Die Kunst, denke ich, liegt daran, nicht bei den Begriffen Gut/Böse stehen zu bleiben, sondern sie als Ausgangspunkt für das Festlegen der Charaktermerkmale eines NSC zu verwenden, die ihm mehr Fleisch geben. Vielleicht haben sie ja auch Charaktermerkmale, die sie - aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet - eher verständlich machen, oder (bei als "Gut" etikettierten Wesen) ihnen auch als verabscheuungswürdig ausgelegt werden kann.
Ein Beispiel.
Ich habe einen chaotisch bösen Räuberhauptmann. Er führt eine Bande von üblen Schlägern mit der selben Gesinnung, mit harter Hand und Furcht. Nur deswegen akzeptieren sie ihn als Oberhaupt. Vielleicht hasst er sich selbst dafür, dass er so handeln muss. Vielleicht war er mal ein gerechter Mann, der durch widrige Umstände in die Gesellschaft von Vogelfreien gekommen ist, und gelernt hat, dass dort nur das Gesetz des Stärkeren gilt. Über die Jahre wurde dieses Handeln zu einem instinktiven Teil seines Wesens, bis er zu dem Monster wurde, dass er heute ist. Er gewährt keine Gnade, und fordert keine. Er ist in seiner ganzen Brutalität sehr ehrlich - vielleicht, ehrlicher, als die Kaufleute, die ein hohes Kopfgeld auf ihn ausgesetzt haben. Vielleicht war auch einer dieser Kaufleute ursprünglich dafür verantwortlich, dass der einst ehrenwerte Mann, der der Räuberhauptmann einmal war, durch Intrigen aus der Gesellschaft ausgestoßen wurde, und der Räuberhauptmann wird neben Furcht vor seinen eigenen Männern auch von Rachedurst angetrieben. Er gibt sich vielleicht wie ein wildes Tier, aber er ist vielleicht auch durch seine Herkunft in der Kriegskunst erfahren und ein schlauer, gerissener und nicht vorhersehbarer Gegner.
Oder:
Ich habe einen rechtschaffen guten Ritter. Er ist gesetzestreu, seinem Lehnsherrn gegenüber loyal, seinen Dienern und Untergebenen gegenüber ein guter Anführer, und achtet die Götter. Er spendet Einkünfte an einen Tempel und ist keusch. Er würde sich ohne zu zögern in eine Schlacht werfen und sein Leben aufs Spiel setzen. Aber er dient einem korrupten Herrn, und verschließt die Augen vor dessen Taten; Verrat zu üben, wäre für ihn undenkbar. Er wird zu einem Werkzeug des Bösen, alleine dadurch, dass er Rebellen und Banditen jagt, und die Ordnung seines Herrn mit seinem Leben verteidigt. Vielleicht hat er einmal einen Weggefährten denunziert oder sich zum Werkzeug einer Intrige machen lassen,in der ein strahlender Ritter aus der Gesellschaft vertrieben wurde, und er nun immer noch Schuldgefühle deswegen hegt.
Und packe ich beide NSC in ein Szenario, könnte das ganz lustige Fragen und Situationen aufwerfen, die aus den (ausgebauten) Gesinnungen herrühren. Wer geht über die Klinge? Der Räuber? Der Ritter? Die Männer im Hintergrund? Die Spielercharaktere? Allesamt? Keiner?