Das Jahr geht zuende, die nächste Rollenspielsitzung findet für mich erst wieder Anfang Januar statt. Der richtige Moment um mich an mein großartigstes Spielerlebnis 2015 zu erinnern (und euch davon zu erzählen):
Das war am 21. März - zur Cave-Con in Aschaffenburg. Ich hatte ein paar Wochen zuvor die norwegischen Minimalismus-Erzählrollenspiele kennengelernt, allen voran Itras By. Das war für mich völlig neu. Ich komme aus der Midgard-Ecke... und blinzelte irritiert mit den Augen, als ich statt dem Simulationsoverkill Midgard nun ein Spiel fast ohne Regeln in den Händen hielt. Und dann: Die wenigen Regeln, die es gab, waren nicht nur dafür vorgesehen, Entscheidungshilfen zu liefern, oft sorgten sie auch mit voller Absicht für Irritationen und Überraschungen im Spiel. Itras By schrieb sich den Surrealismus auf die Fahnen und ich erkannte die Attitüde: Form follows Function. Genau wie die Charaktere der Spieler, sollten auch die Spieler selbst bei der Anwendung der mickrigen Regeln eine erhöhte Chance bekommen, eine surrealistische Erfahrung zu machen. Da ich die Surrealisten schätze und auch relativ vielen avantgardistischen Kunstkonzepten etwas abgewinnen kann, war ich fasziniert. Allerdings wusste ich nicht, ob ich so etwas im Rollenspiel spielleiten kann. Immerhin war ich mutig genug es auszuprobieren. Ich schrieb ein einigermaßen konventionelles Abenteuer, fuhr damit auf eine Con und spielte mit vier äußerst sympathischen Damen eine Runde Itras By... und das Ergebnis hat mich völlig weggebeamt. Es war mein bestes Rollenspielerlebnis seit langer, langer Zeit. Zumindest zwei der vier Spielerinnen haben nicht nur super mitgemacht, nein, sie haben mir geradezu gezeigt, wie es aussehen kann, als Spieler an einem freien Erzählrollenspiel teilzunehmen. Und auch beim Ausspielen der NSC als Spielleiter bemerkte ich, dass sich etwas Entscheidendes verändert. Ich musste keine Regeln mehr beachten und hatte daher den Kopf frei für ganz andere Dinge: Phantasieen entwickeln, meinen Mitspielern zuhören, Alternativen überlegen. Das war fast wie eine Befreiung für mich.
Zumindest war es für mich in spielerischer Hinsicht ein Paradigmenwechsel. Ich war nach diesem Erlebnis völlig von den Socken. Die Art und Weise, auf die ich tendenziell seit 30 Jahren Rollenspiel betrieben hatte, kam mir plötzlich schwerfällig und streckenweise überflüssig vor. Ich setzte mich nach dem Abend ins Auto, wusste, dass ich diese Art des Spielens nicht mehr missen möchte und begann zu singen...