Moin miteinander,
vorneweg, diese Gedanken beziehen sich auf
PROBENABHÄNGIGE RPG-Systeme und nicht auf einen völlig freien Erzählstil.
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Der einfache, gemeinsame Nenner: Seit den ca. 25 Jahren, da ich RPGs spiele, hab ich wohl mindestens 25 RPG-Systeme live am Tisch erlebt. Ich finde es immer wieder belustigend, wie vehement in meinem Bekanntenkreis über das "Beste Rollenspielsystem" diskutiert wird. Beruflich muss ich täglich Handwerker verschiedenster Gewerke beauftragen, was mich fordert, komplexe Bauvorhaben in einfachste Schritte aufzulösen, um sie als Arbeitsanweisungen herausgeben zu können. Nun, ich kann privat nicht aus meiner Haut und zerlege auch gerne Regelwerke anhand ihrer Sinnhaftigkeit.
So schaue ich mir die Systeme an, welche ich so kenne, und lese für mich einen immer wiederkehrenden Mechanismus für diese probenabhängiges Rollenspiele heraus, egal ob wir DSA, Vampire, Savage oder FATE vergleichen. Ich nenne diesen Mechanismus mal Urformel.
(Ich bin schon gespannt darauf, wie ich im Angesicht solcher Häresie von Fanboys eines beliebigen Systems zerfetzt werde...)
SPETZ. HANDLUNG & SPIELWERT >> PROBESPETZ. HANDLUNG: Dabei besteht das System im Wesentlichen aus einer Liste von Handlungsmöglichkeiten, basierend auf dem Setting. Ein Fantasysetting mag Magie und Nahkampf benötigen, ein Sience-Fiction-Setting wohl eher Ingenieurswissen. (Ich halte auch die Methodenregel aus FATE-Turbo im Wesentlichen für eine verbale Umschreibung von Handlungen)
-> Der Handlungsfreiraum entsteht aus einer Aufzählung definierter Handlungen.
SPIELWERT: Da sich die Charaktere im Spiel individuell anfühlen sollen, werden die Spielwerte wohl variieren. Wo der Held seine Stärken oder Eigenarten haben soll, erzählt ev. schon eine gewählte Umschreibung der gewünschten Charakterklasse. Allerdings ist die Umschreibung meist verbales Lametta fürs Wohlbefinden des Spielers.
-> Lediglich der Spielwert
als Zahl oder (+) selbst schafft die prüfbaren Fakten.
PROBE: Da sind wir auf dem Schlachtfeld der Meinungen und Rituale. Während die einen ihre Probe durch einen W-irgendwas-Würfel ablegen, andere ganze Pools schmeißen, weitere Skatkarten bedienen, wollen wieder andere Systeme jeden Schiss durch mehrere getrennte Würfe abnudeln, die nachfolgende Verrechnungsformeln bedienen. Im Kern geht es aber immer nur um eines:
-> Die Probe ist eine Wahrscheinlichkeitsprüfung anhand des individuellen Spielwertes.
Ich wiederhole meine Häresie, wenn ich in meiner Betrachtung die verschiedenen Systeme vergleiche, so finde ich bei fast jedem die obige, fett geschriebene Urformel. Da frage ich mich: -> Braucht es eigendlich mehr zum Spiel?
-> Warum gibt es dann so viele verschiedene Systeme?
Mich persönlich beschleicht beim Betrachten der Formel der Verdacht, dass ihr ein ganz großer Fehler anhaftet. Sie ist schlicht zu einfach, als dass man sie in ihrer Reinform als gewinnbringend vermarkten könnte. Wie will ich für sowas einfaches in Buchform Geld verlangen? Wie soll der Verlag auf seine Kosten kommen, wenn das Regel-heftchen nur noch fünf Seiten hätte? Es muss also was Komplexeres her, damit man fettere Bücher schreiben kann.
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Subsysteme, jetzt wirds kompliziert: Um Regelbücher dicker machen zu dürfen, müssen sie wohl diese Grundmechanik aufblähen. Hierfür waren einige Regelautoren bisher sehr kreativ. Es scheint die Regel zu gelten: Je undurchsichtiger, desto besser! Immerhin wächst mit der Komplexität auch die Abhängigkeit der Spieler, die zugehörenden Regelwerke zu erwerben. Dabei finde ich immer wieder folgende zwei Subsysteme, die mich zum Stirnrunzeln veranlassen:
AttributeHierbei werden Begriffe
über eine Anzahl von spez. Handlungen geschoben, welcher diese dann zugeordnet werden. Der Zweck ist, dass diese übergeordneten Begriffe den spez. Handlungen einen Bonus dazugeben. Natürlich wäre der höhere Handlungswert für eine Probe vollkommen ausreichend. Nur argumentiert man, wo bleibt denn der Realismus? Immerhin bestünde ein Held ja schließlich aus angeborenen Stärken! Attribute würden somit den Realismus fördern.
Stimmt das? Ein System würde wohl meist die beiden Handlungen "Körbe flechten" und "Akrobatik" dem Attribut "Geschick" zuordnen, wenn dieses im Angebot stünde. Das sollte implizieren, dass ein Held mit hohm Geschick in beiden Handlungen schon etwas besser wäre. Ich ginge also zum besten Weidenflechter von Westeros. Er flechtet mir einen edlen Schwan aus Weiden oder ein wasserundurchlässiges Trinkgefäß aus Grashalmen. Jetzt soll er aber mit dem gefüllten Trinkgefäß über den Schwan springen, ohne was zu verschütten. Vergleichbar !?!
Es gibt das Geschick einer fingerfertigen Tätigkeit wie dem Flechten. Andere Geschicklichkeiten beziehen sich auf komplexe Körperbewegungen, wie Tanzen oder Akrobatik. Das millimetergenaue Erfühlen eines Diamantschleifers unter der Lupe ist auch Geschick. Trotzdem hat keine Tätigkeit Anspruch, auf eine andere übertragen werden zu können.
Mein Fazit: Handlungen über Attribute zu modifizieren ist meist recht willkürlich. Der Spielwert wird auch nicht sonderlich bereichert. Allerdings ist es hübsch komplex und braucht erläuternde Schriftsätze. Toll für ein komplexes Regelwerk, wenn man viele Seiten füllen will.
Talente / StuntsHierbei werden Begriffe
unter eine Anzahl von spez. Handlungen geschoben, welcher diese dann zugeordnet werden. Der Zweck ist, dass diese Talente den Handlungen situationsabhängige Bonis geben. Natürlich wäre der höhere Handlungswert wiederum für eine Probe vollkommen ausreichend. Nur argumentiert man, wo bleibt denn die Coolness? Immerhin macht das den Held ja besonders individuell!
Stimmt das? Wenn der höhere Handlungswert für eine Probe vollkommen ausreichend wäre, ist dann das Talent nicht eigendlich nur ein buntes Etikett für etwas bereits Vorhandenes? Naja, es fühlt sich halt spezieller an, als ein höherer Grundwert einer Handlung. Außerdem klingt "Klettern +16" einfach nicht so cool wie "Klettern +12" addiert mit dem Talent "Adept der heiligen Steinböcke aus der Todesklamm +4!"
Mein Fazit: Spez. Handlungen über Talente / Stunts zu modifizieren, bedient vor allem die subjektive Psyche des Spielers, sich mit seinem Helden einzigartiger fühlen zu dürfen. Der Spielwert wird wiederum nicht sonderlich bereichert, dafür situationsbedingt verkompliziert. Die entsprechende Begründung, warum der Held so toll klettern kann, würde auch eine Beschreibung auf der Rückseite seines Charbogens erfüllen. Allerdings braucht ein solches Subsystem wiederum erläuternde Schriftsätze. Damit wären wir wieder beim Fazit der Attribute, sprich: Toll für ein komplexes Regelwerk, wenn man viele Seiten füllen will.
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So, jetzt habt Ihr etwas Einblick in meine persönliche Gedankenwelt bezüglich der zwei "beliebtesten" Subsysteme. (Ich meine, beliebt bei Autoren) Ich empfinde solche Subsysteme eher als verzichtbares Beiwerk. Deshalb spiele ich auch so gerne mit vereinfachenden Hausregeln.
Meine Meinung wird bestimmt nicht jeder teilen. Drum schreibt jetzt, wo Ihr findet, ich tu Euren Lieblingssystemen Unrecht, meine Ausführungen sind eh grottenfalsch und ich hab im Gegenzug zu Anderen in meinen persönlichen 25 Jahren Spielzeit das Wesentliche an RPGs nicht kapiert... Egal wie andersartig Eure Meinung ist, ich freu mich drauf, sie zu lesen.
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Edit, Weil es des Öfteren Fragen in der Diskussion aufgeworfen hat, habe ich folgende Änderungen im Einganstext vorgenommen:
Das Wort "Fertigkeit" wurde durch "spez. Handlung" ersetzt. Das ist wohl nötig, da manche Systeme die Begriffe "Talent", "Fertigkeit" und "Attribut" unterschiedlich definieren bzw. in einem anderen Kontext verwenden.
Ergänzung des Eingangstextes um das folgende Zitat, um dem Vorwurf zu begegnen, ich bezweifelte die Sinnhaftigkeit, JEDES Subsystem generell:
…..Da sich der Thread in allgemeiner Form an zahllose RPGs richtet, wäre eine allumfassende Beleuchtung aller Subsysteme schlicht uferlos. Ich schaffe es bestimmt nicht, alles darüber zu schreiben und Ihr schafft es bestimmt nicht, alles danach zu lesen.
Es gibt durchaus zusätzliche Mechaniken, die ich bereichernd finde. Vor- und Nachteilsysteme oder (FATE-)Aspekte können den Spieltisch durchaus beleben, da sie zu einer interessanten Darstellung von Charakteren führen kann. Gummipunkte können zu einer taktischen Planung oder Rettung führen. Solche Systeme begrüße ich durchaus, wenn sie in händelbare Regeln gefasst sind. Zwecks der Übersichtlichkeit hab ich solche Sachen aber aus dem Eingangsthread ausgelassen.
...sowie ergänzende Formulierungen und eine Bereinigung von Schreib- und Grammatikfehler, soweit meine Rechtschreibkenntnisse diese gefunden haben.