Hallo allerseits,
ich wollte mal erzählen, wie die Sache ausgegangen ist:
Insgesamt hat das Abenteuer den Spielern und mir viel Spaß gemacht, und alle fanden es gerade durch die Beziehungen der Charaktere untereinander und ihre dunklen Geheimnisse eine besondere Spielerfahrung. Im Anschluss an die Sitzung hatten sie auch Spaß daran, sich gegenseitig zu verraten, was für Untaten ihre Charaktere begangen hatten. Gut geklappt hat auch, dass offgame nichts ausgeplaudert oder diskutiert wurde, und dass charaktergerecht gespielt wurde. Zum Beispiel hatte ich vorher die Spieler darauf hingewiesen, wenn ihr Charakter z.B. unterdurchschnittlich intelligent war, und auch dass bei allen die geistige Stabilität ziemlich niedrig war. Das setzten alle gut um.
Wenige der Geheimnisse wurden ingame offenbart. Es kam zum einen heraus, dass Göke die Silbermünzen im Stall versteckt hatte (er drehte ein bisschen durch und brüllte seine Geschwister an, sie sollten die Finger von seinem Schatz lassen). Ansonsten äußerte Frauke später noch ihren Verdacht, dass Swantje mit Redelf verbandelt war, und dass es bestimmt am Inzest läge, dass Wiebke so verblödet sei. Es klang auch an, dass sie mit Hillrich ein Verhältnis hatte. Von den diversen Morden, die alle so auf dem Kerbholz hatten, kam nichts heraus.
Zum Thema, inwieweit die Spieler durchschaut/ herausgefunden/geahnt haben, was hinter dem Abenteuer steckt, sind sie dem Rätsel nicht sehr weit auf die Spur gekommen. Allerdings fanden sie das nicht schlimm. Wir hatten in dieser Besetzung in der Vergangenheit schon mehrere Cthulhu-Abenteuer gespielt und scheinen uns wohl gut damit arrangiert zu haben, dass es eher um den Horror und das Ausspielen des drohenden Wahnsinns geht als um erfolgreiche Detektivarbeit.
Zwei Logiklöcher fanden sie etwas unbefriedigend, die mir auch aufgefallen waren: Erstens dass die Goulsens in der ersten Nacht Amok gelaufen sein sollten, obwohl sie ja mit dem Schiff auf der Sandbank feststeckten. Das Hin- und Herschwimmen zum Schiff war dann schon etwas weit hergeholt. Zweitens dass Swantje gar nicht tot war, sondern nur bewusstlos. Zwar hatte ich sie extra noch eine leere Pillendose neben Swantje finden lassen, aber trotzdem fanden sie es seltsam, dass Swantje erst tot gewirkt hat und dann plötzlich aus dem Koma erwacht und munter nach Tammensiel läuft. Vielleicht wäre es schlüssiger gewesen, wenn ein Koma infolge des Selbstmordversuchs festgestellt worden wäre. Dann hätten die Charaktere sie erstmal ins Bett verfrachtet, und sie hätte trotzdem später weglaufen können.
Im Gegensatz zum Rest der Gruppe sagte eine der Spielerinnen hinterher, sie habe geahnt, dass die Goulsens selbst die Monster sein könnten. Sie fand diese Erkenntnis aber für Frauke nicht passend und äußerte sie deshalb nicht ingame. Statt dessen ließ sie Frauke mutmaßen, ob Imke wohl ihre Nachkommen verflucht haben könnte.
Manche im Abenteuer erwähnten Erfahrungen, z.B. dass „früher oder später so ziemlich jede Gruppe auf die Idee kam, die Silbermünzen seien verflucht und müssten deshalb wieder zurückgebracht werden“ kann ich für meine Gruppe nicht bestätigen.
Während des Abenteuers ist es so gelaufen:
Getreu ihren Charakterbeschreibungen haben die Spieler von Frauke und Göke sich anfangs schon Gedanken gemacht, wer wohl den Hof erben wird und waren später sehr auf den Piratenschatz und ihren möglichen Reichtum fixiert. Die Vernichtung des Bösens, das auf der Insel sein Unwesen trieb, hatten sie überhaupt nicht auf der Agenda, und auch die anderen beiden Charaktere hatten sich nicht wirklich dahintergeklemmt.
Imkes Brief sollte ja eigentlich Auslöser für Aktionen sein, das hat bei uns nicht so recht funktioniert. Nach dem Lesen waren die Charaktere (und Spieler) eher ratlos. Sie vermuteten nicht, dass die Menschen in Tammensiel das Böse sein könnten wie der Autor beabsichtigt hatte, und sie wollten auch abends im Dunkeln nicht gleich die Kirche zerstören oder erkunden. Nach einem Ideenwurf fiel ihnen zumindest noch ein, dass Imke deshalb den Brief an Hillrich gerichtet hatte, weil diese beiden als einzige nur angeheiratet und damit keine Goulsens waren. Dennoch konnten die Charaktere daraus nichts weiter ableiten. Sie wollten sich schlafen legen und am nächsten Tag weitersehen.
Da ich Wiebke als NSC führte, ließ ich sie plötzlich laut hinter ihrer Mutter herrufend aus dem Haus laufen, weil sie mitbekommen hatte, dass die vermeintlich tote Swantje gerade aus dem Fenster geklettert und Richtung Kirche abgehauen war. Die Charaktere haben Wiebke erstmal wieder ins Haus gebracht, um ihr zu beweisen, dass ihre Mutter wirklich tot ist, nur um festzustellen, dass sie weg war. Das brachte sie dann doch dazu noch in der Nacht zur Kirche zu gehen.
Göke war nicht mitgekommen, sondern nutzte die Ablenkung, um vor den anderen zur Kirche zu gelangen. Zwar waren die anderen Goulsens kurz hinter ihm, aber es gelang ihm, schnell die Silbermünzen zusammenzuraffen und Richtung Hafen zu gehen, um sich mit dem Geld abzusetzen. Mit den seltsamen Umstände um Hillrichs Tod, der Flöte etc. hat er sich in seriner Geldgier nicht weiter beschäftigt. Auch als er auf dem Weg zum Hafen Tammensieler sah, die Findlinge durch die Gegend karrten, war ihm das auch egal.
Die anderen Goulsens fanden in der Kirche die nun schon offene Grube mit Hillrich, waren gebührend schockiert und nahmen die Flöte und die Aufzeichnungen mit. Bei diesen Handouts bin ich so verfahren, wie ich im Thread angekündigt hatte, daher brüteten die Spieler auch nicht groß über den vielen Informationsschnipseln.
Eine Spielerin merkte ganz fix, dass die Maße im Grundriss des Pastorats nicht stimmten (hätte ich gar nicht erwartet), so dass sie das Geheimversteck mit der Leiche des Pfarrers und dem Tunnel schnell fanden. Redelf weigerte sich wegen seiner Klaustrophobie, durch den engen Durchgang zu gehen und Frauke wollte den Tunnel nur deshalb erkunden, weil sie dort einen Schatz vermutete, denn schließlich hatte Hillrich ihr Reichtum versprochen. Tjarko taperte ihr natürlich brav hinterher. Das führte aber dazu, dass die beiden sich gar nicht weiter im Zimmer umsahen und somit auch nicht die Tagebuchaufzeichnungen fanden, die ja so einiges erklären. Vielleicht hätte ich hier wieder Wiebke einschalten können, die das Dokument findet, aber irgendwie habe ich zu spät geschaltet und diese Gelegenheit verstreichen lassen.
Inzwischen waren die Tammensieler angerückt und begannen mit dem Ritual, was die Charaktere aus einem Gebüsch heraus beobachteten. Auch das Tor konnten sie schon über dem Kirchturm leuchten sehen. Am meisten schien sie aber die Frage zu beschäftigen, warum Swantje bei ihnen war. Besonders Redelf war davon regelrecht besessen.
Zu diesem Zeitpunkt sagte ich den Spielern, dass ihre Charaktere sich an das Fresko in der Kirche erinnert fühlten, in dem ja auch ein Steinkreis errichtet wurde. Übrigens ist in meiner ganz alten Fassung des Abenteuers ein Bild davon abgedruckt, was ich gut finde, während das Fresko in der neu überarbeiteten Version nur mit Worten beschrieben wird.
Tatsächlich entdeckte Frauke auf dem Bild auch den „Engel“ mit der seltsamen Posaune, die genau wie die Flöte aussah, also kam es ihr den Kopf, mal in die Flöte zu pusten. Ich fand das klasse, denn obwohl die Spieler mit Cthulhu-Erfahrung sich denken konnten, was für ein Disaster das nach sich ziehen würde, wusste die Spielerin eben, dass Frauke nicht die hellste war und sich solche schlimmen Folgen nicht vorstellen würde. Als die Flöte sich mit Frauke verband und die schrecklichen Töne herauskamen, versuchten die anderen, die Flöte abzureißen oder kaputtzumachen und schlugen Frauke schließlich k.o. Als all das nicht half, verfiel Tjarko in Panik und begann, mit dem Messer in Fraukes Gesicht herumzusäbeln, um die Flöte herauszuschneiden. Der Spieler und ich waren uns schnell einig, dass er halb wahnsinnig immer weiter „operierte“, bis er Frauke schließlich den Hals aufgeschlitzt hatte und die Flöte schließlich durch ihren Tod zu Boden fiel.
Die Tammensieler kamen natürlich auch angerannt, ich hatte aber zu dem Zeitpunkt nicht viel Lust, noch lange einen Kampf auszuwürfeln. Mit den Spielern habe ich mich darauf geeinigt, dass sie sich aufgrund der Gewehre der Tammensieler zur Kirche abführen lassen. Redelf riss sich los, rannte zur Strickleiter und kletterte auf den Turm, denn er wollte unbedingt seine Geliebte Swantje zur Rede stellen. Dass sie mehrfach brüllte: „Er ist einer von den Goulsens! Tötet ihn“ hielt ihn nicht ab. Auf der Mauerkrone ließ sie sich aber auf kein Gespräch ein.
Nun ließ ich den Sänger erscheinen, dessen Ankunft durch das erneute Spielen der Flöte beschleunigt worden war. Ich beschrieb also, was passierte, und dass die Goulsens (inklusive Göke, der noch auf der Insel war) am nächsten Morgen zwischen all den Leichen und mit Menschenfleisch im Bauch aufwachten. Kurz überlegte der eine oder andere, ob er sich einfach eine Kugel in den Kopf jagen sollte, aber insgesamt waren die Spieler zögerlich, genau festzulegen, wie ihr Charakter mit dieser Erkenntnis umgehen würde, also ließen wir das offen.
Im Nachhinein sagten alle Spieler, dass sie etwaige Aktionen wie durch das Tor zu gehen oder die Flöte hindurchzuwerfen gar nicht in Erwägung gezogen hätten. Vielleicht war es von mir undeutlich beschrieben worden, aber sie hatten nicht den Eindruck, dass man das Tor überhaupt durchschreiten könnte, weil es ja ein Riss oben am Himmel war. Allerdings glaube ich, dass sie auch sonst nichts in der Richtung unternommen hätten. Im Abenteuer stand ja, dass vielleicht der krebskranke Redelf sich opfern würde, oder einer der Charaktere wegen der Sehnsucht, einen Neuanfang weit weg von Pellworm zu wagen. Das hatte aber keiner der Spieler so gedeutet.
Insgesamt war mein Eindruck, dass die Spieler viel mehr auf das Ausspielen ihrer Charaktere und deren ganz persönlichen Motive konzentriert waren als auf die Beseitigung der schrecklichen aber irgendwie abstrakten Bedrohung. Was ich auch in Ordnung finde, denn wie gesagt geht es in dem Abenteuer genau darum. Andere Gruppen ticken da vielleicht noch anders und wollen lieber das Abenteuer „lösen“. Die schauen vielleicht eher über den Tellerrand ihrer 1920er Bauern-Charaktere hinaus und investieren mehr Energie in Lösungsstrategien, um das Böse von dieser Welt zu verbannen.