Neulich habe ich mich in einer Numenera-Runde mal wieder mit dem Widerspruch herumgeschlagen, dass die Menschen laut Setting-Setzung einerseits nicht die geringste Ahnung haben, was es mit den Hinterlassenschaften der vorigen Welten auf sich hat, sie andererseits aber gezielt Einsetzen (Cypers, Artefakte), und dass man ja durchaus Proben würfeln kann, um sie zu bedienen (z.B. auch um Türschlösser zu knacken). Auf welcher Grundlage experimentieren die Leute mit den Numenera?
Das konkrete Beispiel war mal wieder eine Tür, die man mit einem aufgezeichneten Symbol öffnen kann. Das Abenteuer gibt vor, dass man das Zeichen als leichte Kratzspur auf dem Touchpad erkennen kann und es nachziehen - dann ist es relativ einfach, sie zu öffnen. Beachtet man die Kratzspur nicht, ist es ziemlich schwer.
Nun ist die Kratzspur erstens ein sehr plumper Workaround, finde ich; andererseits wüsste ich auch nicht, wie ein noch so schlauer Nano jemals durch "Nachdenken" auf das richtige Zeichen kommen soll, insbesondere, wenn definitionsgemäß nichts über diese Zeichen bekannt ist ...
Dann fiel mir die Lösung ein: In irgendeinem Uni-Seminar, dass ich mal hatte, ging es um die in Europa lange Zeit beliebte Organisation von Wissen in Tableaus, also großen Tabellen, in denen Sachen, die auf die eine oder andere Art als zusammengehörig empfunden werden, nebeneinander aufgelistet werden - je mehr, desto besser! Sieht man sich das näher an, ist das eine ganz andere Art von Wissensorganisation als unser heutiger, typischerweise analytischer Zugang.
Und dieser Tableau-Zugang passt wunderbar zu Numenera. Ich habe also kurzerhand beschlossen, dass der Nano aus der Gruppe in seinem Buch über die Numenera zahlreiche Zeichentabellen hat, die von Forschern zusammengetragen wurden und - ohne jeden Bezug zu deren möglichen Bedeutungen - Zeichen der früheren Welt auflisten und nach äußerlichen Ähnlichkeiten gruppieren und klassifizieren. Dabei können natürlich zufällig ähnliche Zeichen aus ganz unterschiedlichen Vorläuferkulturen zusammengefasst werden, andererseits werden aber auch ähnliche Zeichen aus der gleichen Kultur in einem Tableau landen. Eine andere Sortierkategorie in diesen Tabellen sind typische Zeichenfunktionen. Der Nano kann also beispielsweise einfach die Zeichen aus der Tabelle der typischen Öffnungszeichen heraussuchen, die ihm rein äußerlich zu dem, was er sonst evtl. um sich herum an Zeichen sieht, am besten passen.
Diesen Tabellen-Ansatz kann man in Bezug auf die Numenera beliebig erweitern: Cyphers kann man z.B. deshalb analysieren, weil es große Tableaus mit Abbildungen gibt, auf denen allerlei Einzelteile zu sehen sind, die in der Regel dies oder das bewirken. Besteht etwas aus mehreren Einzelteilen, davon wahrscheinlich einige Unbekannt, hat der Analysierende trotzdem eine gute Grundlage zum Raten.
Die Idee ist eigentlich ganz banal (und vielleicht hatten sie viele andere eh schon), war für mich aber ein kleiner Lichtblick. Ich kann mir jetzt viel besser vorstellen, was bei der Numenera-Analyse passiert - der Nano brütet über seinem Buch mit den unglaublich klein und eng geschriebenen Tabellen und winzigen Abbildungen und versucht, etwas zu finden, was zu dem, was er sieht, passt ...