"Fate Worlds Volume One: Worlds on Fire" ist der erste Quellenband zu Fate, den ich gelesen habe. Obwohl ihn wahrscheinlich viele Tanelornis kennen, gibt es hier keine Rezension. Ich hätte gern eine gelesen, bevor ich mir das Buch zugelegt habe. Also schreibe ich hier mal kurz, was mir gefallen hat und was nicht so sehr. Vielleicht kommt es ja zu einem kleinen Meinungsaustausch. Das würde mich freuen.
Das Buch enthält 6 Kapitel mit unterschiedlichen Herangehensweisen, für Fate Core Welten zu erschaffen. Die Kapitel stehen für sich und können einzeln betrachtet werden.
1. Tower of the Serpent
Das ist kein Setting, sondern ein Abenteuer. Es wird aber bereits in den Fate Core Regeln deutlich, dass ein Fate Core Abenteuer normalerweise auch Welterschaffungsaspekte beinhaltet. So auch hier. Das Abenteuer bildet den Hintergrund der Rollenspielrunde aus Beispielen des Fate Core Regelwerkes mit den Charakteren Landon, Cynere und Zird ab. Gleichzeitig werden ein paar Örtlichkeiten und ein paar Strippenzieher einer Fantasystadt mitsamt ihren Helfern und Helfershelfern beschrieben. Ein bisschen inkonsequent ist möglicherweise, dass hier doch einiges mehr vorherbestimmt ist, als das in der Szenariobauanleitung der Fate Core Regeln angeregt wird (insbesondere werden relativ viele Lokalitäten beschrieben, während es in Fate Core heißt: "Vielleicht hast du bemerkt, dass wir nicht empfehlen, im Vorfeld zu bestimmen, welche Szenen und Örtlichkeiten in deinem Szenario vorkommen [...] (S. 254)". Naja, genau das wird hier aber durchaus getan).
Nun zum Positiven: Ich finde das Abenteuer wirklich super! Es hat einen offenen Beginn mit relativ starken Verhandlungsanteilen, im Mittelteil steht ein Einbruch im Zentrum in dessen Verlauf es zu einigen anspruchsvollen Konflikten kommt, im Schlussteil müssen die Charaktere aufpassen, dass sie nicht zwischen den verschiedenen Machtgruppen im Hintergrund zerrieben werden. Ich halte das für eines der besten Einführungsabenteuer, die ich seit langem gelesen habe: Starker Rollenspielanteil, grundlegende Regelmechanismen können auf einer überschaubaren Ebene ausprobiert werden, die Kämpfe sind happig, einfach nur draufhauen wird nicht funktionieren, und nach dem Abenteuer sind die Charaktere mit vier (!) wichtigen Machtfaktoren innerhalb der zugrunde liegenden Stadt aneinander geraten und haben sich positioniert. Dann kann auch ein freies Spiel folgen, so wie es in den Regeln angedacht ist. Ich bin begeistert, werde das Abenteuer ein bisschen anpassen und selbst ausprobieren.
2. White Picket Witches
Das ist ein Gegenwartssetting auf einer kleinen Insel mit magisch potentiellen Orten. Die Stories hören sich ein wenig an, wie: "Desperate Housewives treffen auf die Hexen von Eastwick". Das kann eventuell ganz reizvoll sein, ein paar Sachen stören mich aber: Die Regeln zu diesem Setting beinhalten viele neue Begriffe, die verwirrend wirken, bei genauerem Hinsehen aber oft nichts anderes sind, als Umbenennungen des Grundregelwerkes (High concept heißt jetzt Canon Aspect, Trouble heißt Tragic Flaw, etc. Conflicts heißen nun Face-Off und sind leicht modifiziert, weil sie an magischen Orten stattfinden, die den Ausgang der Auseinandersetzung mitbeeinflussen. Im Prinzip muss ich aber sechs Seiten neue Konfliktregeln lesen um hinterher auseinanderzuklamüsern, welche dieser Regeln jetzt dem Grundregelwerk entsprechen, und welche sich davon unterscheiden. White Picket Witches benutzt darüber hinaus ein Fertigkeitensystem, dass viel näher an Fate Accelerated dran ist, als an Fate Core. Deckungsgleich mit Fate Accelerated ist es allerdings auch wieder nicht. Ich muss also ein drittes Fertigkeitensystem lernen. Das Magiesystem ist ziemlich offen und in meinen Augen in Ordnung, am Ende finden sich noch ein paar ausgearbeitete NSC. Fazit: White Picket Witches bedarf eines relativ hohen Einarbeitungsaufwands. Ich bin etwas skeptisch, ob sich das lohnt.
3. Fight Fire
Sicherlich die ungewöhnlichste Idee des Bandes: Die Spieler schlüpfen in die Rolle von Feuerwehrleuten und bilden eine Einsatzgruppe. Der Leser bekommt relativ viel Hintergrundwissen über Brandbekämpfung, es folgen leicht abgeänderte Regeln zur Charaktererschaffung, 9 Fertigkeiten, die speziell auf Brandbekämpfung und das soziale Miteinander auf einer Feuerwache fokussiert sind, ersetzen die für Fate Core üblichen 18 allgemeinen Fertigkeiten, dann folgen Spielleiterhinweise für die Organisation der Einsatzgruppe. Vorbildlich finde ich an diesem Setting wie die bronzene Regel von Fate Core exemplarisch in allen Facetten dargestellt wird: In Fate kannst du alles in der Spielwelt wie einen Charakter behandeln. Alles kann Aspekte, Fähigkeiten, Stunts, Stressbalken und Konsequenzen besitzen, wenn du es für nötig hältst. Und so gibt es hier auf einem sehr eingeschränkten Bereich verschiedenste Möglichkeiten: Feuer als Aspekt, Feuer als Herausforderung und Feuer als komplett ausgearbeiteter, den Charakteren ebenbürtiger Nichtspielercharakter mit eigenen Aspekten und speziellen Fertigkeiten.Den Abschluss machen ein paar ausgearbeitete Einsatzorte mit unterschiedlichen Herausforderungen. Die Settingbeschreibung gibt sich Mühe, über das Abhandeln von Brandbekämpfung hinaus ein paar Spielideen einzubringen: Rivalitäten, Freundschaften und Konkurrenz der Feuerwehrleute untereinander, die Familien zuhause, Spannungen mit den Vorgesetzten... trotzdem wird bei diesem Setting das Hauptaugenmerk stets auf der Brandbekämpfung (und damit in gewisser Weise auf Kampf) liegen. Fazit: Eine tolle Idee, die die Möglichkeiten von Fate Core sehr anschaulich vor Augen führt. Aufgrund der Dominanz der Konfliktermittlung ist es aber auch ein Setting, in dem ein paar Spielrunden reizvoll sein können, in dem ich mir eine längere Kampagne aber nur schlecht vorstellen kann.
4. Kriegszeppelin Valkyrie
Ein Pulpsetting mit dem Dogfight von Doppeldecker-Jagdflugzeugen im Zentrum des Geschehens. Nach dem ersten Weltkrieg hat sich ein verrückter deutscher Wissenschaftler auf den Kilimanjaro zurückgezogen um von dort aus mit seiner Produktion von automatikgesteuerten Doppeldeckern (galvanic fighters) Terror und Schrecken über den afrikanischen Kontinent zu bringen. In guter Kolonialherrenart bricht ein internationales Kontigent an Kampfpiloten auf, um dem Bösewicht das Handwerk zu legen. Die Jagdflugzeuge befinden sich an Bord eines gigantischen Zeppelins, der die Aufgabe eines fliegenden Flugzeugträgers übernimmt. Auf diese Weise bewegen sich die Spielercharaktere und ihre Doppeldecker von Südeuropa nach und nach in Richtung Kilimanjaro, wo der Showdown erfolgt. Die Regeln für Aspekte und Fertigkeiten sind leicht verändert, aber weitgehend aus Fate Core übernommen. Es werden einige neue typische Jagdfliegerstunts aufgeführt. Die Flieger besitzen Flugzeuge etwas unterschiedlicher Qualität, die als Equipment eingeführt werden und mit der Erholungsrate verrechnet werden. Die Luftkampfregeln sind so simpel wie genial: Bevor man einen Treffer landet, der mehr als Minimalschaden anrichtet, muss man einen Vorteil erschaffen haben. Auf diese Weise wird abgebildet, wie die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten Überraschungsangriffe von oben oder unten, Ausweichmanöver und Kurvenduelle führen. Eine zweite Spielebene stellt der militärische und zivile Ruhm dar: Nach jedem Konflikt wird dem Kommandanten des Zeppelins und dem mitfliegenden Journalisten (Ernest Hemingway!) Bericht erstattet. Auf diese Weise geraten die Flieger zu Ruhm und Ansehen. Weitere Möglichkeiten auf zwischenmenschlicher Ebene ergeben sich durch die unterschiedlichen Nationalitäten und Charaktere. Es wird vorgeschlagen (ähnlich wie bei Fiasco) für die Charaktere der beiden benachbart sitzenden Spieler Relationships einzuführen.Den Abschluss bilden eine Reihe von Ideen für Ereignisse (von Aufwärmkämpfen bis zur Lokalpolitik), eine Menge Nichtspielercharaktere und vorgefertigte Spielercharaktere und ein etwas präziser ausgearbeiteter Showdown. Fazit: Spaßige Sache, der zusätzliche Regelaufwand hält sich in Grenzen. Das kann für 3, 4 oder 5 Sitzungen eine schöne Sache sein.
5. Burn Shift
Das ist ein Postapokalypse Setting, das sich dadurch auszeichnet, dass alle genretypische Konventionen zusammengepackt wurden und möglich sind: Menschen, Mutanten, Tiere, die eine höhere Intelligenz entwickelt haben, Roboterarmeen mit künstlicher Intelligenz. Das Kapitel beginnt mit einer kurzen Einführung, einem Zeitstrahl der Ereignisse und möglichen Themen, die man bei der Verwendung des Setting in einer Kampagne verwenden kann. Auch für den Ton, in dem das Spiel gehalten ist, werden ein paar Möglichkeiten genannt. Es folgen ein paar mögliche Character Concepts, die dem High Concept von Fate Core entsprechen. Dann werden "Genotypen" aufgeführt (Menschen, Mutanten, Mutierte Tiere, Mechs). Der Genotyp ist einerseits ein weiterer Aspekt, für den mögliche Aktivierungen und Möglichkeiten zum Reizen aufgeführt werden. Andererseits bringt der Genotyp unterschiedliche Möglichkeiten mit sich, einen Charakter mit Extras zu bestücken. Abgesehen von den Menschen müssen die Charaktere auch einen Nachteil auswählen. Im Folgenden werden die Fertigkeiten von Fate Core ein klein wenig angepasst. Dann kommt die eigentliche Besonderheit des Settings: Jeder Charakter hat +1 Aspekt, +2 Stunts und +6 Fertigkeitenpunkte. Mit diesen Bonusgaben lassen sich aus der gesamte Palette von postapokalyptischen Besonderheiten individuelle Eigenschaften erkaufen. Ein paar Bedingungen ergeben sich schon durch den Genotypen. Ein Beispiel: Wenn ich ein mutiertes Tier spiele, bekomme ich die Anweisung: "Nimm einen Aspekt, der einerseits deine menschliche Intelligenz, aber auch deine tierische Abstammung anzeigt. Du musst auch wenigstens einen Nachteil wählen." Mit dieser Bedingung wäre also der zusätzliche Aspekt schon ausgegeben, die +2 Stunts und +6 Fertigkeitenpunkte stehen aber noch zur Verfügung. Der Katalog umfasst dann diverse Mutationen (z. B. zusätzliche Gliedmaßen, Kosten: 1 Aspekt und 1 Stunt oder neues Fortbewegungsmittel [z. B. Flügel], Kosten: 3 Stunts). Es folgen die Nachteile (z. B.: Bluterkrankheit, temporärer Wahnsinn oder gestörte Sinneswahrnehmungen), dann wird erklärt, wie ein Charakter neue Mutationen bekommen kann oder bereits existierende Mutationen verstärkt werden können. Im nächsten Kapitel wird eine Gemeinschaft als Metacharakter eingeführt und erklärt, wie auch Gemeinschaften handeln können. Sie haben Fertigkeiten (z. B. wird über Athletik ihre Mobilität bestimmt, auf Täuschung wird gewürfelt, wenn eine Gemeinschaft eine andere Gemeinschaft oder einzelne Charaktere bluffen will [wenn sie z. B. Waffen verbergen will oder sich einen harmlosen Anstrich verleihen will], usw.) und je nach Größe eine unterschiedliche Anzahl von Fertigkeitspunkten. Ein Charakter kann auch eine Gemeinschaft als Extra wählen, was bedeutet, dass er zumindest über einen Teil der Fertigkeitspunkte der Gemeinschaft verfügen kann. Er wird dadurch zu einem Machthaber innerhalb der Gemeinschaft. Es folgen ein paar ausgearbeitete Beispielgemeinschaften, die aber schon fast die gesamte Bandbreite abdecken, die zum Spielen des Settings nötig ist. Dann folgt ein Kapitel über Equipment. Equipment lässt sich hier entweder als ein temporärer Situationsaspekt verwenden (das liegt besonders nahe, wenn es sich um Verbrauchsmaterial handelt, wie z. B. eine Granate), man kann es aber auch als ein weiteres Extra wählen. Die Desintegrator-Pistole kostet beispielsweise 2 Stunts und verleiht einen Bonus von +4 auf Schießen. Ihre Komplexität ist simpel (+3). Das bedeutet, dass ein Charakter, der eine Desintegrator-Pistole im Spiel findet oder erbeutet, einen Nachforschen oder Wissen-Wurf von 3+ machen muss, um zu verstehen, wie das Gerät funktioniert. Bei den komplexeren Geräten (z. B.: Luftkissenboot) wird stattdessen eine Herausforderung fällig. Als nächstes werden in einem kleinen Bestiarium ein paar mutierte Tiere bzw. Monster aufgeführt. Dann folgen Gefahren aufgrund schädlicher Umwelteinflüsse, eine Karte des Settings mit sehr kurzen Erklärungen zu den einzelnen Ortschaften und zu guter Letzt ein paar der wichtigsten NSC. Fazit: Die Regeln für das Setting sind nicht unbedingt kompliziert, aber etwas umfangreicher. Die Einarbeitungszeit dürfte auch etwas höher liegen. Dafür ist es aber das Setting in dem Band, das den langanhaltendsten Spielspaß bringen dürfte. Dieses Setting ist so vielfältig und ausgeklügelt, dass wirklich ausgedehnte Kampagnen denkbar sind.
6. Wild Blue
Das ist ein Wildwest Setting mit Superkräften. Es beginnt mit einer kurzen Einführung und allgemein gehaltenen Weltvorstellung. Kurz: Pioniere aus einer ganz anderen Ecke der Welt haben ihr dortiges Imperium verlassen um sich in den "Blue Lands" anzusiedeln. Dabei haben sie die "Folks" (die Eingeborenen) vertrieben. Nun stellen sie fest, dass mit jeder neuen Generation von Pionieren in den "Blue Lands" die Zahl derer steigt, die Superkräfte entwickeln. Die politische Landkarte ist simpel gehalten: Neben den "Blue Lands" gibt es noch die "Outlands". Hier siedelt eine seperatistische Gruppe Pioniere mit Hang zur Piraterie und der "Crimson Council", Hauptgegner der Pioniere in den "Blue Lands" und Widerstandskämpfer gegen die Besiedlung. Schließlich gibt es noch die kargen "Folklands", Gebiete, in die die meisten "Folks" vertrieben wurden. Die "Folks" besitzen übrigens ebenso Superkräfte wie die Pioniere. Die Spielercharaktere sind in diesem Setting Angehörige einer Elitegarde der Pioniere, die allesamt mächtige Superkräfte besitzen. Regelvarianten beinhalten kleine Anpassungen an die Fertigkeitenliste und eine ganz simpel gehaltene Art, sich Equipment aufzuschreiben (wenn du ein Baum fällen willst, brauchst du eine Axt, ansonsten bringt die Axt aber keine Vorteile... so etwa in dem Stil). Relativ viel Raum wird logischerweise darauf verwendet, Hinweise zu geben, wie sich ein Spieler die Superpower für seinen Charakter aussucht. Die Regeln dafür sind halbwegs konkret, teilweise aber nichts weiter als Tipps und zuletzt bleibt immer noch ein Gutteil Entscheidungsfreiheit für den Spieler und seine Gruppe. Für das Setting werden die fünf Ortschaften beschrieben, an denen sich die Pioniere bisher niedergelassen haben, und ein weiterer Ort in ihrem Siedlungsgebiet, der ein übernatürliches Wesen besitzt. Pro Siedlung ist ein wichtiger NSC ausgearbeitet. Zwei übernatürliche Elemente in der Natur werden beschrieben: Cobalt ist ein bläuliches Mineral und ein unglaublich ertragreicher Energielieferant (Irdische Parallele: Öl?), Skywood ist eine Holzart, die während ihres Wachstums immer leichter wird und schließlich zu schweben beginnt. Die Pioniere haben Skywood zum Bau einer Eisenbahn genutzt, die in etlichen Metern Höhe durch die Luft führt. Fazit: Wild Blue ist ein unkompliziertes Setting. Wenn die Superkräfte erstellt sind, kann man fast nach den ganz normalen Fate Core Regeln spielen. Das Setting ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig und eventuell nicht jedermanns Sache. Wer aber Reservate, Indianerkriege und Superman unter einen Hut bekommt, der kann das leicht ausprobieren. Da die drei Fraktionen des Settings nicht gerade zu tiefgründigeren Verwicklungen einladen, dürfte eine politische Kampagne schlecht machbar sein. Was ich aber für möglich halte, sind moralische Dilemmata. Die "Folks" sind Gegner, sie sind aber nicht unbedingt unsympathisch. Hier liegt in meinen Augen das Potential für eine (kürzere) Kampagne, die über Hauen und Stechen hinausgeht.
Insgesamt war das ein interessanter Band für mich. Ich habe keine Ahnung, ob ich jemals eines diese Settings wirklich so wie hier geschildert spielen werde. Die Anregungen sind aber toll und geben Beispiele dafür, wie man an den Fate Core Regeln schrauben kann. Mit dem Einführungsabenteuer und vielleicht auch mit Burn Shift liegen hier außerdem Sachen auf dem Tisch, die ich durchaus gern mal ausprobieren würde.