Autor Thema: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig  (Gelesen 11135 mal)

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Ucalegon

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #25 am: 12.01.2015 | 14:24 »
Bei den Abenteuern ist es oft so, das Kult X die Welt bedroht weil er Großen Alten Y beschwört, und die SC müssen die Welt retten. Ist für mich Pulp.

Ich würde so ein setup nicht unbedingt nur unter pulp einsortieren. Das Delta Green Setting ist z.B. ähnlich orientiert im Hinblick auf ein (oft bewaffnetes) Zurückschlagen des Mythos und gleichzeitig sehr düster und nüchtern. Ich finde die Definition in Trail of Cthulhu ganz gut, wo gesagt wird, dass viele gute Lovecraft Geschichten beide Elemente verbinden.

Reinen Pulp mit noblen Henry Armitage-style Held(inn)en finde ich jetzt auch nicht so interessant, um mal wieder zum Thema zurückzukommen. Gerade weil ich für mich die Idee des Mythos dem Modell des "Helden" oder der "Heldin" als Umwandlung einer Person in ein Vehikel für eine bestimmte Ideologie widerspricht.

User6097

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #26 am: 12.01.2015 | 15:01 »
Kann man so sagen. Was meinst du denn mit "Modell des "Helden" oder der "Heldin" als Umwandlung einer Person in ein Vehikel für eine bestimmte Ideologie"??

Offline Grey

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #27 am: 12.01.2015 | 15:12 »
@Ucalegon: Das würde mich auch interssieren, vor allem die Frage: Was für eine Ideologie meinst du?
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Offline Slayn

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #28 am: 12.01.2015 | 15:31 »
Gerade weil ich für mich die Idee des Mythos dem Modell des "Helden" oder der "Heldin" als Umwandlung einer Person in ein Vehikel für eine bestimmte Ideologie widerspricht.

Die ganze Situation stellt halt unsere meist recht einfache Gut-Böse-Definition von Helden stark in frage (Danke, Hollywood!)
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Ucalegon

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #29 am: 12.01.2015 | 15:59 »
Wenn man Heldinnen und Helden als kulturelle Konstrukte versteht, die Einzelnen oder einer Gesellschaft als Leitbilder dienen, dann sind sie Ideologieträger. Ob das nun der Kriegsheld, der Held der Arbeit oder die Heldin des Alltags ist, spielt nur innerhalb des jeweiligen kulturellen Kontexts eine Rolle. Mit der Umwandlung in ein Vehikel meinte ich, dass die Konstruktion Individuum zugunsten der Konstruktion Held/Heldin aufgegeben wird.

Da der Mythos, so wie ich ihn verstehe, für die Bedeutungslosigkeit des Menschen und der von ihm geschaffenen Kultur steht, muss man als Autor(in)/SL/Spieler(in) die Frage beantworten, welche Rolle die Konstruktion Heldentum da zu spielen hat.

Kann man dann überhaupt noch ganz unironisch und ernst von Heldentum sprechen?

@Slayn: Genau. Deswegen halte ich z.B. The Dunwich Horror für keine besonders gelungene Geschichte.

Offline Grey

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #30 am: 12.01.2015 | 16:48 »
@Ucelagon: Ich glaube, da sollten wir die beiden verwandten (aber nicht identischen) Konstrukte "Als Held konzipiert sein" und "Hinterher als Held dastehen" erst mal sauber trennen.

Ich gebe dir Recht: Wenn es darum geht, in einem kulturellen/genrebedingten Kontext a priori "als Held konzipiert zu sein", muß natürlich auch definiert sein, was das ist -- ein Held. Je nach Definition kommt da natürlich gerade im Cthulhu-Mythos, in dem jedes Opfer höher als erwartet ausfällt, jede Mühe am Ende vergeblich ist, kein Sieg endgültig bleibt etc. leicht eine gewisse Ironie mit rein.

Wenn es aber nur darum geht, zunächst einmal unvoreingenommen das Verhalten von Charakteren in Extremsituationen auszutesten; und wenn dann in der Nachbeurteilung herauskommt, daß da jemand selbstlos/idealistisch sein Leben, seine Gesundheit o.ä. aufs Spiel gesetzt hat, dann ist immer noch jeder Beobachter frei, den Begriff "Held" nach eigenem Verständnis anzuwenden. Und da sehe ich keine Zwangsläufigkeit -- auch nicht im Rahmen des Cthulhu-Genres --, derzufolge der Begriff ironisch belegt wäre.

Um dem Ganzen Fleisch auf die Rippen zu geben: Wer bei CoC aus der Situation heraus sich selbst opfert, so daß ein paar Unschuldige davonkommen und friedlich ihre natürliche Lebensspanne zuende führen können, wäre für mich eindeutig ein Held, ganz ohne ironischen Beiklang; und unabhängig davon, ob das den Weltuntergang auch nur nach hinten verschiebt.
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Ucalegon

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #31 am: 12.01.2015 | 18:03 »
@Ucelagon: Ich glaube, da sollten wir die beiden verwandten (aber nicht identischen) Konstrukte "Als Held konzipiert sein" und "Hinterher als Held dastehen" erst mal sauber trennen.

Ich gebe dir Recht: Wenn es darum geht, in einem kulturellen/genrebedingten Kontext a priori "als Held konzipiert zu sein", muß natürlich auch definiert sein, was das ist -- ein Held. Je nach Definition kommt da natürlich gerade im Cthulhu-Mythos, in dem jedes Opfer höher als erwartet ausfällt, jede Mühe am Ende vergeblich ist, kein Sieg endgültig bleibt etc. leicht eine gewisse Ironie mit rein.

Wenn es aber nur darum geht, zunächst einmal unvoreingenommen das Verhalten von Charakteren in Extremsituationen auszutesten; und wenn dann in der Nachbeurteilung herauskommt, daß da jemand selbstlos/idealistisch sein Leben, seine Gesundheit o.ä. aufs Spiel gesetzt hat, dann ist immer noch jeder Beobachter frei, den Begriff "Held" nach eigenem Verständnis anzuwenden. Und da sehe ich keine Zwangsläufigkeit -- auch nicht im Rahmen des Cthulhu-Genres --, derzufolge der Begriff ironisch belegt wäre.

Ich verstehe, glaube ich, worauf es dir ankommt. Allerdings sehe ich nicht, wo es einen Unterschied zwischen deinen beiden Bildern gibt. Natürlich ist jeder Beobachter (beim Rollenspiel normalerweise nur die Beteiligten) auch in CoC frei, ein selbstloses Opfer als Heldentum zu verstehen. Genauso möglich sind alle anderen vorstellbaren Formen Heldentum zu verstehen. Krass gesprochen wäre z.B. auch ein !realer! Befürworter von Selbstjustiz in CoC frei, seinen Delta Green Agenten, der auf Verdacht hin einen Kultisten erschießt, als Helden zu verstehen.

Worauf ich hinaus wollte ist die Überlegung, welche Rolle Heldentum (wie auch immer verstanden) innerhalb der Themenschwerpunkte, Philosophie und Ästhetik des Cthulhu-Mythos spielen kann, ohne dass es zu einem Bruch mit bestimmten Erwartungen kommt. Die Frage, die man sich also stellen muss, vor allem als Autor(in) oder SL, letztlich aber auch als Spieler(in) ist doch: Könnte diese Session/Story in einer cosmic horror/Mythos-short story stehen, die mir gefällt. Ich persönlich tue mich schwer, Geschichten, die in diese Richtung gehen (siehe Dunwich Horror) als echten cosmic horror zu mögen.

Anderes Beispiel: Ich leite zZ The One Ring, da erwarten ich und das System von meinen Mitspieler(inne)n, dass sie deine weiter unten genannte Definition von Heldentum für ihre Charaktere annehmen, weil genau das Tolkiens Konzeption von Heldentum ist. Natürlich könnte ich damit absichtlich brechen oder Elemente einbauen, die nahelegen, die Charaktere zum Schluss nicht als ebensolche Heldinnen und Helden zu sehen, aber vielen würde das vermutlich nicht gefallen, weil es sich dann nicht mehr authentisch anfühlt.

Um dem Ganzen Fleisch auf die Rippen zu geben: Wer bei CoC aus der Situation heraus sich selbst opfert, so daß ein paar Unschuldige davonkommen und friedlich ihre natürliche Lebensspanne zuende führen können, wäre für mich eindeutig ein Held, ganz ohne ironischen Beiklang; und unabhängig davon, ob das den Weltuntergang auch nur nach hinten verschiebt.

Ich wäre wie gesagt nicht ganz zufrieden, wenn nach einer CoC Session vor allem das Bild der Charaktere als Held(inn)en nach deiner Definition in den Köpfen bleibt. Ich habe nichts gegen das Trope "heldenhaftes Opfer", aber ich möchte in einer cosmic horror Session Elemente, die das dekonstruieren/entwerten/in Frage stellen.

Beispiel:
Wir hatten kürzlich eine schöne Szene in einem Delta Green one shot, bei der sich eine EPA Agentin im grande finale entschied, statt zu fliehen, nochmal an den Ort des Geschehens zurückzukehren und die letzte Infizierte, eine weitestgehend wehrlose, alte Frau, zu beseitigen. Sie wurde danach verhaftet und wird als Terroristin lebenslang eingesperrt bleiben bzw. die Todestrafe erhalten. Heldenhaft? Vielleicht. Die letzte Szene des Szenarios war dann, wie andere Delta Green Agenten die freundliche und dienstbeflissene Fahrerin der Gruppe als unbeteiligte Zeugin exekutierten. Und das alles für einen aussichtslosen Kampf gegen den Mythos im Rahmen einer Organisation, die fast schon einer Terrorgruppe ähnelt?

Oder nimm No Security, eine Szenariosammlung während der Great Depression. Wie soll man Heldentum im Kampf gegen den Mythos interpretieren, wenn die Leute um die SCs herum nicht durch irgendwelche Monster, sondern an Hunger oder rassistische Gewalttaten usw. sterben?

Oder wenn es die SCs waren, die den Horror erst entfesselt haben. Oder man SS-Leute o.Ä. spielt oder oder oder...

Und in den wirklich guten, puristischen Szenarios (nochmals: Final Revelation  :d) wird Heldentum zusammen mit allen anderen Formen von Sinn und Bedeutung einfach negiert.

Damit ich nicht für einen Vertreter der no fun allowed Fraktion gehalten werde: Für das Rollenspiel Cthulhu sind ohnehin Witz und Komik meistens viel entscheidender als dieser oder jener (Nicht-)Pathos, zumindest was den Spielspaß angeht. Irgendwie ist es nämlich doch lustiger, kollaborativer SC-Suizid, wie ich es sinngemäß irgendwo gelesen habe.  ~;D



« Letzte Änderung: 12.01.2015 | 18:18 von Ucalegon »

User6097

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #32 am: 12.01.2015 | 18:21 »
Bei dir würde ich gern mal mitspielen.

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #33 am: 12.01.2015 | 19:31 »
@Ucelagon: Ich glaube, da sollten wir die beiden verwandten (aber nicht identischen) Konstrukte "Als Held konzipiert sein" und "Hinterher als Held dastehen" erst mal sauber trennen.

Ich gebe dir Recht: Wenn es darum geht, in einem kulturellen/genrebedingten Kontext a priori "als Held konzipiert zu sein", muß natürlich auch definiert sein, was das ist -- ein Held. Je nach Definition kommt da natürlich gerade im Cthulhu-Mythos, in dem jedes Opfer höher als erwartet ausfällt, jede Mühe am Ende vergeblich ist, kein Sieg endgültig bleibt etc. leicht eine gewisse Ironie mit rein.

Wenn es aber nur darum geht, zunächst einmal unvoreingenommen das Verhalten von Charakteren in Extremsituationen auszutesten; und wenn dann in der Nachbeurteilung herauskommt, daß da jemand selbstlos/idealistisch sein Leben, seine Gesundheit o.ä. aufs Spiel gesetzt hat, dann ist immer noch jeder Beobachter frei, den Begriff "Held" nach eigenem Verständnis anzuwenden. Und da sehe ich keine Zwangsläufigkeit -- auch nicht im Rahmen des Cthulhu-Genres --, derzufolge der Begriff ironisch belegt wäre.

Um dem Ganzen Fleisch auf die Rippen zu geben: Wer bei CoC aus der Situation heraus sich selbst opfert, so daß ein paar Unschuldige davonkommen und friedlich ihre natürliche Lebensspanne zuende führen können, wäre für mich eindeutig ein Held, ganz ohne ironischen Beiklang; und unabhängig davon, ob das den Weltuntergang auch nur nach hinten verschiebt.

Jetzt kommt es darauf an wie tief wir in die ursprüngliche Vorlage rein gehen und ob wir die Motivation des Protagonisten selbst bewerten oder ob wir geneigt sind die Situation so wie sie ist als Sachverhalt zu nehmen und jedwede weitere Wertung sein lassen.

Mir ekelt ein wenig, wenn ich das schreibe, aber ein Charakter der sich stark gegen den Mythos stemmt, weil er extrem für eine Menschen-gemachte Sache eintritt, dessen Handlungen haben in dem Kontext mehr Gewicht als die Handlungen von jemanden der sich für etwas naturgegebenes einsetzt oder der einfach nur dagegen angeht.
Also haben die Handlungen eins latenten "Old Boys" Rassisten, eines religiösen Fanatiker oder meinetwegen eines Nazis mit dem Mythos als Hintergrund weitaus mehr Gewicht, da sie nicht nur gegen den Mythos gehen sondern auch eine rein durch Menschenhand geschaffene Sache/Ideologie verteidigen.

Würden wir dafür mal ein Szenario richtig passend aufziehen, müssten wir uns vom CoC-Standard "ein paar Unschuldige verschlägt es in den Mythos" verabschieden und zielgerichteter vorgehen, etwa indem man  im Süden von Amerika ein paar Rednecks spielt und der Kult aus diskriminierten Schwarzen besteht, die sich mit Hilfe des Mythos die Freiheit erzwingen wollen.
Helden? Im Kontext: Ja.... Aber erst in so einem Szenario kommen wir an die Doppelbedeutung des Mythos ran, also die Zerstörung eines als "gut" angesehenen Way of Life.

[Nachtrag] Bevor das jetzt jemand in den falschen Hals bekommt: Es geht mir dabei um von Menschen gemachte Dinge. "Freiheit" oder "Partnerschaft" sind natürliche Dinge. "Strukturen", "Recht & Ordnung" aber auch "Diskriminierung" sind von Menschen gemachte Dinge. Und genau gegen diese richtet sich ja der Mythos.
« Letzte Änderung: 12.01.2015 | 19:48 von Slayn »
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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #34 am: 12.01.2015 | 20:01 »
Beispiel:
Wir hatten kürzlich eine schöne Szene in einem Delta Green one shot, bei der sich eine EPA Agentin im grande finale entschied, statt zu fliehen, nochmal an den Ort des Geschehens zurückzukehren und die letzte Infizierte, eine weitestgehend wehrlose, alte Frau, zu beseitigen. Sie wurde danach verhaftet und wird als Terroristin lebenslang eingesperrt bleiben bzw. die Todestrafe erhalten. Heldenhaft? Vielleicht. Die letzte Szene des Szenarios war dann, wie andere Delta Green Agenten die freundliche und dienstbeflissene Fahrerin der Gruppe als unbeteiligte Zeugin exekutierten. Und das alles für einen aussichtslosen Kampf gegen den Mythos im Rahmen einer Organisation, die fast schon einer Terrorgruppe ähnelt?

Oder nimm No Security, eine Szenariosammlung während der Great Depression. Wie soll man Heldentum im Kampf gegen den Mythos interpretieren, wenn die Leute um die SCs herum nicht durch irgendwelche Monster, sondern an Hunger oder rassistische Gewalttaten usw. sterben?

Oder wenn es die SCs waren, die den Horror erst entfesselt haben. Oder man SS-Leute o.Ä. spielt oder oder oder...

Und in den wirklich guten, puristischen Szenarios (nochmals: Final Revelation  :d) wird Heldentum zusammen mit allen anderen Formen von Sinn und Bedeutung einfach negiert.

Man kann da aus dem WH40K Dark Heresy RSP extrem viel lernen und mitnehmen, da die Dinge dort klarer definiert sind. Dort gibt es ja eine recht gerade heraus gehaltene Aussage darüber, was dem Chaos dienlich ist und was dagegen getan werden kann. Auf der Liste stehen auch etliche Dinge, die wir kulturell als "gut" oder "schlecht" definieren und die für uns, mit dem kulturellen Background, den Unterschied zwischen Helden und Tätern ausmacht. Als psychisch normaler Mensch kann man das Setting nur mit viel Humor genießen, anders schafft man es nicht die gesetzten Vorlagen auch durchzuziehen.
« Letzte Änderung: 12.01.2015 | 20:03 von Slayn »
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Ucalegon

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #35 am: 12.01.2015 | 20:12 »
Mir ekelt ein wenig, wenn ich das schreibe, aber ein Charakter der sich stark gegen den Mythos stemmt, weil er extrem für eine Menschen-gemachte Sache eintritt, dessen Handlungen haben in dem Kontext mehr Gewicht als die Handlungen von jemanden der sich für etwas naturgegebenes einsetzt oder der einfach nur dagegen angeht.
Also haben die Handlungen eins latenten "Old Boys" Rassisten, eines religiösen Fanatiker oder meinetwegen eines Nazis mit dem Mythos als Hintergrund weitaus mehr Gewicht, da sie nicht nur gegen den Mythos gehen sondern auch eine rein durch Menschenhand geschaffene Sache/Ideologie verteidigen.

Mich würde interessieren, woher du das nimmst?

Mit Lovecraft wäre es (wenn man seinen Rassismus nicht reproduzieren will) aus der Außenperspektive doch vollkommen egal, welche Ideologie jemand vertritt. Dass die Menschheit und ihre Kultur vergänglich und im Angesicht des indifferenten Kosmos unbedeutend sind, ist doch gerade sein cosmic horror.

Als Innenansicht und Meinung einer Person, die dem Mythos begegnet ist, finde ich die Folgerung, dass man jetzt erst recht alles Menschengemachte verteidigen müsse, zwar nachvollziehbar, aber da gilt wieder, dass das für mich eigentlich nicht mehr genretypisch ist, sondern gewissermaßen die Umkehrung davon oder zumindest eine Geschichte von verzweifeltem Widerstand. Denn wer wirklich und wahrhaftig erkannt hat, dass er nichts ändern kann am Schicksal des kleinen unbedeutenden Staubkorns Erde, der würde jeden Widerstand sofort aufgeben und sehr wahrscheinlich wahnsinnig werden. So zumindest lese ich Lovecraft.
« Letzte Änderung: 12.01.2015 | 20:49 von Ucalegon »

Ucalegon

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #36 am: 12.01.2015 | 20:59 »
Bei dir würde ich gern mal mitspielen.

Je nachdem, wie weit weg vom Rhein-Neckar-Kreis du wohnst, wird das wahrscheinlich schwierig;-)

Offline Slayn

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #37 am: 12.01.2015 | 21:02 »
Mich würde interessieren, woher du das nimmst?

Das Lovecraft-Essay von Houellebecq ist da eine sehr zufriedenstellende Quelle. Hier wird Lovecraft und seine Motivationen/Ängste recht gut beleuchtet.

Mit Lovecraft wäre es (wenn man seinen Rassismus nicht reproduzieren will) aus der Außenperspektive doch vollkommen egal, welche Ideologie jemand vertritt. Dass die Menschheit und ihre Kultur vergänglich und im Angesicht des indifferenten Kosmos unbedeutend sind, ist doch gerade sein cosmic horror.

Als Innenansicht und Meinung einer Person, der dem Mythos begegnet ist, finde ich die Folgerung, dass man jetzt erst recht alles Menschengemachte verteidigen müsse, zwar nachvollziehbar, aber da gilt wieder, dass das für mich eigentlich nicht mehr genretypisch ist, sondern gewissermaßen die Umkehrung davon oder zumindest eine Geschichte von verzweifeltem Widerstand.

Schau mal, hinter den Kulissen geschieht etwas seltsames, das man mal genauer betrachten sollte. Die Völker, die dem Mythos anheim gefallen sind, sind ja nicht untergegangen oder wurden vernichtet, sie haben "nur" das Wertesystem angenommen und sind somit selbst zu Mythos-Wesen geworden (Dienerrassen). Es ist ja genau dieser Wechsel des Wertesystems, von etwas eigenen hin zu etwas fremden, das für Lovecraft den ganzen Horror ausgemacht hat.
Recht einfach betrachtet müsste man sich jetzt anschauen welche Dinge wir in unserem jeweils kulturell geprägten Wertesystem wir als "gut" erachten und dann mal nachsehen welche davon Deckungsgleich mit dem Mythos-Wertesystem sind.
Nach Lovecraft müsste man dann also verrückt werden, wenn man feststellt das man etwas für "gut" hält,. das den eigenen Untergang bewirken wird und für "schlecht" das den Untergang aufhalten könnte und ganz durchdrehen, wenn in einer Situation beides zutrift.
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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #38 am: 12.01.2015 | 21:40 »
Ich wäre wie gesagt nicht ganz zufrieden, wenn nach einer CoC Session vor allem das Bild der Charaktere als Held(inn)en nach deiner Definition in den Köpfen bleibt. Ich habe nichts gegen das Trope "heldenhaftes Opfer", aber ich möchte in einer cosmic horror Session Elemente, die das dekonstruieren/entwerten/in Frage stellen.
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Am stärksten nachklingen sollte bei CoC auf jeden Fall der Horror. Von den "Helden"vorstellungen paßt für mich am besten der tragische Held ins Setting. Wenn er nicht tragisch ist, ist CoC-spezifisch irgendwas schiefgelaufen.

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Sehr interessanter Ansatz! Das muß ich erst mal sacken lassen.
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Ucalegon

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #39 am: 12.01.2015 | 21:53 »
Schau mal, hinter den Kulissen geschieht etwas seltsames, das man mal genauer betrachten sollte. Die Völker, die dem Mythos anheim gefallen sind, sind ja nicht untergegangen oder wurden vernichtet, sie haben "nur" das Wertesystem angenommen und sind somit selbst zu Mythos-Wesen geworden (Dienerrassen). Es ist ja genau dieser Wechsel des Wertesystems, von etwas eigenen hin zu etwas fremden, das für Lovecraft den ganzen Horror ausgemacht hat.
Recht einfach betrachtet müsste man sich jetzt anschauen welche Dinge wir in unserem jeweils kulturell geprägten Wertesystem wir als "gut" erachten und dann mal nachsehen welche davon Deckungsgleich mit dem Mythos-Wertesystem sind.
Nach Lovecraft müsste man dann also verrückt werden, wenn man feststellt das man etwas für "gut" hält,. das den eigenen Untergang bewirken wird und für "schlecht" das den Untergang aufhalten könnte und ganz durchdrehen, wenn in einer Situation beides zutrift.

Das mit dem Wertesystem verstehe ich nicht. Ich würde aber grds. auch sagen, dass man darauf achten muss, Lovecrafts Xenophobie nicht zu reproduzieren, wenn es das ist, was du meinst.

Offline Sashael

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #40 am: 12.01.2015 | 21:56 »
Das Lovecraft-Essay von Houellebecq ist da eine sehr zufriedenstellende Quelle. Hier wird Lovecraft und seine Motivationen/Ängste recht gut beleuchtet.
Du meinst seine krasse Aversion gegen Frutti di Mare?  ;D

Von den "Helden"vorstellungen paßt für mich am besten der tragische Held ins Setting. Wenn er nicht tragisch ist, ist CoC-spezifisch irgendwas schiefgelaufen.
Ausser beim Grauen von Dunwich. Da waren die Protagonisten ziemlich erfolgreich und heldenhaft. ;D
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Offline Slayn

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #41 am: 12.01.2015 | 22:13 »
Das mit dem Wertesystem verstehe ich nicht. Ich würde aber grds. auch sagen, dass man darauf achten muss, Lovecrafts Xenophobie nicht zu reproduzieren, wenn es das ist, was du meinst.

Seine Xenophobie ist nur ein Symptom davon.

Lovecraft hatte extreme Angst vor Veränderungen und dem Unbekannten. Er glorifiziert das "Gestern", verteufelt das "Vorgestern", finde das "Heute" erschreckend und hat schiss vor "Morgen", einfach weil die Dinge nicht gleich bleiben und man oft auch nur schwer versteht, wie es zum jetzigen Zustand gekommen ist.
Nimm "Amerikanische Ureinwohner" (aka Indianer) als Beispiel: Er versteht ihr Wertesystem und ihren Way of Life nicht, also müssen sie schlecht sein. (Böse alte Mythos-Kultisten!)
Er hat ja viel die Medien seiner Zeit konsumiert und fand den Social Impact von Neuerungen auf unser Wertesystem, insbes durch Wissenschaft, erschreckend und sah seinen Way of Life gefährdet, also muss das alles schlecht sein. (Böse neue Mythos-Kultisten!)

Wenn sich also CoC-Helden nach lovecraftscher Facon etwas auf die Fahne schreiben können, dann "Ritter des Status Quo!".

zwei Beispiele, unterschiedliche Herangehensweise:
- Die Hippiebewegung vertritt ein anderes Wertesystem als es im Status Quo üblich ist. Wenn die Bewegung erfolg hat, verändert sich der Status Quo und wir wissen nicht wohin das führen wird. Die Hippiebewegung ist daher Böse (Mythos Kultisten Alarm!) und jeder, der sie aufhält, ist demnach ein Held.
- Rassendiskriminierung ist Teil das Status Quo. Sie abzuschaffen hat unvorhersehbare Folgen. Wie würde das die Gesellschaft beeinflussen, wo kämen wir da hin? Plötzlich hätten Minderwertige (Mythos Kultisten Alarm!) ja ein Stimmrecht! Wer die Rassendiskriminierung also unterstützt, ist ein Held.
« Letzte Änderung: 12.01.2015 | 22:27 von Slayn »
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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #42 am: 13.01.2015 | 07:05 »
Hmm das finde ich zwar relativ weit hergeholt, aber gut.

Ein Held für Lovecraft wäre also ein Konservativer, der die Hippies verknackt, die Indianer in Reservate sperrt und technische Neuerungen blockiert? So eine Art Freimaurer-CDU Verschnitt?   

ALso ich kann mich mit der Idee das der Mythos für das menschliche Fremde steht nicht so recht anfreunden. Der Mythos ist das unmenschliche Fremde, das wird immer so gesagt und ich sehe ehrlich gesagt keinen Grund, das anzuweifeln.

Ich meine man kann ja Angst haben vor Fremden, oder vor technischen Neuerungen, Vernderung und das kann man sicher auch im Sinne der Erzeugung von Horror übersteigern, nur seh ich das bei Lovecraft halt nicht.
« Letzte Änderung: 13.01.2015 | 07:15 von User6097 »

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #43 am: 13.01.2015 | 09:45 »
Wenn sich also CoC-Helden nach lovecraftscher Facon etwas auf die Fahne schreiben können, dann "Ritter des Status Quo!".

zwei Beispiele, unterschiedliche Herangehensweise:
- Die Hippiebewegung vertritt ein anderes Wertesystem als es im Status Quo üblich ist. Wenn die Bewegung erfolg hat, verändert sich der Status Quo und wir wissen nicht wohin das führen wird. Die Hippiebewegung ist daher Böse (Mythos Kultisten Alarm!) und jeder, der sie aufhält, ist demnach ein Held.
- Rassendiskriminierung ist Teil das Status Quo. Sie abzuschaffen hat unvorhersehbare Folgen. Wie würde das die Gesellschaft beeinflussen, wo kämen wir da hin? Plötzlich hätten Minderwertige (Mythos Kultisten Alarm!) ja ein Stimmrecht! Wer die Rassendiskriminierung also unterstützt, ist ein Held.

Bei CoC spielt man ja nicht in der Welt von Lovecrafts persönlichen Ansichten und Vorlieben, sondern in der Welt seiner Mythos-Geschichten. Und da geht es um Ghule unter den Bodendielen, mathematische Raumzeit-Hexen und böse Götter, deren schiere Existenz das Leben auf unserem Planeten bedroht. Angesichts dieser Probleme ist es irrelevant, ob ich den ganzen Tag Hippies erschieße und Leute diskriminiere oder ob ich jointrauchend am Friedensnobelpreis für Völkerverständigung arbeite.

Und die paar Hauptfiguren aus den Geschichten, die nicht nur passive Zeugen, Opfer, Überlebende oder Chronisten sind (Armitage, Willet, Dyer, Carter) erscheinen mir eher als rechtschaffene, fortschrittliche, mutige Personen und nicht als reaktionäre Paladine des Status Quo.

Ucalegon

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #44 am: 13.01.2015 | 15:56 »
Bei CoC spielt man ja nicht in der Welt von Lovecrafts persönlichen Ansichten und Vorlieben, sondern in der Welt seiner Mythos-Geschichten.

Ich würde Slayn zustimmen, dass man das nicht so einfach trennen kann. Mittlerweile habe ich glaube ich auch verstanden, was mit dem Wertesystem des Mythos gemeint ist.

Dieses Review drückt das imho ganz gut aus:

Zitat
But again, though, we're running into the problem inherent in the difference between the Mythos that Lovecraft presented and people's interpretations of same. Lovecraft's vision of the Mythos is infinitely flexible, but the man was a huge racist bastard xenophobe crybaby when it came to anything that wasn't purest white and/or antique. What he saw as virtues, we see - rightly - as character defects; like I said above, Lovecraft's vision for the end of the human race is probably very much like our society today. Seeing a ghoul cult promote liberalization so as to come closer to Lovecraft's vision is....I don't want to say jarring, but it makes it clear that we've come a long way since the 1920's. To bring the human race closer to the Great Old Ones, the Cult of Transcendence promotes hate, fear, greed and sexual liberation - Lovecraft espoused two of those, probably had no strong opinions about greed and was notorious for being a very anti-sexual creature.

In other words, I'm not sure that it's possible to resolve the fundamental problem of Lovecraft's view of the end of the world with a modern-day game, unless you want to write a new role-playing game called That Awful Negro in which the bottoming-out of your sanity automatically coincides with your purchase of The Message, by Grandmaster Flash and the Furious Five. (Can you tell that I don't know much about hip-hop? I think that you can.) If you're going to suggest an ending for humanity, you're going to have to identify the values that will bring it to an end, and explain how those values clash with the existing values of today - or explain how our own values might be twisted to a bad end. Otherwise, it's hard to explain why the bad guys are bad.

Ich bin also gezwungen, die Frage zu beantworten, vor wem oder was sich mein Lesepublikum/meine Spieler(innen) beim Untergang der Menschheit eigentlich konkret fürchten soll.

Im Falle von Delta Green (das ich hier als bestes "modernes" Cthulhu Setting immer wieder bemühe) sind z.B. Verschwörungstheorien bzw. die Angst vor einer gezielten Verbreitung solcher in einer globalisierten, medialen, urbanisierten und gerade in ihrer engen Vernetztheit wieder stark vereinzelten Welt das Element, vor dem man sich fürchten muss, weil sie ein Vehikel für den Mythos darstellen. Im Gegensatz zu Lovecrafts plumper Xenophobie ist das ziemlich intelligent formulierte Gesellschaftskritik und gleichzeitig durchaus noch ein Horror-Setting, das aus den fantastischeren Elementen von Lovecraft schöpft, die Scimi zurecht als solche verstanden wissen will.

Wie man problembewusst mit dem System Mythos umgehen kann, zeigt Scott Glancy auch im Hinblick auf ein post 9/11 Delta Green:

Zitat
My immediate impulse is not to inject the Mythos into Al-Qaeda. If the Mythos is behind every human atrocity and violent philosophy on the planet, the Great Old Ones are not going to remain secret for very long. Not to mention that such ubiquity will leave the Mythos a bit trite. The world of Delta Green would start looking like White Wolf’s World of Darkness, where there’s a supernatural force behind every historical event from the Great Flood to Hurricane Katrina. That can get a bit cluttered.
[...]
Today, thanks to Al-Qaeda, what scares Americans is Islam, not just Islamic terrorists, but the entire faith of Islam. Many Americans are flat out scared of Islam. I have no doubt that Lovecraft would have mined that vein of xenophobia for all the pulp horror scares he could. He’d have found a way to introduce some swarthy, lean Egyptian man into Bin Laden’s circle of advisors: another Mask of Nyarlathotep to whisper dreams of power in the ears of desperate men. It is that desperation that makes Al-Qaeda an attractive target for Mythos infiltration.

Aber ich würde immer noch einwenden, dass das nur da gilt, wo der Mythos auch tatsächlich mit der Frage nach dem Verfall der Zivilisation und der Zerstörung/Ersetzung bestimmter Werte zusammenhängt.

 :btt:

Deswegen muss man sich eben fragen, wie man die uralte und allzu menschliche Idee des Heldentums mit dem cosmic horror verbinden will, der - als philosophische Angst - die Menschheit als Ganzes mit ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit in einem kalten, gottlosen, indifferenten Universum konfrontiert. Und das ist zunächst keine Angst vor dem Fremden, sondern die Angst vor Sinnverlust und Nicht-Existenz.



User6097

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #45 am: 13.01.2015 | 16:47 »
Hmm soweit ich das verstehe, gibt es da zwei Ansätze.

Der Mythos als Bedrohung von Werten durch anderen (Un-)Werte. Oder der Mythos als Nihilierung jeglicher Art menschlicher Werte. 

Die Frage nach Helden ist wahrscheinlich nur sinnvoll, wenn man dem ersten Ansatz folgt. Der Held definert sich immer über die Werte, die er vertritt. Der zweite Ansatz stellt den Begriff des Helden selbst in Frage und macht ihn sinnfrei.

Offline Slayn

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #46 am: 13.01.2015 | 17:42 »
@Ucalegon:

Schöner Beitrag. Die beiden Zitate bringen es sehr gut auf den Punkt.

@User6097:

Oder man sieht beide Werte nahtlos miteinander verknüpft. Das eine führt direkt zum andere. Nach dem Motto: "Menschlicher Wert 1" ist diametral "Menschlicher Wert 2" entgegengesetzt und wird dann zur Auslöschung des Wertesystems führen.
Substituieren wir "Freiheit" und "Recht & Ordnung", führt über "Anarchie" zur Auslöschung.

Der Mythos-Effekt, der eben dann an die geistige Stabilität geht, ist ja die Unvereinbarkeit damit "Freiheit" als etwas schlechtes zu sehen, das uns später schaden wird.

So oder so, bei beiden genannten Sachen kann der Held für und/oder gegen etwas stehen.
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Offline Scimi

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #47 am: 14.01.2015 | 10:30 »
Das wird meiner Meinung nach jetzt aber eher eine Literaturdiskussion. Ich bin wahrscheinlich nicht die einzige Person, die über das Cthulhu-Rollenspiel zum Mythos gekommen ist. Und beim Lesen des Grundregelwerks hatte ich damals nicht den besonderen Eindruck, dass es sich bei dem Spiel um Rassismus und Angst vor Neuerungen dreht.
Das Rollenspiel hat sich die Tentakel genommen, den Wahnsinn, die monströsen Wesen und die finsteren Kultisten und damit ein Setting gestrickt. Der reaktionäre Nerd aus Neuengland kommt darin nicht vor.

Bei CoC geht es um das Horror-Genre. Das bedeutet monströse und übermächtige Gegner, die nicht dazu da sind, besiegt zu werden. Das bedeutet normale Menschen (mit zugegebenermaßen abenteuerlich-romantischen Berufen) als Charaktere, denen schlimme Dinge passieren. Das bedeutet Szenarien mit schlechten Aussichten für die Hauptfiguren, bei denen Erfolg oft bedeutet, dass man mit dem nackten Leben entkommen ist. Bei Horror erwarte ich, dass eine Geschichte trotz (oder wegen) aller Bemühungen der Charaktere schlecht ausgeht.
Andererseits handelt es sich natürlich um ein Rollenspiel, in dem die Spieler innerhalb des Rahmens, den Regeln, Thema und Szenarien vorgeben selbst entscheiden, wie die Handlung verläuft.

Meiner Ansicht nach sollte bei der Frage "Helden bei CoC?" eher die Frage "Helden im Horror-Genre?" diskutiert werden, als "Was wenn H.P.s persönliche verkorkste Ansichten ein Rollenspielcharakter wären?".

User6097

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #48 am: 14.01.2015 | 12:02 »
@Ucalegon:

Schöner Beitrag. Die beiden Zitate bringen es sehr gut auf den Punkt.
Oder man sieht beide Werte nahtlos miteinander verknüpft. Das eine führt direkt zum andere. Nach dem Motto: "Menschlicher Wert 1" ist diametral "Menschlicher Wert 2" entgegengesetzt und wird dann zur Auslöschung des Wertesystems führen.
Substituieren wir "Freiheit" und "Recht & Ordnung", führt über "Anarchie" zur Auslöschung.

Könnte man so sehen, ich würde da aber einen Unterschied machen. Wenn ein Wert durch einen anderen bedroht und am Ende dadurch alle Werte ausgelöscht werden, ist das eine Erfahrung, wie sie im normalen menschlichen Erfahrungsspektrum liegt. Daraus könnte dann tatsächlich Wahnsinn entstehen, in der Realität wie auch bei CoC.

Der mythos verkörpert allerdings eine andere nichtmenschliche Realität. Eine Realität, in der Werte überhaut keine Bedeutung haben, inder dieser begriff gar keinen Sinn gibt. Das ist eine Erfahrung, die man so in der Realität wohl nicht manchen kann. Zumindest wenn man davon ausgeht, das die Realität dem Menschen nicht grundlegend fremd ist, wie es der Mythos postuliert.

Anders gesagt, ich denke der mythos definiert sich über die Auseinandersetzung mit etwas so komplett Fremden, das es gar nicht mehr um Werte geht, sondern um ein Konzept, das durch seine grundlegende Andersartigkeit und völlige Unverständlichkeit quasi so antagonistisch zu allem Menschlichen ist, das es in den Wahnsinn führt.

Dadurch wird dann auch der begriff des Helden unbedeutend. Im Spiel kann man das nur durch Auslassung darstellen, wie es Lovecraft auch gemacht hat, also dieses fremdartige immer nur andeuten, aber nie direkt damit konfrontieren.

Ich würde ja beide Ansätze kombinieren, also sowohl die Auseinandersetung mit menschlichen Werten wie auch die Konfrontation mit dem absolut Unbegreiflichen einfließen lassen.   

@Scimi:
 Ich würde CoC nicht als klassischen Horror verstehen. Man kann es gut so spielen, aber tatsöchlich ist der Mythos oft nicht wirklich unheimlich und Lovecrafts Geschichten sind auch eigentlich keine richtigen Horrorgeschichten, d.h. man gruselt sich oft nicht. 
« Letzte Änderung: 14.01.2015 | 12:03 von User6097 »

Offline Scimi

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Re: Helden bei CoC; war: Ich bin merkwürdig
« Antwort #49 am: 14.01.2015 | 13:12 »
@Scimi:
 Ich würde CoC nicht als klassischen Horror verstehen. Man kann es gut so spielen, aber tatsöchlich ist der Mythos oft nicht wirklich unheimlich und Lovecrafts Geschichten sind auch eigentlich keine richtigen Horrorgeschichten, d.h. man gruselt sich oft nicht.

Das halte ich für eine ziemlich steile These. Immerhin gilt Lovecraft als einer der Vorreiter des Genres und hat zahlreiche Horrofilme, -bücher und -computerspiele inspiriert. Und ob man sich gruselt oder etwas unheimlich findet, ist ja eher subjektiv, ich denke, da gibt es bessere Merkmale, um Horror einzugrenzen.