Hmmm, ich selber bin vor Jahren mehr oder weniger freiwillig in die Sl-Ecke gerutscht, und am Anfang hätte ich einige deiner "Aber"-Unterpunkte so wie du erwidert. Inzwischen aber gar nicht mehr, denn ich habe jetzt eher Probleme, mich wieder auf reine Spielerpositionen zu beschränken.
Zu einigen einzelnen Punkten des Textes:
Aber, sagte der/die SL, ich mache das doch gerne, ich habe Spaß daran.
Bist Du sicher? Oder ist das nur die Gewöhnung weil Du es (fast) immer machst? Bedenklich wird es auch, wenn Du nur deswegen eingeladen wirst, um zu leiten.
Würde ich entgegnen: Ja, ich bin sicher. Ich bin 47 Jahre alt, und tendiere nicht dazu, Selbsterkenntnis unzugänglich zu sein. Würde es mir nicht wirklich Spaß machen, hätte ich es nicht 20 Jahre lang gemacht - wer so etwas von mir glauben würde, hätte keine Ahnung von mir. Ich lese ja nicht einmal Bücher fertig, die ich gekauft habe, wenn sie mich nach dem ersten Drittel immer noch anöden.
Aber, sagte der/die SL, ich habe Macht, die absolute Kontrolle über des Geschehen. Das ist geil!
Nein, hast Du nicht. Wenn Du sie hast, machst Du etwas falsch und das ist nicht geil. Denn die Aufgabe des Spielleiters ist die Spielwelt zum Leben zu erwecken und unparteiische Entscheidungen zu treffen. Das Stichwort ist “Holodeck-SL”. Da muss man auch gegen die eigenen Vorlieben entscheiden. Absolute Kontrolle bedeutet Schienenfahrt.
Da widerspreche ich dir mal nicht - würde jemand so etwas sagen, würde ich als Spieler einen großen Bogen um ihn machen.
Aber, sagte der/die SL, ich kann all die anderen Figuren spielen.
Du kannst Sie nur am Rande, in kurzen Spotlights spielen. Außerdem sollten Deine NSCs nie gleich wichtig oder wichtiger als die Spielercharaktere werden, denn diese sind die wahren Protagonisten. Also wieder, jede Menge Arbeit, für eine Minute Spaß.
HA! Da würde ich dich doch mal fragen, ob man in deinen Augen nur Spaß haben kann, wenn man möglichst lange die wichtigste Figur sein kann. Denn ich habe mit kleinen skurrilen Gastauftritten von NSCs, die den SCs kaum das Wasser reichen konnten, wahnsinnig viel Spaß gehabt. Da zählt in meinen Augen zeitliche und powermäßige Quantität überhaupt nicht.
Aber, sagte der/die SL, es zwingt mich doch niemand dazu, ich mache das freiwillig.
Wirklich? Ich will Dir das nicht absprechen, aber Hand aufs Herz: Wie oft hast Du es getan, weil sich sonst keiner fand, bzw. keiner wollte oder weil sonst keine Runde zusammengekommen wäre? Weil sonst nichts passiert wäre? Kurz: Weil Du sonst gar kein Rollenspiel spielen würdest?
Zu deiner Hand-aufs-Herz-Frage: wie gesagt, so bin ich da reingerutscht. Und auf diese Weise habe ich den Spaß daran entdeckt. Was dazu geführt hat, daß ich selbst in Situationen, in denen ich ohne Probleme einfacher Spieler hätte sein können, gerne den SL gemacht habe. Um die erste Gegenfrage zu beantowrten: Ja, wirklich. Nicht wegzudiskutieren versuchen.
Aber, sagte der/die SL, ich mache es doch wegen der Ehre und dem Ruhm SL zu sein. Man sieht zu mir auf.
Bullshit.
Was???? Das gibt es??? Wo kriege ich solche Spieler her?
Aber, sagte der/die SL, den Vorbereitungskram mache ich gar nicht, ich entscheide einfach wie ich gerade Lust habe.
Irgend eine Art Vorbereitung wirst Du schon haben, keine Sorge. Außerdem läufst Du sehr leicht in die Gefahr, dass Deine Abenteuer undurchdachter Murks werden.
Da muss ich zu deinem letzten Satz ebenfalls mit "bullshit" antworten. Ich hatte schon völlig frei improvisierte Abenteuer (mit null Vorbereitung, in der Tat), die sehr spaßig waren. Das geht natürlich nur für bestimmte Genres und tendiert etwas zu einem leicht klamaukigen Stil, aber ich sehe in
zu viel Vorbereitung sogar eher ein Problem. Das kann nämlich zu einer unflexiblen railroadigen Spielleitung führen (kann, nicht muss).
Aber, sagte der/die SL, wir wechseln uns doch ab.
Gut für Dich, wenn es so ist. Aber achte einmal darauf wer das tut und wer nicht. Es gibt Spieler die kaum oder kategorisch nicht leiten. “Weil sie es nicht können” oder “Weil sie schlicht nicht wollen”. Da müsste man ja spielleiten und wer macht sich da schon die Mühe, wenn er spielen kann.
Dieser Absatz macht nur Sinn, wenn man die Prämisse "SL zu sein ist eine Bürde" akzeptiert. Die steckt nämlich bei deinem gesamten Text stark im Hintergrund. Und das ist etwas, das ich nicht unterschreiben kann. Ehrlich, ich wäre wirklich nicht glücklich, wenn ab morgen ich nicht mehr der SL sein kann, sondern immer nur Spieler. Bei gleichbleibender oder sogar ansteigender Rundenanzahl.
Zu der Vorarbeit als SL: kann in mancher Hinsicht nervig sein, muss es aber nicht. Ich bin jemand, der gerne zeichnet, Karten herstellt, Handoutdokumente herstellt usw. Und das sogar so gerne, daß ich das auch als Spieler für meine SL mache. Man kann als SL viel mehr seine Kreativität ausleben, als Spieler ist man fokusierter. Beide Rollen sind in vielerlei Hinsicht unterschiedlich, aber das bedeutet nicht, das eines von beiden weniger wert wäre (im Sinne von erstrebenswert).
Tut mir leid, wenn ich da insgesamt eher kritisch zu deinem Text stehe, aber ich kann dir ehrlich sagen, daß ich es gut finde, daß du ihn postest, immerhin ist es für mich auch ein schöner Denkanstoß