Da kann ich ja so einiges an Ablehnung nachvollziehen, aber es klingt dann doch langsam, als ob allgemein das Kulissenschieben als Spielerverarschung abgestempelt wird, und da ich das KS selber öfters praktiziere, finde ich diese Wertung ziemlich unpassend.
Aber genau das ist die Stoßrichtung. Wenn Du als SL das Kulissenschieben praktizierst, so die Suggestion, weichst Du von einer "ehrlichen", "authentischen" Art des Rollenspiels ab und betreibst "Spielerverarschung" oder die "Entwertung von Spielerentscheidungen" oder "Spielleiterwillkür" oder "Railroading". Das geht, so die oftmalige Argumentation, mit gewissen moralischen Defiziten des SL einher. So kenne ich die Argumentation und habe sie schon oft gelesen. Mein Eindruck ist, dass auch Marzaan beispielsweise das so oder ähnlich sieht. Zornhau verbreitet das auch so, Settembrini sogar noch extremer. Da gabs vor einigen Jahren mal eine ganze Bewegung von, die noch immer viele Jünger um sich schart.
Deshalb weise ich in der Sache ja auch so klar darauf hin. Es handelt sich um den Versuch, die Deutungshoheit über das zu erlangen, was gut und richtig ist im Rollenspiel. Been there, done that.
Dabei ist die Grundidee ja nicht falsch. Das Kulissenschieben ist in den meisten Fällen ja eine improvisierte Reaktion des SL auf nicht vorhergesehene Aktionen von Spielern. Wenn der SL aber perfekt wäre, also die Gedanken der Spieler lesen und ein allzeit konsistentes, dennoch höchst abenteuerförderliches Setting heraufbeschwören könnte: ja, dann bräuchte niemand mit dem Kulissenschieben anzufangen, es gäbe keinen Leerlauf, keine Orientierungslosigkeit und so weiter. Dann müsste der SL nicht einmal den Gedanken hegen, das Spiel in einer bestimmten, womöglich dramaturgisch motivierten Weise zu manipulieren. Er könnte vielmehr seine Welt so simulieren, dass sich im Ergebnis die Runde immer im höchsten Glück des Abenteuers sonnt. Das ist die grobe Argumentationslinie der reinen Lehre.
Mich erinnert das immer an den Irrglauben des
Laplaceschen Dämons. Das stimmt irgendwie auch, klingt sinnvoll und ist nachvollziehbar, bleibt letztendlich aber doch Blödsinn.
Die ganze Diskussion ist höchst seltsam. Es ist ziemlich klar, dass Kulissenschieben im gamistischen Kontext eine Entwertung von Spielerentscheidungen darstellt, wenn die Spielleitung auf diese Weise dafür sorgt, dass der Grad der Herausforderung sich dadurch verändert. Genauso ist es klar, dass das Gegenteil der Fall ist, wenn in einer storyorientierten Runde durch die Wechselwirkung von Spielerentscheidungen und Kulissenschieben die Spielerentscheidungen verstärkt Einfluss auf den Fortlauf und die Qualität der Geschichte nehmen.
Die vom Wellentänzer propagierten Mischformen sehe ich dabei als Spezialfall des storyorientierten Ansatzes an, bei dem die Spielleitung Fakten vordefiniert, diese aber bei Bedarf überschreibt.
Ja genau. Nur will ich da echt nix propagieren. Ich spiele ja selbst manchmal sehr gerne rein simulationistisch. Nur verschweige ich die damit einhergehenden Nachteile nicht und maße mir vor allem nicht an, diese Form über die Alternativen zu erheben bzw. Proponenten dieser Spielformen zu diskriminieren.
Der Grund hat aber nichts damit zu tun, während des Spiels die Fakten zu verändern. Bei Trail of Cthulhu stehen die Fakten vor Spielbeginn fest, und die Spieler finden sie heraus. Was willst du also sagen?
Trail of Cthulhu wurde spezifisch dazu designt, für investigative Abenteuer ein funktionales Regelgerüst zur Verfügung zu stellen, weil es mit klassischen System so häufig zu Problemen kommt. Und das genau will ich sagen: wer auch mal, aber halt nicht nur investigative Abenteuer spielen möchte, muss bestimmte Kompromisse eingehen. Das Kulissenschieben ist eine von mehreren Möglichkeiten dafür.