Um für mich mit dem Thread abzuschließen, klamüsere ich hier noch mal die Aspekte der Diskussion auseinander:
Erster und für viele wahrscheinlich entscheidender Stein des Anstoßes war, dass die von Steffen vorgeschlagene Methode die Spieler im unklaren darüber lässt, wie in typischen Würfel-Situationen Entscheidungen über den Ausgang zustande kommen. Das Hauptproblem an dieser Methode ist für mich (und einige andere wohl auch), dass sie nicht offen in der Gruppe aushandelbar, da sie auf dem Informationsvorsprung der SL basiert.
Damit ist erst einmal noch gar nichts gegen andere Formen der Entscheidungsfindung als Würfeln gesagt - die können beispielsweise im Spiel angelegt sein (Fiasco, wo man würfelt, um eine Ausgangssituation zu erschaffen, aber nie, um Entscheidungen herbeizuführen) oder einfach in der Gruppe abgestimmt sein (ein SC mit mindestens 50% in einer Fertigkeit hat in allen Situationen automatisch Erfolg, die nicht extrem dramatisch sind; oder auch: Die SL entscheidet, was dramatisch gerade angemessen ist).
Das Problem ist vielmehr, dass die Entscheidung eines Spielers (nicht des SC) für einen bestimmten Modus der Entscheidungsherbeiführung negiert wird, weil die SL insgeheim einen anderen Modus wählt. Der Spieler sagt: "Ich will die Entscheidung durch ein Würfelergebnis bestimmen lassen", die SL handelt aber insgeheim so, dass diese Absicht des Spielers nicht zum Tragen kommt.
Das mögliche Problem, dass sich der Spieler damit in die Hände der willkürlich entscheidenden SL begibt, ist noch mal ein anderes: Das kann man mögen oder auch nicht, solange ein solches Verfahren aber offen abgesprochen ist - also alle wissen, dass die SL entscheidet und damit einverstanden sind - ist dagegen m.E. nicht das Geringste einzuwenden (auch, wenn es mir persönlich langweilig vorkäme). In jedem Fall ist nicht gesagt, dass die Entscheidung des Spielers durch einen SL-Entscheid entwertet wird (natürlich kann die SL so entscheiden, dass die Entscheidungen des Spielers immer wieder nicht zum Tragen kommen; das ist aber nicht gesagt).
Entwertet der Würfel Spielerentscheidungen, wenn beispielsweise eine Probe misslingt? Ich würde behaupten: Der Würfel allein kann das nicht. Eine Entscheidung ist nämlich nicht dann entwertet, wenn das Vorhaben nicht zum Erfolg wird; sie ist dann entwertet, wenn das Vorhaben keinerlei Konsequenzen hat, wenn es also ist, als wäre die Entscheidung nie getroffen worden. Es liegt aber eigentlich immer im Rahmen der Ausinterpretation des Würfelergebnisses (sei es durch die SL oder durch SL/Spieler in Zusammenarbeit), den Versuch einer Handlung mit einer Konsequenz zu versehen - nach dem Wurf hat die Situation sich irgendwie verändert. Auf dieser Ebene nehmen sich Würfeln und SL-Entscheid kaum etwas: In beiden Fällen kann eine mit umfassenden Erzählrechten ausgestattete SL eine Entscheidung entwerten (folgenlos machen) oder ihr (sei es im Erfolgs- oder im Misserfolgsfall) Konsequenzen verleihen. Hier hat das Würfeln allerdings einen kleinen Vorteil: Der Spieler kann sich, wenn er das Gefühl hat, dass seine Entscheidung entwertet wurde, evtl. auf ein positives (oder auch extrem negatives) Würfelergebnis berufen und erklären, dass aufgrund eines solchen Ergebnisses ja wohl irgendwas Einschneidendes - ein Erfolg oder ein Misserfolg mit Folgen, mehr jedenfalls als ein "nichts passiert" - eintreten sollte. Aber ehrlich gesagt: Wenn es schon so weit ist, dass man mit der SL anhand von Würfelergebnissen darum zergeln muss, dass die Handlungen des eigenen SC Konsequenzen haben, ist der Gruppenvertrag wahrscheinlich nicht besonders funktional.
Wir haben also - nochmal - zwei Ebenen, auf denen Spielerentscheidung entwertet werden können:
Die Entscheidung des Spielers für ein bestimmtes Verfahren wird von der SL unterlaufen, indem sie heimlich das Verfahren ändert.
Die Entscheidung des Spielers für das Handeln seines SC wird entwertet, indem die SL Konsequenzen für die Handlung verweigert.
Nur erstere Art der Entwertung entsteht in der von Steffen vorgestellten Methode zwangsläufig; die zweitere kann enstehen, muss aber nicht, und sie kann genauso beim "richtigen" Würfeln entstehen.
Eulenspiegels Ansatz ist noch mal ein ganz anderer: Die erste Form der Entwertung kommt da nicht zum Tragen, weil ja alle darüber informiert sind, dass die SL nebenher "Wahrscheinlichkeitsrechnung" betreibt. Hier gilt also wieder: Wenn alle sich darauf einigen - bestens. Ich würde mir den Verwaltungsaufwand als SL niemals zumuten wollen, insbesondere, da in meinen Augen die Erfolge oder Misserfolge dann am Ende doch wieder quasi-zufällig verteilt wären und ich auch gleich würfeln kann, wenn ich davon ausgehe, über etwas längere Zeit zu spielen, sodass die Ergebnisse sich irgendwann ausmitteln.
Das Argument, dass Eulenspiegels Idee die Entscheidung, Punkte in einen Wert zu pumpen, besser honoriert als das Würfeln (Weil bei einem Würfelwurf ja theoretisch jedes Mal aufs neue ein Misserfolg fallen kann, auch, wenn ich 90% Erfolgswahrscheinlichkeit habe, während in Eulenspiegels Methode die 90% mindestens als Additionsmasse zum Tragen kommen), stimmt aber in der Wirklichkeit auch nicht - weil in der Wahrscheinlichkeiten eben Erleb- und Messbare Auswirkungen haben. Wenn ich mich im Auto anschnalle, senke ich dadurch messbar die Wahrscheinlichkeit, bei einem Unfall zu sterben. Das liegt daran, dass es anscheinend mehr mögliche Situationen gibt, in denen ich ohne Anschnallgurt sterbe, als welche, in denen ich mit Anschnallgurt sterbe. Trotzdem kann ich theoretisch bei jedem einzelnen Unfall neu in die Situation kommen, dass ich trotz meines Anschnallgurts (vielleicht sogar wegen meines Anschnallgurts) sterbe. Ist dadurch die Entscheidung, einen Anschnallgurt anzulegen, jetzt entwertet? In meinen Augen nicht. Die Entscheidung hat eine Konsequenz, die im schlimmsten Fall sogar negativ sein kann - ich treffe sie aber, weil ich davon ausgehe, dass die Zahl der positiven Konsequenzen, die diese Entscheidung haben kann, größer ist. Und das entspricht messbar der Wahrheit, auch, wenn sich daraus keine Einzelfallvorraussage ableiten lässt.
Kurz: Auch, wenn man die Würfel entscheiden lässt, hat die Entscheidung für bestimmte gute oder schlechte Werte eine beobachtbare Konsequenz im Spiel.