Ich mache für mich immer den Unterschied, dass ich beim Rollenspiel eine einzelne Rolle übernehme und damit zur Geschichte/Handlung beitrage, während die Aufgabe eines Spielers in einem Erzählspiel deutlich weiter als ein Charakter reicht. Der Charakter tritt dann ein wenig in den Hintergrund und das Drumherum hat deutlich mehr Gewicht als bei einem Rollenspiel. Dabei wäre ein Rollenspiel vermutlich eher eine Unterart des Erzählspiels. Die Trennung stammt bei mir eher aus dem Drang heraus, das irgendwie zu unterscheiden und ist (bisher) nicht intellektuell unterlegt. Letztlich wird natürlich bei beidem erzählt und im Ideallfall bei beiden von Spieler und Leiter, sofern das Erzählspiel einen Spielleiter hat.
Ein Beispiel wäre das Nipajin-Szenario Geschlossene Gesellschaft im Unterschied zu Robert Redshirt. Während der Spieler bei GG eine Rolle übernimmt und durch die Handlung der Rolle zur Handlung des Szenarios beiträgt, sehe ich den Fokus bei RR mehr darauf, dass man gemeinsam erzählt, was Robert so zustößt, weshalb ich das eher als Erzählspiel sehen würde und weniger als Rollenspiel. Das liegt auch daran, dass die Spielercharaktere wenig im Fokus stehen, sondern der NSC Robert. Ob ich als Spieler Kameramann oder Kostümbildner bin, ist eigentlich nicht so interessant. Interessant ist letztlich mehr, wie die Show verläuft, in der mein Charakter ja gar nicht zu sehen ist.
Ein weiteres Beispiel wären für mich die Hobbitgeschichten aus dem Grünen Drachen. Die könnte ich als Rollenspiel begreifen, wenn ich mir klar mache, dass jeder einen Hobbit spielt, der in der Taverne mit seinen Räuberpistolen prahlt. Ich würde es allerdings eher als Erzählspiel begreifen, weil der Spieler eines Hobbits auch das ganze Drumherum (in Abhängigkeit der Karten) bestimmt und es mir zufällt, eine ganze Geschichte zu erzählen, in die die anderen Spieler nur gelegentlich mal mit ihren Gefahrenkarten eingreifen, während man im Der Eine Ring Rollenspiel wieder einen Hobbitcharakter hätte, den man übernimmt, während das Drumherum wieder dem Spielleiter zufällt.
Wenn ich die Idee hinter Microscope richtig verstehe, das ich nur aus Teasern kenne, dann wäre das ein super Beispiel für ein Erzählspiel. Dabei scheint es ja darum zu gehen, die Chronik einer Welt zu erzählen und die Rollen, die man im Einzellfall übernimmt, wechseln sich ab und sind nur ein Teil der Summe, die das Spiel ausmach. Am Ende scheint man ja zurückzuschauen, wie die Chronik der Welt, die gemeinsam erzählt hat, verlief.