So jetzt lasse ich den Text so wie er ist sonst rege ich mich nur auf
Seelenspiegel
Zwei Dinge sind de Spiegel der menschlichen Seele: Die Liebe und der Mord. Ich muss mich in beiderlei Hinsicht schuldig bekennen. Noch liegt der Nebel über dem Hafenviertel. Noch vor dem Mittag würden die letzten Schwaden verschwunden sein, doch zusammen mit der hektischen Betriebsamkeit würden sie meine Flucht erleichtern.
Ich hatte die Rose immer noch in der Hand, die ich aus ihren bleichen Händen genommen hatte. Ein Stachel hatte sich mir in die Hand gebohrt und ich hatte es noch nicht einmal gemerkt. Ich würde ja gerne behaupten die Angst erwischt zu werden und der Fokus auf die Flucht hätten mich daran gehindert den Schmerz zu spüren, doch es war die Liebe. Ich denke es wird Zeit in diesen Spiegel zu schauen und zu sehen wie meine Seele aussieht.
Ich war nicht auffällig. Die meisten Leute vergasen mein Gesicht kaum dass sie es gesehen hatten. Ich war erst vor zwei Wochen als Gärtner in die Dienste des Grafen von Lemdau getreten. Wie ich schon sagte war an mir nichts auffällig.Das kann man von ihr nicht sagen. Marie von Lemdau war die Frau des Grafen und eine wahre Schönheit. Ich bin kein Poet, daher überlasse ich es der Fantasie ein passendes Bild der goldgelockten Schönheit zu entwerfen.
Es war von Anfang an klar das die Beziehung nicht halten konnte. Doch die Frucht schmeckt umso süßer je verbotener sie ist. Das wirft kein gutes Licht auf mich und vielleicht auch auf sie, doch wer behauptet er hätte in der gleichen Situation anders gehandelt lügt. Die Liebe trifft uns alle unverhofft und unser Umgang mit ihr verrät viel über uns. Manchmal denke ich: zu viel.
Ich war also als Gärtner angestellt worden und irrte am ersten Tag durch Irrgärten aus Fluren, Türen und Treppen wie ich jetzt durch die dreckigen Gassen des Hafenviertels eile. Ich zügele meinen Schritt. Wer rennt ist verdächtig. Die Rose habe ich in einer Mantelinnentasche verstaut. Ich bringe es nicht übers Herz sie wegzuwerfen. Warum ich sie mitgenommen habe kann ich nicht sagen.
Es kann nicht mehr weit sein bis zum Meer. Ich muss ein Schiff suchen und einfach weg. Zum Glück habe ich nicht viel Gepäck, ich habe bei meiner Flucht also nicht viel zurückgelassen. Bis auf die Wechselkleidung. Nicht allein wäre das für die Überfahrt praktisch, Kleidung ohne Blut wäre in jedem Fall bedeutend unauffälliger. Ich schleiche mich durch die Gassen. Irgendjemand muss doch Wäsche hängen haben die man stehlen kann.
Bisher spiegelt der Mord vor allem meine Planlosigkeit und die Liebe meine Willensschwäche. Ich hätte mich nie in Marie verlieben dürfen. Doch es kam über mich wie ein Blitz. Ich hätte einem Lakai begegnen können, einem Gärtner oder einem anderen Diener als ich durch das Haus führte. Stattdessen begegnete ich ihr. Es ziemt sich für eine Gräfin nicht einem einfachen Gärtner durch das Anwesen zu führen und mit ihm zu plaudern. Marie war das egal und sie setzte ihren Kopf immer durch. Das fiel mir von Anfang an auf, diese Selbstverständlichkeit mit der sie alles tat, sodass niemand es wagte ihr zu widersprechen. Sie war gebildet und hatte einen scharfen Verstand. Sie fragte mich aus über mich, meine Familie meine Heimat. Ich erzählte ihr alles so wie ich es mir zurecht gelegt hatte. Ich habe ein gutes Gedächtnis und brachte es fertig alles widerspruchsfrei zu wiederholen und sie zu korrigieren wenn sie absichtlich etwas falsch wiedergab. Dennoch traute sie mir nicht. Vielleicht machte mich das für sie interessant. Sie war neugierig und wollte wissen was meine wirkliche Vergangenheit war und ich tat mein bestes genau das vor ihr zu verheimlichen.
Sie fragte mich auch über Botanik aus, ein Thema zu dem sie einige Bücher gelesen hatte, glücklicherweise nicht mehr als ich, so dass ich alle ihre Fragen beantworten konnte. Wie ein Inquisitor stellte sie mir rhetorische Fallstricke und wie ein scheues Wild wich ich ihnen aus.
Wenn sie am Ende noch misstrauisch war zeigte sie es nicht.
Inzwischen habe ich einen frischen Satz halbwegs passende Kleidung gefunden und bin bereit mit dem nächstbesten Schiff abzuhauen. Die Glocken klingen. Mein Mord scheint aufgeflogen zu sein. Jetzt muss ich schnell sein, bevor der Hafen abgesperrt sind. Ich bin voller Kraft bemüht nicht zu rennen. Ich gehe langsam, so schwer mir das auch fällt und schaue mich um. Auf den Handelsschiffen ist eine rege Betriebsamkeit. Die Händler fürchten um ihren Gewinn wenn sie für unbestimmte Zeit im Hafen festgehalten werden. Andere werden aus den Informationen Profit schlagen wollen. Eine Patrouille der Stadtwache marschiert am Kai entlang. Mir sträuben sich die Nackenhaare und ein kalter Schauer rennt mir den Rücken hinab.
Haben sie mich erkannt? Wissen sie was ich getan habe? Es kann eigentlich nicht sein, doch der
Zweifel nagt an mir.
Am ersten Abend lag ein Brief in meinem Zimmer, rosa mit Schleife und Parfüm. Eine Rose stand in einer Vase daneben. Wie man sich das so vorstellt. Ich erkannte Anspielungen auf mehrere Gedichte und Theaterstücke. Sie testete mich. Würde ich die Anspielungen verstehen wäre ich nicht der einfache Gärtner als der ich mich ausgab. Ich konnte dieses Spiel nur verlieren. Sie spielte es schon länger als ich und sie war besser darin. Ich beschloss nicht darauf einzugehen. Das ging auch zwei Tage gut.
Die Patrouille ist an mir vorbeigegangen, wie es zu vermuten war. Ich bin am Hafen, ich bin bald aus der Stadt draußen. Ich muss nur noch ein passendes Schiff finden.
Ich hätte die Einladung zum Tee ausschlagen sollen, doch ich tat es nicht. Sie war die Spinne, ich die Fliege, daran lies sie keinen Zweifel. Zuerst sprachen wir nur über Belanglosigkeiten, doch nach und nach schaffte ich es ihr einige Informationen zu entlocken.
Sie war unglücklich mit der Ehe, sie war intelligent und hatte Ambitionen, der Graf selbst war weder intelligent noch hatte er Ambitionen. Wir diskutierten über Theater, Philosophie und Politik. Ich hätte nicht darauf eingehen dürfen, doch es gab zu wenig Menschen mit denen man darüber diskutieren konnte. Es gab einfach zu wenig kultivierte Menschen auf dieser Welt. Doch das war nur eine Ausrede, ich hätte genauso gerne einfach nur dagesessen und sie angehimmelt, ich war ihr hemmungslos verfallen.
Ich war für sie nur ein Spielzeug, dessen sie sich entledigen würde, vermutlich bald. Ich bilde mir ein dass sie etwas für mich empfand. Doch ich weiß dass das vermutlich nicht stimmt. Dennoch beging sie einen Fehler. Sie gab mir den Schlüssel für ihre privaten Räume.
Doch es sollte noch zwei Wochen dauern bis ich den Mut fand das zu tun das ich von Anfang an hätte tun sollen.
Wenn die Liebe der Spiegel meiner Seele ist, dann bin ich naiv, neugierig, sentimental. Der Mord hingegen...
Heute morgen brachte ich es zu Ende auf die für mich einzig mögliche Variante. Ich hatte das Messer, ich hatte den Schlüssel.
Ich frage auf dem nächstbesten Schiff nach wohin es fährt. Sie fahren zur Schatteninsel, was ihre Hektik erklärt. Der Hafen dort war bekannt das dort alles verkauft wurden was überall sonst verboten waren. Das Schmugglerparadies stand unter dem Schutz des Ordens der schwarzen Schlange. Ein gefährlicher Ort, ich hätte nicht gedacht so schnell zurückzukehren.
Meine Arbeit hier war getan, der Graf war tot, Marie würde mich suchen lassen, doch das war nichts neues für mich. Vielleicht hätte ich sie töten sollen, doch ich hatte nur die Rose aus ihren vor Angst bleichen, zitternden Händen genommen und war gegangen.
Ich hole mein Amulett hervor, dass mich als Assassinen ausweist und besteige das Schiff.