten Aspekt des Spiels. Natürlich gibt es Versuche, Regeltechnische Unterstützungen bzw. Abbildungen dessen zu geben, wie sich die Geschichte an sich entfaltet (also über normale Proben etc. hinaus eher in Richtung Player Empowerment, Plot Points, etc.), dennoch sind dies eben immer auch wieder Regeln, und es stellt sich häufig die Frage, ob die Bilanz zwischen Gewinn an interessanter Geschichte und Regel-/Gesellschaftsspielanteil günstig ist. Und im Endeffekt versuchen sie nur etwas zu kompensieren, das uns fehlt: Die Fähigkeit zur Immersion!

Fazit: Regeln ungleich Immersion.

Zweitens:

(Man verzeihe mir den Kraftausdruck, aber das ist genau der Punkt an dem ich seit Jahren mit mir und Rollenspiel hadere - bezieht sich also auf niemanden sondern nur daraus, dass es nich klappt mit der Immersion!)

Das ganze Scheißproblem mit der Immersion ist, dass wir als Erwachsene die Fähigkeit dazu verloren haben, verdammichnochmal!


Ich habe zwei kleine Kinder, der jüngere drei Jahre alt. Er - völlig ohne Zusammenhang so zu mir "Papa, ich bin ein Flugzeug, und du bist ein Frosch, komm flieg mit mir". Mein erster Gedanke: Aber ein Frosch kann doch gar nicht fliegen...? Ihn schert das aber nicht die Bohne! Er breitet die Flügel aus, macht "bschbschbsch" (oder wie ien Kind halt einen Propeller mit dem Mund imitiert) und fliegt in seinem Dinosaurierschlafanzug mit mir im Schlepptau durch die Wohnung bis zum Weihnachtsbaum, der dann plötzlich ein Planetenraumschiff ist, drumherum zu seinen Kuscheltiere und ist dann *zupp* ein Indianer. Er geht völlig in der Vorstellung auf, die Reale welt nimmt er nicht mal wahr!

Das Spiel: Immersion. Der Spielstand: Sohnemann 20, Papa 00!

Was ich damit sagen will: Der ganze Kladderadatsch an Regeln, die für Immersion helfen sollen ist im Endeffekt Mumpitz. Theaterstücke, Filme, Romane haben all das nicht. Ein gutes Theaterstück braucht weder Kostüme noch Kulisse, um einen in den Bann zu ziehen. Braucht man alles nicht. Gerade wir als Erwachsene mit RPG Hobby sollten lieber wieder über, uns fallenzulassen, dann wird das irgendwann vielleicht besser mit der Immersion und der Suspension of Disbelief (TM). Ich sage immer, für die Suspension of Disbelief braucht man erstmal die Intention to Belief. Der Rest kommt dann.


Das ist jetz natürlich völlig losgelöst von den anderen Aspekten eines Rollenspiels, dem Weltenbau als Gedankenexperiment, der Charaktersteigerung, dem Strategischen Vorgehen etc. All das macht Rollenspiel ja auch noch, und das soll es ja auch (ruhig) tun. Ich beziehe mcih nur auf die Immersion selbst, insofern sie denn von den Spielern/der Gruppe überhaupt als wichtiger Aspekt im RPG erachtet wird. Für mich persönlich ist sie der Kernpunkt udn der Grund, warum ich überhaupt RPGe. Aber wie das immer so ist: YMMV. Es geht mir nicht darum, anderen zu erzählen, wie man das Hobby richtig betreibt.
« Letzte Änderung: 30.12.2014 | 11:09 von HEXer »

Luxferre

  • Gast
Re: Ich bin immersionsimpotent
« Antwort #24 am: 30.12.2014 | 11:09 »
Schön auf den Punkt gebracht, HEXer/eldaen. Ich denke, Du hast hier einen wichtigen Teil des Großenganzen sehr gut und anschaulich auf den Punkt gebracht. Eigentlich würde ich Dir gern danken, wenn ich jetzt nicht so desillusioniert wäre ...