Der zentrale Unterschied zwischen Computerspielmechanics und Rollenspielregeln ist, das erstere nicht verbal vermittelt werden müssen. Mario kann nicht nach links laufen. Genauso wie der Tennisball nun mal im Netz hängen bleibt, wenn man ihn nicht drüber schlägt.
Sorry, aber da muss ich dir widersprechen. Das was du ansprichst sind implizite wie explizite Mechaniken. Die gibt es in beiden fällen. Ein paar Beispiele für implizite Regeln im P&P:
- Auf dem Charakterbogen ist platz für 6 Attribute. Würde jemand auf die Idee kommen ein siebtes drunter zu schreiben.
- Der SL beschreibt wie die Gruppe auf ein Haus trifft mit zwei Fenstern und einer Tür in der Mitte. Ein Spieler sagt: "Ich schaue ob die Tür verschlossen ist" Das Regelwerk thematisiert nirgendwo explizit Türen: das man sie öffnen oder schließen kann. Genausowenig, dass man Glasfenster einschlagen und Metalltüren nur schwer eintreten kann. Das Wissen wird aufgrund unserer Allgemeinbildung vorausgesetzt ist also eine implizite Mechanik.
- Ein neues Spiel wird ausprobiert und man trifft auf drei Trolle, die die Gruppe angreifen. Nach ein paar Runden merkt die Gruppe, dass ihre Waffen gegen die Panzerung der Trolle keinen Schaden anrichtet. Nirgendwo stand etwas darüber im Regelwerk. Aber der Designer hat die Waffen und Rüstungen so ausbalanciert, dass Anfängercharaktere gegen gewisse Gegner absolut keine Chancen haben. Implizite Regel eben.
Es kommt also nicht darauf an, ob etwas explizit oder implizit ist, ob man also eine Regel hat oder die Mechanik in den Formeln, Beschaffenheit der Materialien usw. enthalten sind. Sowohl im PC als auch im P&P tritt beides auf.
Im P&P ist man allerdings bei vielen Mechaniken sehr festgefahren. Jeder glaubt zum Beispiel zu wissen, was eine Probe ist, obwohl es einen riesigen Unterschied macht, ob ich bei gelungenem Wurf das Ergebnis erzählen darf, ob die Würfel den Grad meines Erfolgs angeben oder ob ich vorher meine Absicht erklären muss und das Würfelergebnis das dann modifiziert und der SL das Ergebnis erzählt.
Viele glauben zu wissen, dass ein Rollenspiel Fähigkeiten, Attribute, Würfelproben und ein Kampfsystem braucht. Was mach ich aber nun, wenn ich ein Rollenspiel zur Serie "Chicago Fire" machen möchte in der alle Charaktere bei der Feuerwehr sind. Sollte man da nicht eigentlich diese Erwartungen über Bord werfen und stattdessen maximal mit einer Entscheidungsprobe anfangen. Aber würde diese Probe wirklich wie bei vielen Systemen von den Fähigkeiten oder körperlichen Eigenschaften abhängen oder müsste man hier nicht viel mehr Wert auf die Beschaffenheit der brennenden Räume legen, der Rauchentwicklung usw., brüchigkeit der Wände usw. - und was wäre dann die Leistung der Spieler? Würde man dann statt der Wahl der optimalen Fähigkeiten das vorgehen im Raum als strategische Komponente haben?
Das ist gemeint, wenn von "Mechaniken bestimmen Story" die Rede ist. Man muss das Spiel so bauen, dass nicht irgendwelche traditionellen Erwartungen erfüllt werden, sondern dass das Spiel durch die Mechaniken die Athmosphäre bzw. die Geschichte produziert, die der Spieler erleben soll.