Es gibt im Rollenspiel prinzipiell zwei Entscheidungsmöglichkeiten:
1) Richtungsentscheidungen: In welche Richtung entwickelt sich die Kampagne? Welche Szene kommt als nächstes? Welcher Konflikt kommt als nächstes?
2) Konfliktentscheidungen: Wie wichtig ist mir, dass ich den Konflikt gewinne? Wie wichtig ist mir, dass mein SC das jetzt schafft?
Während Richtungsentscheidungen traditionell nicht dem Zufall überlassen werden (Ausnahmen bestätigen die Regel), spielt bei Konfliktentscheidungen traditionell der Zufall eine große Rolle (auch hier gibt es selbstverständlich Ausnahmen). Und wie es bei Zufall üblich ist, kann man Glück haben und mehrmals hintereinander gehen die Konflikte in die gewünschte Richtung aus. - Oder man hat Pech und die Konflikte gehen mehrmals hintereinander in die unerwünschte Richtung aus. Alles in allem hofft man aber darauf, dass sich Glück und Pech ausgleichen und man am Ende des Spielabends mehr oder minder gleichviel Glück und Pech hat. Aber ist dem wirklich so?
ZusammenfassungDer erste Schritt, die Analyse, greift nicht in den Spielverlauf ein. Dieses Verfahren dient nur dazu, festzustellen, wieviel Glück oder Pech man bisher am gesamten Spielabend hatte. Die Analyse für sich genommen ist also rein informativ. Im 2. Schritt erläutere ich Verfahren, wie man anhand dieser Informationen dann in die Konfliktauflösung eingreifen kann.
1. Analyse:Hierfür benötigt der SL pro Spieler 1 Zettel. Zu Beginn steht auf jedem Zettel eine 0. (Und optimalerweise noch der Name des jeweiligen Spielers.
)
Immer wenn der Spieler eine Probe macht, schreibt der SL die folgenden Sachen auf den Zettel:
1) Der SL addiert die (ursprüngliche) Wahrscheinlichkeit, dass dem SC die Probe gelingt, zur Zahl auf den Zettel. (Die neue Zahl wird aufgeschrieben und die alte Zahl wird durchgestrichen.)
2) Wenn dem SC die Probe gelungen ist, werden nochmal 100% von der aktuellen Zahl abgezogen (und diese Zahl dann auf den Zettel geschrieben).
Zur Erklärung:
- Wenn auf dem Zettel eine 0 steht, dann ist der SC wahrscheinlichkeitstechnisch im Durchschnitt. Das heißt, er hat so viele Proben bestanden, wie es durchschnittlich zu erwarten wäre.
- Wenn dort eine Zahl über 0 steht, dann hatte der SC bisher Pech: Ihm sind mehr Proben misslungen als es wahrscheinlichkeitstechnisch zu erwarten wäre. (Je höher die Zahl, desto größer sein Pech.)
- Wenn dort eine Zahl unter 0 steht, dann hatte der SC bisher Glück. Ihm sind mehr Proben gelungen als es wahrscheinlichkeitstechnisch zu erwarten wäre. (Je niedriger die Zahl, desto größer sein Glück.)
2. Eingriff:Hier benutzt der SL nun die Zahl, die er im ersten Schritt ausgerechnet hat, um die Probe zu beeinflussen. Ziel ist es dabei, dass die SCs am Ende des Spielabends etwa gleichmäßig viel Glück und Pech haben. (Das heißt, weder "Glück" noch "Pech" sollen dominieren.) Ein weiteres Ziel ist es, dass die Entscheidung des Spielers, die Wahrscheinlichkeit für seine Probe zu erhöhen, auf alle Fälle relevant ist.
Es gibt nun zwei Möglichkeiten, einen Eingriff vorzunehmen:
1. Möglichkeit:
Solange die Zahl auf dem Zettel zwischen -200% und +200% steht, findet kein besonderer Eingriff statt. Das heißt, die Probe wird ganz normal so aufgelöst als hätte der SL diesen Thread hier niemals gelesen.
Wenn auf dem Zettel eine Zahl unter -200% steht, misslingt dem Spieler die Probe sehr, sehr, sehr wahrscheinlich.
Wenn auf dem Zettel eine Zahl über +200% steht, gelingt dem Spieler die Probe sehr, sehr, sehr wahrscheinlich.
2. Möglichkeit:
Die Zahl, die auf dem Zettel steht, wird durch n geteilt. (n sollte eine natürliche Zahl größer 0 sein. Falls man keinen Taschenrechner dabei hat und im Kopfrechnen schwach ist, bietet sich n=10 an.) Die so berechnete Zahl dient dann als Modifikator für die Probe.
Beispiel:
Der Spieler hätte normalerweise eine Chance von 75%, die Probe zu schaffen. Auf seinem Zettel steht aber ein +120%. Der SL rechnet kurz für n=10 und erhält: 120%/10 = 12%. Das heißt, der Spieler erhält einen Modifikator um +12%. Oder in anderen Worten: Seine Probe wird um 12% erleichtert.
Damit ist seine Wahrscheinlichkeit, die Probe zu bestehen also bei 75%+12% = 87%.
geeignete Systeme:Für welche Systeme kann man diese Technik anwenden?
Grundsätzlich lässt sich diese Technik bei allen Systemen anwenden, bei denen Erfolg oder Misserfolg zufällig bestimmt werden. Allerdings kann es bei einigen Systemen recht aufwendig sein, die Wahrscheinlichkeiten zu berechnen. (Zum Beispiel bei LOT5R.)
Optimal geeignet ist es daher für Systeme, bei denen die Probe auf 1W6 oder 1W20 oder 1W100 basiert. (Weil sich hier die Wahrscheinlichkeiten leicht ausrechnen lassen.)
Zielgruppe für die Technik:Zielgruppe sind Leute, die eine Mischung aus Determinismus und Zufall bevorzugen. Die dem Zufall (egal ob Würfel oder SL) tendenziell misstrauen, aber nicht vollkommen darauf verzichten möchten.
Zielgruppe sind ferner Leute, die sichergehen möchten, dass niemand aus der Gruppe über Gebühr durch den Zufall benachteiligt wird. (5 Patzer in Folge sind zwar unwahrscheinlich, aber dafür um so ärgerlicher, falls sie dennoch mal auftauchen.)
Zielgruppe sind weiterhin Leute, denen es wichtig ist, dass ihre Entscheidung, Einfluss auf den Konflikt zu nehmen, auf alle Fälle relevant ist.