Bzw. ich verstehe es schon, denn ich kenne die Argumente ("Erleben einer plausiblen Welt", "Fairness", "Freier Wille", etc..) und diese sind durchaus valide. Aber es ist einfach nicht konsequent durchgedacht. Ohne eine Computer-Simulation im Matrix-Ausmaß wird es immer Kompromisse geben müssen um einen flüssigen Spielablauf nicht nur zu gewährleisten, sondern überhaupt erst zu ermöglichen.
Der Verweis auf die riesige Computersimulation kommt doch auch wieder nur von dem Denkansatz, das Ganze vom Boden her aufzuziehen und haarklein zu simulieren.
Dabei braucht man "nur" einen Mechanismus, der ähnliche Ergebnisse liefert - was mit einigermaßen brauchbar aufgezogenen Würfelmethoden doch ziemlich gut geht.
Mich stört es hauptsächlich, wenn Regeln gerade diese Ergebnisse nicht liefern,
ohne dass es Begründungen wie Genre, angestrebte Atmosphäre o.Ä. gibt, man die Regeln also ohne Weiteres auch anders hätte auslegen können.
Andersrum macht es mir aber auch einen Heidenspaß, Regelwerke genau auf diese Überlegung hin abzuklopfen:
Wie sähe die Welt aus, wenn die Regeln überall und für jeden gelten würden?
So kann man sehr schnell Bereiche beleuchten, wo die Regeln vielleicht noch ein bisschen Anpassung brauchen könnten, um nicht gar zu seltsame Ergebnisse zu liefern
Für Abschätzbarkeit genügt es, dass die Regeln in Spielsituationen verbindlich gelten; im Spielhintergrund kann auch anderes passieren, ohne, dass die Folgenabschätzung beeinträchtigt ist. Die Problematik ist hier nur, wo die Grenze zwischen Spielsituation und Spielhintergrund verläuft ...
Grundsätzlich finde ich es eleganter, wenn ich als Spielleiter lediglich ein bestimmtes Würfelergebnis postulieren muss statt die Regeln insgesamt nicht anzuwenden - aber das ist meine persönliche Befindlichkeit
Kernfrage dabei ist mMn aber, welchen Ansatz man für die Nichtanwendung oder Anwendung der Regeln fahren will.
Die Spieler haben nämlich in meinen Augen erstmal das Recht, auf eine Anwendung der Regeln zu bestehen, sobald die SCs betroffen sind.
Dann stellen die Regeln also durchaus in dem Sinne die "Spielweltphysik", als dass sie für die SCs immer gelten - was bei schlecht durchdachten Regeln auch schon ziemlich Banane sein kann.
Hier sollte man vielleicht noch differenzieren: Situationen die auch in der Realität vorkommen, benötigen diese Reproduzierbarkeit des regeltechnischen Zustandekommens weniger, da die Spieler andere Vergleichswerte haben.
Andererseits ist hier dann der Disconnect viel größer, wenn die Regeln den erwarteten Verlauf so gar nicht hergeben.
Dann ist im Extremfall die ganze Welt "normal" und im Umfeld der SCs komplett absurd.
Mit solchen Regelwerken kann ich gar nichts anfangen.
Was aber m.E. nicht funktioniert, ist die Vorstellung, dass die Regeln die physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Welt auf den Punkt bringen. Wenn das so wäre, dann hätten wir nämlich bei den allermeisten Systemen Welten, in denen es beispielsweise qua Naturgesetz unmöglich ist, dass ein unverletzter Mensch mit weniger als drei Schwerthieben oder fünf Dolchstichen getötet wird; in denen es unmöglich ist, dass jemand sich beim Sturz von einer einen Meter hohen Mauer das Genick bricht
...
Es ist ja auch nicht besonders wahrscheinlich, dass der SC persönlich Experimente anstellen wird, um herauszufinden, an welchen Tagen der Sturz von einem 5 Meter hohen Dach ihn umbringen kann und an welchen Tagen er mit ein paar blauen Flecken davonkommt.
Die Frage hatten wir mal mit Magiepunkten...
Da bin ich z.B. überzeugt davon, dass ein Kampfmagier spätestens in einem halbwegs modernen Setting mit wissenschaftlichen Denkweisen sehr genau wissen würde, welche Kombinationen seiner Zauber er wirken kann, bevor er pausieren muss.
Eben weil er genau das ausprobiert und verinnerlicht hat.
Prinzipiell stößt man mit dieser Überlegung aber sehr schnell an die Vierte Wand.
SCs erleben ja i.d.R. eine enorme Zahl an Extremsituationen, und wenn man hier beginnt, aus SC-Perspektive Trends zu bewerten und Erfahrungen zusammenzutragen, ergibt sich doch recht schnell ein Bild davon, wie die (hier ist es wieder) "Spielweltphysik" funktioniert - wenn auch nur genau für die SCs.
Und weil das dann auch ingame stattfindende Ereignisse sind, wissen die SCs
natürlich irgendwann, dass nur andere Leute auf der Treppe in den Tod stürzen und dass man - bei bester Gesundheit startend - durchaus mal den einen oder anderen Schwerthieb wegstecken kann
Dann stellt sich darüber hinaus sogar noch die Frage, warum das nur für die SCs gilt
Kurz: Je weiter weg die von den Regeln für die SCs gelieferten Ergebnisse von dem sind, was dem Rest der Welt so zustößt, um so eher sollte man das Thema gar nicht erst aufbringen.
Dein zweiter Absatz beschreibt gerade, dass für dich die Regeln nicht die Physik der Welt sind: Sie sind nicht allgemeingültig, und ein Charakter, der sich Gedanken darüber macht, wie die Welt funktioniert, und dafür seine eigenen Erfahrungen nutzt, würde zu völlig unsinnigen Schlussfolgerungen kommen.
Für ihn selbst wären die Schlussfolgerungen gültig - was das Ganze je nach Regelwerk ziemlich absurd macht.