"Tödliche" Kampfsysteme sind ja selten (ich kenne keines) deterministisch tödlich, sondern meist zufällig tödlich. In der allgemeinen Varianz der Tödlichkeit fällt die zusätzliche Varianz durch Optimierung der grundlegenden Kampftaktik (offen/aus dem Hinterhalt) meist eher wenig ins Gewicht.
Wäre die Frage, wo man die Grenze zwischen deterministisch und zufällig tödlich zieht. Der Übergang ist ja fließend.
Aber es gibt sehr wohl Systeme, in denen ein (erfolgreicher) Hinterhalt einen gigantischen Unterschied machen kann.
Das fängt bei alten Schinken wie CP2020 an, geht über alle Editionen von Shadowrun, Deadlands, Savage Worlds, GURPS, WHFRP 2nd, die 40K-Reihe...um mal ein paar bekanntere zu nennen.
Bei den Randerscheinungen hätte ich noch ein paar, die da noch eine Schippe drauf legen, z.B. Millennium´s End, Corporation oder Twilight 2013.
Oft werden die zugehörigen Regeln oder auch nur die zugehörigen Taktiken (abseits der eigentlichen Spielmechanik) nicht voll gegen die SCs ausgenutzt*, oder die SCs liegen in anderen Bereichen so weit vorne, dass sie das halbwegs ausgleichen können.
Aber wenn die Parteien ansonsten auf Augenhöhe agieren, steht der Sieger bei einem kompetent aufgezogenen Hinterhalt so gut wie fest.
Da ist dann eher die Frage, wie hoch die Verluste sind bzw. ob man sich halbwegs retten kann.
*Da denkt man sich ja teilweise schon beim Durchlesen der Überraschungs-/Hinterhaltregeln, dass man das als SL nicht RAW bringen kann...
Abschließend nocheinmal meine These: Ob ich den Anreizen eines Systems, speziell auf Kampftaktik bezogen, folgen möchte oder nicht ist eine Entscheidung. Ich kenne kein System, in dem die Entscheidung, das nicht zu tun, offensichtlicher, hahnebüchener Unsinn wäre, und nur von geistig Minderbemittelten so getroffen werden kann. Folglich zwingen die mir bekannten Systeme niemanden zu irgendetwas.
Auch hier ist es wieder eine Abwägungsfrage, ab wann man von Unsinn und geistiger Minderbemittelung sprechen will.
Aber z.B. in den oben genannten Systemen ist es sehr leicht, einen SC so zu erstellen (oder mit einem eigentlich "passend" erstellten SC so schlechte taktische Entscheidungen zu treffen), dass man offensichtlich seinen Beitrag nicht leistet und damit die Gruppe reinreißt und/oder selbst massiv auf die Mütze bekommt.
Klassiker: In den meisten oben genannten Systemen (und entsprechenden Settings, wo es mehrere zur Auswahl gibt) einen reinen Nahkämpfer spielen, wenn alle anderen (auch) taugliche Fernwaffen haben.
Der Anspruch, das mein Wunschkonzept im verwendeten System tunlichst zu den mechanisch optimalen gehören soll, erscheint mir etwas sonderbar. Ich weiß doch, welches System gespielt wird, und kann meine Wahl entsprechend treffen. Oder eben die Nachteile (den Mangel an Vorteilen) in Kauf nehmen.
Das geht jetzt etwas vom Kampfsystem weg bzw. beschränkt sich nicht nur darauf, aber es gibt ja durchaus Systeme, die von sich aus recht klare "Wunschkonzepte" mitbringen.
Da ist es einerseits eigentlich unnötig, das auch noch mechanisch zu belohnen, weil man ja davon ausgehen kann, dass die Spieler die Prämisse verstanden haben und aus eigenem Antrieb umsetzen - sonst würden sie ja etwas anderes spielen.
Andererseits gibt es aber durchaus Systeme, die eben doch kleine und große Anreize setzen, sich "erwartungsgemäß" zu verhalten.
Der Gewinn dabei ist für jeden einzelnen Spieler ein mechanischer und insgesamt ein atmosphärischer.
Finde ich gar nicht so verkehrt,
wenn es clever aufgezogen ist.
Es gibt ja immer wieder Spieler, denen man die Nachteile ihrer Wahl lang und breit erklären kann, sie diese erstmal akzeptieren und dann doch lauthals rummosern.
Oder grundsätzlich irgendwas spielen müssen, was grob von der System- und Settingprämisse abweicht, mit den entsprechenden mechanischen und atmosphärischen Reibungsverlusten.
Wenn man wenigstens einem Teil davon mit passend ausgerichteten Regeln beikommen kann, ist mir das schon ganz recht - obwohl die Lösung eigentlich komplett auf der Metaebene erfolgen kann (und sollte?).