Nachdem ich es schon eine ganze Weile auf der Platte hatte, bin ich endlich dazu gekommen dieses DCC-Süpplemang zu lesen. Ich bin ein Fan von DCC (das ich im Moment auch aktiv spiele) und von den klassischen Hammerfilmen um Dracula, Frankenstein und die Mumie. Eigentlich sollte ich damit DIE Zielgruppe für dieses Buch sein - und ich bin enttäuscht.
Das Layout ist schlicht, die Illustrationen durchwachsen und man stolpert immer wieder über Tippfehler oder seltsame Satzkonstruktionen. Nichts, was bei einem OSR-Produkt von einem Ein-Mann-Verlag negativ auffällig wäre (ich habe bessere Produkte gelesen, die in der Hinsicht schlechter waren), aber ich will es bloß erwähnt haben.
Was ist nun der Beinbruch an TA?
TA hat ein gutes Konzept, ein paar schöne Ideen, aber die Umsetzung insgesamt ist einfach nur missglückt.
Mit über 300 Seiten ist ein sehr schwafeliges und sehr frickeliges Buch geworden, das sich problemlos auf 1/3 des Umfangs eindampfen ließe. Und es ist dabei nicht einmal ein vollständiges Spiel - Monster und Magie fehlen fast komplett und sollen jeweils ein eigenes Quellenbuch erhalten.
Das ganze Buch ist von eigenwilligen und unmotivierten Verschlimmbesserungen von unwichtigen Details am DCC-System durchzogen. Auf praktisch jeder Seite findet sich eine solche Detailregelung.
Um nur mal ein paar "High"lights zu nennen:
- anstatt 10 Stufen gibt es 11 Stufen
- es gibt bei jedem Stufenaufstieg einen Attributsverbesserungswurf
- zusätzlich zu den bewusst breit angelegten Occupations gibt es auch noch Hobbys, sowie die ganze Liste der Diebesfertigkeiten für jeden
=> man bekommt weder ein vollwertiges Skillsystem à RuneQuest noch ein schlankes Skillsystem à DCC, sondern einen AD&D-2nd-artigen Mischmasch aus dem schlechtesten beider Welten
- d5 und d7 wurden aus der Dice Chain entfernt... weil isso
- d5 und d7 tauchen dafür bei Waffenschäden auf, auf die Würfel verzichten kann man also doch nicht
- manche Waffen richten quadratischen Schaden an (würfele einen Würfel und quadriere)
- wer von seiner Stufe-0-Occupation die Fähigkeit zum Untotenvertreiben erhält und dann eine Klasse wählt, die das nicht hat, muss eine Balancingstrafe bezahlen um die Fähigkeit behalten zu dürfen. Anderswo wird völlig unmotiviert Balancing zerhauen (wie beim Valiant, der bei neutraler Gesinnung +2 auf seine Rettungswürfe bekommt und als Rechtschaffener oder Chaotischer nur +1... weil isso)
- Waffenproficiencies beziehen sich immer auf einzelne Waffen... und werden zufällig bestimmt. (Und die klassischen Waffen aus DCC werden noch feiner unterteilt. Ein Katana ist etwas anderes als ein Langschwert, und eine Steinschlosspistole etwas anderes als ein Revolver.)
- Körpergrößen, Körperbreiten und Kleidungsstil werden ausgewürfelt und festgehalten - und kommen mit eigenen Regeln daher, wie etwa Boni auf Verstecken für kleine Charaktere oder Mali wenn man sich nicht in seiner Wohlfühlkleidung befindet
Die acht Klassen sind sehr seltsam gestaltet, schwammig abgegrenzt, uninspirierend und kein Stückchen evokativ oder mit klarem Profil ausgestattet.
Weiter verwaschen wird das Klassensystem durch auswählbare "Upgrades" sowie eine Reihe von klassenunabhängigen "Upgrades", die man auch stattdessen aussuchen darf. Im wesentlichen ist es ein durch die Hintertür eingebautes Featsystem, nur sehr unausgegoren und unübersichtlich gestaltet und völlig an den Stärken des Muttersystems DCC vorbei.
Alle Nase lang gibt es temporäre Attributsschäden für das Durchführen von Aktionen. Ein misslungener Furchtcheck verursacht etwa Intelligenzschaden, und um versuchen zu dürfen einem Vampir das Kruzifix vorzuhalten muss man erstmal einen Personalitypunkt opfern. - Dass man für erfolgreiche Nahkampftreffer keinen Stärkeschaden erleidet fehlt noch, würde aber auch nicht weiter auffallen.
Attribute regenerieren sich nur langsam (1 Punkt für jeden Tag voller Bettruhe ohne Action, Kämpfe oder Nachforschungen), insofern werden Abenteuer bei TA by the book eine sehr langsame und gemächliche Angelegenheit, bei der man versucht ja nicht zuviel Aufregung an einem Tag zu erleben und sich dann erst mal ins Bett legt, um sich von den Strapazen auszukurieren.
Das mag für den Originalroman von Bram Stoker passen, wo die Figuren sehr viel Zeit (und viele Seiten) darauf verwenden ihre Terminkalender abzustimmen, sich gegenseitig ihre Tagebücher vorzulesen und sich ermattet von den Aufregungen zu erholen ehe es ihnen zu blümerant wird, aber zum eigenen Anspruch von "Gothic Ass-Kicking Horror wie in den Technicolorfilmen!" passen solche kleinkarierten Powergaming- und Spielflussbremsen vorne und hinten nicht. - Zu DCC ebenfalls nicht, wo Attributsopferungen für Spellburn u.ä. selten und dramatisch sind.
Gibt es auch gute Sachen an Transylvanian Adventures?
Ein paar, aber sie sind verstreut und rasch aufgezählt:
Ruin-Score
Dieser dient als Ersatz für magische Heilung und als Pacinginstrument. Anfangs ist Ruin noch niedrig (1W6) und keine Gefahr. Jedesmal dann, wenn ein Charakter mit 0HP zu Boden geht, macht er einen Rettungswurf gegen Ruin, kann sich bei Gelingen wieder aufrappeln und bekommt +1 Ruin. Mit der Zeit läppert sich Ruin aber zusammen und macht das Sterben zu einem ernsthaften Risiko. Ebenso kann der SL Ruinwürfel von einzelnen Spielern abnehmen, um die Würfe seiner Monster zu verbessern.
Armor Class
In Hammerfilmen und Schauerromanen trägt kein Mensch mehr Rüstungen. AC bestimmt sich daher nach der Charakterklasse, nicht nach getragener Rüstung.
Investigationsregeln
TA hat außerdem noch abstrakte Investigationsregeln, bei denen Entdeckungen gemacht werden und neben abenteuerrelevanten Informationen auch der Adversary-Würfel runtergekauft wird, den der Oberschurke des Abenteuers bei allen Würfen mitwirft.
Es gibt haufenweise Zufallstabellen für Nachforschungsmethoden und Nachforschungsmishaps.
Ich sehe den Sinn des Adversary-Würfels als Pacingmechanismus, aber für DCC ist mir das zu meta. Eine Anbindung an die bestehende Ruinmechanik wäre da weniger aufdringlich gewesen.
Downtime
Downtime wird ausführlich mit zahlreichen Zufallstabellen bedacht. Neben dem Geldverdienen nach Wohlstandsklasse à Midgard 1880 kann man auch Geld ausgeben, um entweder Carousing zu betreiben, sich dem Alltagsleben zu widmen oder - elegant integriert - magische Forschung zu betreiben. (Es gibt in TA keine Ye Olde Magick Shoppes oder Magiergilden, wo man einen Sack Gold auf den Tresen knallt und dafür eine standardisierte Schriftrolle mitnimmt. Man gibt stattdessen viel Geld für halbseidene okkulte Informanten und Grimoires aus, versucht die Spreu vom Weizen zu trennen und kriegt dann bestenfalls Zugang zu einem zufälligen Spruch. Die Chancen stehen gut, dass man dabei sein Geld einfach nur in den Sand setzt, und das ist wenn man auf der Mishaptabelle Glück hat. Ebenso kann es auch passieren, dass die Dörfler mit Fackeln und Heugabeln ausziehen um die Mühle auf dem Berg niederzubrennen, oder dass man versehentlich Dinge in die Welt ruft, der man nicht Herr wird. Doe not call up any that you can not put downe.)
Turning Mishaps
Gute Grundidee (Cushing verliert öfter mal sein Kruzifix und muss improvisieren), aber die Tabelleneinträge selbst sind zu comichaft und grell für Hammer-Horror. Das ist mal eine der Stellen, wo das Buch das umgekehrte Problem hat dass es zu sehr DCC und zu wenig Hammer ist.
Fazit:
Ich kann dieses Buch niemandem wirklich empfehlen.
Wer Gothic Horror mit einem OSR-System will, ist besser mit dem kostenlosen Gothic Earth und den restlichen TotGaD-Sachen von Jack Shear i.V.m. seinem liebsten Retroklon bedient.
Wer klassenlosen Hammerhorror mit vielen Stellschrauben und Zufallstabellen will, wird bei Rippers besser bedient.
Wer die gleiche Thematik detailliert verregelt und behäbig angehen will, findet mit Midgard 1880 ein besseres Gesamtpaket als TA.
Wer ein beinharter DCC-Fanboy ist, der alles haben muss wo DCC draufsteht... dem werden die Verschlimmbesserungen und Spielerkleinhaltungsmassnahmen an diesem Produkt die Tränen in die Augen treiben.
Bestenfalls ist ein Klaukasten für die wenigen gelungenen Sachen für Gothic Horror auf OSR-Basis, und bei dem Preis von 13$ und dem Zeitaufwand, um das Fett abzulassen, selbst für den Zweck nur bedingt empfehlenswert.