Ellywick Timbers - Gnomische Kämpferin
“Verdammt wie soll ich das nur dem Magister erklären? Diesmal werde ich bestimmt hinausgeworfen und muss nach Hause zurück.“ Dem halbwüchsigen Schüler stand die Angst ins Gesicht geschrieben, als er seinem älteren Kameraden das Ergebnis seiner Ungeschicklichkeit zeigte, in seinen Händen hielt er ein Buch ohne Einband. „Wie zum Teufel hast du das wieder hinbekommen? Was ist das überhaupt…“ Der andere Schüler nahm ihm genervt das Buch aus der Hand und blätterte kurz darin herum. „Die gesammelten Abenteuer des Drosz Na’Durden! Wenn du schon wegen eines kaputten Buchs aus der Kerzenburg fliegst, hättest du dir wenigsten etwas Bedeutsames und nicht so einen Schundroman aussuchen sollen. Wusste gar nicht, dass man sich hier so etwas ausleihen kann. Normalerweise darf man Unterhaltungsbücher nur zu Forschungszwecken mit Magistererlaubnis lesen.“ „Naja, das kommt ja noch hinzu. Ich habe es nicht nur kaputt gemacht, sondern auch heimlich aus dem Regal für niveaulose Erbauungsliteratur genommen….“ Der ältere Schüler blickte den kreidebleichen Bücherdieb fassungslos an. „Wie hat es nur ein Trottel wie du nach Kerzenburg geschafft? Du kannst froh sein, dass ich schlau genug für zwei bin!“ Mit diesen Worten drehte er sich um, schlenderte pfeifend eine Regalreihe entlang und legte das Buch dann, ohne mit der Wimper zu zucken, auf einen Karren voller ungebundener Bücher, auf dem es nicht weiter auffiel. „Oh nein, was tust du da! Du kannst doch nicht….“ „Doch kann ich“ sagte der ältere Schüler, verpasste dem jüngeren eine Kopfnuss und schleifte ihn Richtung Ausgang. „Wenn du das Buch heimlich genommen hat weiß auch niemand, dass DU es genommen hast und damit wird auch nie jemand rausfinden, wer es kaputt gemacht hat, falls du es fertig bringst, die Klappe zu halten.“ Der andere klappte kurz wortlos den Mund auf und wieder zu, sein Gesichtsausdruck ließ erkennen, dass ihm dieser Gedanke tatsächlich noch nicht selbst gekommen war. Auf dem Weg nach draußen stießen die beiden fast mit einem vom alter gebeugten Magister zusammen. Der alte Mann hüpfte ungelenk mit steifen Knochen zur Seite und schenkte ihnen ein zahnloses Grinsen. Dann ging er weiter, geradewegs auf eine Karre voller ungebundener Bücher zu, um diese in einen angrenzenden Saal zu schieben. Doch das bekamen die beiden Schüler schon nicht mehr mit.
Drosz Na’Durden lachte befreit auf, der legendärer grüne Umhang des Waldläufers flatterte stolz im Wind. Vor dem Hintergrund seines nachtschwarzen Gesichts blitzten die Zähne des Dunkelelfen wie eine Kette aus polierten Perlen. Der böse Schattendrache von Mithralhalle war Tod und die Zwerge konnten in ihre Heimat zurückkehren. Jubel brandete auf und schien kein Ende nehmen zu wollen.
Der Drache unter dem Berg – Annalen der Schwertküste – Kerzenburg 1350 TZ
Ellywick Timbers atmete einmal tief durch und trat dann beherzt aus dem Unterholz hervor: „Heda Schwarzpelz!“ Der Ork, der eben noch wild gestikulierend auf den elfischen Wanderer eingeredet hatte, fuhr herum und blickte sie entgeistert an. „Meiner treu Ambrosios!“ rief der Ork und stieß seinen elfischen Begleiter an, „ist das nicht das entzückendste, das wir den ganzen Tag gesehen haben? Es ward wahrlich nicht gelogen, was ihr über das Feenvolk und sein Pläsier am Schabernack rapportiert habt.“ Der Ork trug Höflingskleidung, die an einem schmal gebauten Menschen vielleicht kleidsam gewirkt hätte, in seinem Fall jedoch geradezu lächerlich erschien, waren die Nähte doch durch die darunter liegenden Muskeln zum Zerreißen gespannt. „Hütet eure Zunge, Schwarzpelz! Steckt erst mein Pfeil in eurer Kehle, dürften euch weitere Spottreden deutlich schwerer fallen!“ „Bravo, bravo!“ erwiderte dieser und klatschte affektiert in die Hände, als ob er einer Theaterdarbietung beiwohnen würde. Das Gesicht des Ambrosios genannten Elfen war derweil ernster und die Augen zusammengekniffen, hatte er doch eine tiefer gehendes Einsichtsvermögen als sein einfach gestrickter Begleiter und konnte vor allem einen echten Bogen erkennen, wenn er ihn sah. „Und was genau meint ihr darzustellen und was sind eure Absichten, junge Dame des Feenvolkes?“ sprach er freundlich jedoch nicht ohne eine gewisse lauernde Schärfe im Unterton. „Fürchtet nicht Freund Elf, ihr steht unter dem Schutz von Ellywick Timbers, Hüterin dieser Wälder und Schrecken aller Unholde, die ihren Frieden stören.“ Elly hatte die Zeilen gut eingeübt, ebenso wie die galante Verbeugung und das dramatische Zurückwerfen des Umhangs. Beim Wort Unhold neigte sie den Kopf bezeichnend in Richtung des orkischen Begleiters. „Ihr seht, Freund Urgzock, dies ist worüber wir gestern noch sprachen“ sagte der Elf, Ellywick ignorierend zu seinem Begleiter gewandt. „Es war nicht nur die alte Lebensart der Orks, auch das reaktionäre Vigilantentum der Waldläufer tat sein übriges, um die Spirale aus Gewalt und Gegengewalt nie abreißen zu lassen.“ „Wahrhaftig ich sehe es. Stets wollte ich unserer Seite zu viel der Schuld aufbürden.“ „Grämt euch nicht, Urgzock! Der wahrhaft Ehrenvolle sucht den Fehler stets zuerst bei sich selbst, bevor er mit den Finger auf andere zeigt.“ Erwiderte Ambrosios mit gönnerischem Tonfall, um dann Ellywick unvermittelt mit strenger Mine anzublicken. „Aber ihr, junge Dame, ihr solltet euch schämen! Seit dem großen Konvent von Elturel herrscht in diesen Breiten Friede zwischen den Völkern. Wie es in jedem Geschichtsbuch steht, waren es die segensreichen Kräfte von gegenseitiger Toleranz und respektvollen Verhandlungen und nicht die Taten einzelner Vigilanten, die den Frieden brachten.“ Urgzock nickte eifrig und Ambrosios fuhr mit lauernder Stimme fort: „Habt ihr euch schon einmal gefragt, warum es mein orkischer Begleiter war und nicht ich, in dem ihr den Banditen sehen wolltet?“ In Urgzocks Mine arbeitete es, als ob ihm der Gedanke gerade eben zum ersten Mal käme, er verschränkte die Arme: „Genau! Ist dies nicht ein versteckter Rassismus oder gar Speziesismus der eure Gedankenwelt kennzeichnet? Natürlich! Wenn ich einen Ork und einen Elfen im Wald sehe, so muss natürlich der Ork der Bandit sein, wie könnte….“ THUMP. Neben Urgzock wuchs plötzlich ein Pfeil aus einem Baumstamm. Der Ork brach mitten im Satz ab, blickte panisch zu seinem Begleiter, derweil die vor Wut kochende Ellywick bereits den nächsten Schaft aufzog und ihn direkt vor den Füßen der Wandere aus dem Boden wachsen ließ „Verschwindet aus meinem verdammten Wald ihr verfluchten Gecken!“. Der Elf presste noch ein „In dieser Sache ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“ hervor, dann gaben Ambrosios und Urgzock jedoch vorsichthalber Fersengeld.
Drosz Na’Durden beobachtete die Regentropfen auf der Fensterscheibe mit brennender Intensität. So wie die Bahnen dieser Tropfen sind auch die Schicksale aller Lebewesen, dachte er bei sich. Sie treffen sich und trenne sich wieder, dem Zufall anheim gegeben und doch gebunden in ein großes Ganzes.
Die Stunde vor dem Morgengrauen – Annalen der Schwertküste – Kerzenburg 1350 TZ
Ilirio Marquardt, seines Zeichens Buchbinder in der Festungsbibliothek von Kerzenburg betrachtete stolz sein Tagwerk. Ein Stapel Bücher in einem edlen dunkelroten Ledereinband. Auf jedem prangte der gleiche Titel in goldenen erhabenen Lettern: „Annalen der Schwertküste“. In einer Kiste lagen noch einige Dutzend weitere gleich gestalteter Einbände und auf einem Wagen neben dem Tisch weitere ungebundene Bücher. Doch für heute sollte es genug sein. Vorsichtig nahm er ein bereits gebundenes Buch zur Hand, ließ die Seiten schnell durch seine Finger blättern und schlug es an einer zufälligen Stelle auf. „…Welle auf Welle brandeten die Goblinhorden gegen die Krummschwerter Drosz Na’Durdens an, doch der Waldläufer stand fest wie ein Fels in der Brandung…“ Was zur Hölle? Illirio legte das Buch zur Seite nahm von Panik ergriffen ein anderes vom Stapel und schlug dort die gleiche Seite auf „…so ergab es sich, dass das Konvent von Elturel zusammentrat unter dem Vorsitz von Drogom Sohn des Drogom Sohn des Drogomir, stellvertretender Reichsverweser…“ Er legte es zur Seite und nahm ein weiteres „…und so sprach seine allerfürstlichste Magnifizenz den Richtspruch, auf das…“ und ein weiteres „…fürderhin hat zu gelten, dass ein Klafter Holz gemäß der Bestimmungen des ständigen Zunftausschusses für Hohlmaße…“ Illirio klappte etwas beruhigt auch das dritte Buch wieder zu und nahm leise fluchend wieder das erste zur Hand. Ein verdammter Studentenstreich und er war darauf hereingefallen! Allein die Kosten für den Einband, ganz zu schweigen von der vergeudeten Arbeitszeit! Illiro dachte angestrengt nach. Eigentlich musste man es dem Dekan melden und die Strolche zur Rechenschaft ziehen, andererseits konnte er sich schon jetzt ausmahlen, dass man die Übeltäter nie finden würde und ihm somit nur die Rolle als Witzfigur blieb, die mechanisch jeden Stapel Papier in einen Umschlag näht, der ihm hingelegt wird. Sein Blick streifte in der Kammer umher und blieb dann am Fenster hängen. Er hatte etwas im Hof gesehen, das ihn auf eine Idee brachte.
Als Ellywick in die Gnomensiedlung zurück kam, sah sie sofort, dass es Probleme geben würde. Die Straßen waren wie ausgestorben, stattdessen brannte Licht in der Gemeindehalle. Normalerweise findet niemand ein Gnomendorf, der es nicht finden soll. Orks gleich schon gar nicht. Verdammter Elf! Die Sitzung verlief in typisch gnomischer Manier. Zuweilen durchaus turbulent, doch stets in freundlichem Tonfall. Im Ergebnis war sich die Gemeinde jedoch einig, dass es für eine rastlose junge Gnomin manchmal das Beste wäre, eine Bildungsreise zu unternehmen, so könne sie die Welt kennen lernen und müsse sich nicht auf das verlassen, was sie in einem Buch liest, das ihr ehrenwerter, aber manchmal etwas törichter, Großvater ihr Geschenkt hatte. Die Erwähnung, dass es sich um ein historisches Standardwerk aus der legendären Festungsbibliothek von Kerzenburg handele, konnte den Gemeinderat nicht überzeugen, man hörte nur leise Seufzer darüber, wie die Bibliothek letztlich doch nur von Menschen geführt wurde und wie sehr das unstete naturell dieses Volkes sich auch in der schwankenden Qualität der dort erstellten Schriftstücke bemerkbar machte. Am Ende wurde es dann doch noch etwas hässlich. Plötzlich stand der Vorwurf im Raum, dass der Gemeinderat von Birkenhain nicht besser sei, als die Dunkelelfen Matriarchinnen von Menzoberranzan, die Drosz Na’Durden damals in die Verbannung schickten, weil sie nicht mit seiner Individualität zu recht kamen. Vermutlich war der Vergleich unfair, aber Ellywick wollte damals auch unfair sein. Zumindest war sie trotzig genug, das Dorf noch wortlos am gleichen Abend zu verlassen. Leider war sie nicht trotzig genug, das Geld, die Honigkuchen und was man ihr sonst noch auf den Weg gab zurückzuweisen. Von irgendwas musste sie schließlich auch leben. Sie hatte kurz daran gedacht ihre selbst genähte Waldläuferuniform zu verbrenne, hatte sie dann aber einfach in den Rucksack gestopft und war auf ihre „Bildungsreise“ davongerauscht. Sie würden schon sehen, was sie davon haben!
Drosz Na’Durden schlug den Umhang enger um seine Schultern. Seit dem Morgengrauen prasselte der Regen schon auf die Gefährten herab und hatte jeden Funken der Heiterkeit in ihnen zum Erlöschen gebracht. Ihre Gesichter waren grimmig und ihr Schritt war fest. Wer, wenn nicht sie, konnte die alten Schrecken zur Ruhe legen, die im Norden ihr finsteres Haupt erhoben? Sie hatten dieses Schicksal nicht gewollt, doch sie wussten, dass mit großer Macht große Verantwortung einherging.
Der Zug nach Norden – Annalen der Schwertküste – Kerzenburg 1350 TZ
Der Händler zurrte gerade die letzten Pakete mit Waren auf der Ladefläche seines Planwagens fest, als plötzlich ein Magister über den Hof auf ihn zugelaufen kam. „Guter Freund ihr verlasst Kerzenburg schon wieder?“ Der Händler gab ein grunzendes Geräusch von sich. „Ich habe wie stets gute Geschäfte hier gemacht aber nehmt es mir nicht übel, wenn ich die nächste Nacht lieber in einem Gasthof an der Küstenstraße verbringe. Kerzenburg ist gelinde gesagt so aufregend wie ein Buchstabierwettbewerb.“ Illirio Marquardt machte eine wegwerfende Handbewegung und versucht wissend zu lächeln. „Seit ihr noch an einem kleinen Zusatzgeschäft interessiert? Ich habe hier diesen Fehldruck, schöner Einband gutes Papier aber schlechter Text. Für 10 Goldmünzen…“ Der Händler nahm die Annalen der Schwertküste blätterte kurz durch die Seiten und tat so als ob er lesen könne. Zehn? Ist in Ordnung, solange wir von Silberlingen reden…“ Illirio schnaubte kurz genervt, hatte aber keinerlei Lust zu feilschen, und ließ sich das Geld in die Hand zählen. Der Händler warf das Buch achtlos auf die Ladefläche und ratterte kurz darauf schon in den Sonnenuntergang davon.
„Hiergeblieben, Herr Schnuffel!“ rief Ellywick Timbers und das kleine Kaninchen, das sich gerade in Richtung Gebüsch davon machen wollte, gefror mitten in der Bewegung und ließ die Ohren hängen. Reumütig hoppelte es dahin zurück, wo bereits ein halbes Dutzend Mäuse und eine gelangweilt dreinblickend Saatkrähe Aufstellung bezogen hatte. Die Gnomin schüttelte tadelnd den Kopf und vertiefte sich wieder in das abgegriffene rot eingebundene Buch auf ihrem Schoß. Ihre Lippen bewegten sich mit als sie noch einmal die Stelle überflog, die von Drosz Na’Durdens Kampf gegen den Schattendrachen von Mithrilhalle handelte. Ihr prüfender Blick wanderte über die Reihen ihrer pelzigen Spielgefährten. Die Krähe gab einen guten Schattendrachen ab und die Mäuse eine akzeptable Goblinhorde, nur bei Herrn Schnuffel war sie sich nicht sicher ob nicht eine komplette Fehlbesetzung für den heldenhaften dunkelelfischen Waldläufer war. Ihre Regieanweisungen waren zumindest unmissverständlich, daran konnte es nicht liegen. Vielleicht würde sie bei der nächsten Aufführung das Kaninchen durch ein Frettchen ersetzen, diese erschienen ihr generell etwas lebhafter. Sie klappte das Buch zu und wollte gerade das Signal zum Anfangen geben als ein Schatten auf sie viel und ein peitschender Donnerhall die Stille auf der Lichtung zerriss. Ellywick fuhr herum und blickte zu den düster dräuenden Kuppen des Sonnenuntergang-Gebirges hinauf. In den vergangenen Stunden hatte sich das Wetter zusehends eingetrübt, ein Massiv aus blauschwarzen Wolken türmte sich über den Gipfeln auf. Es würde heute Nacht ein Unwetter geben. Als sie sich wieder umdrehte musste sie zu ihrer Enttäuschung feststellen, dass ihre kleinen Gefährten die Chance zur Flucht genutzt hatten. Missmutig trat sie einen Stein in Richtung des Gebüschs, wo sie den feigen Hasen vermutete, packte dann „Die Annalen der Schwertküste“ unter einen Arm und lief den Hügel hinauf in Richtung der Hütte, die zu ihrer Behausung in den Zeiten des Exils geworden war.
Verloren standen die Gefährten auf der Lichtung. Vor ihnen im Grass war der berühmte grüne Umhang, doch er war ganz zerrissen und rot mit Blut. Die Krummschwerter lagen noch so, wie sie gefallen waren, und von Drosz fehlte jeder Spur. Die Schatten wurden länger und bang wanderten ihre Blicke zum Waldrand. Etwas Böses, so alt wie das Land selbst lauerte in diesem Gehölz. Was sollte nur werden, nun da Drosz fort war?
Dies ist das Ende, meine lieben Freunde, das Ende – Annalen der Schwertküste – Kerzenburg 1350 TZ
Ellywick blickte von sehr weit oben auf eine Welt, die aussah wie Kinderspielzeug. Ein Unwetter tobte, das von einem Ende des Horizonts bis zum andere reichte. Aus den Wolken schlugen Blitze und Feuerbälle hinab auf die Erde und die Wälder brannten lichterloh, es regnete Säure und in den Meeren war kein Leben mehr, im Norden erhob sich ein Eissturm und eine Decke aus Schnee legte sich wie ein Leichentuch über die Verwüstung. Ellywick erwachte mit rasendem Herzen und starrte angstvoll in das Halbdunkel der Hütte. Draußen tobte noch immer das Unwetter, es musste nach Mitternacht sein. Zu ihrem Schrecken musste sie feststellen, dass die Eingangstüre sperrangelweit offen stand. Sie war sich sicher, sie vor dem zu Bett gehen verriegelt zu haben. Etwas stimmte nicht. Sie starrte durch die offen stehende Tür nach draußen in die Nacht, wo sich die schaukelnden Äste der Tannen schemenhaft vor dem dunklen Himmel abzeichneten. Aus der Finsternis starrten zehn böse Augen wie glimmende Kohlen zurück und Ellywick wusste, dass der Tod zu ihr gekommen war. Mit einem gedämpften Schrei fuhr sie auf und tastete im Dunklen nach der Lampe. Diesmal war sie wirklich wach und fand auch keinen Schlaf mehr bis zum Morgengrauen. Die Sonne war gerade erst halb über den Horizont gestiegen, als sich Ellywick in dem Teich am Fuße des Hügels betrachtete. Sie hatte ihre Waldläuferkleidung einige Jahre nicht mehr getragen und sie erschien ihr mit so viel Abstand leicht albern – die Brosche die den Umhang zusammenhielt war wie ein Blatt geformt und die silberne Haarspange sah aus wie ein Tannenzapfen – aber das ließ sich jetzt nicht mehr ändern. Sie wusste nicht, was sie da geträumt hatte, aber so musste sich der Ruf des Schicksals anfühlen. Zumindest laut der Geschichten die sie gelesen hatte…