#125: Labyrinth der IntrigeAutor: Christian Nehling, Christoph Trauth
System: Das Schwarze Auge
Erschienen: 2021
Umfang: Mittel (10-20 Stunden Spielzeit)
Warum habe ich das AB gelesen?Zyklopeninseln. Labyrinth. Intrige. Odenius der Tüftler. Belebte Automaten. Klang nach etwas, was ich für meine "Wilde See"-Gruppe verwenden könnte.
PlotDiesmal leider nur für Spielleiter:
Kultisten des Namenlosen wollen ein uraltes Feenwesen korrumpieren und für ihre Sache einspannen. Da die zugehörigen Wächter nur deaktiviert werden, wenn der "Pakt von See und Land" außer Kraft ist, bringen sie extra deswegen des Seekönig um. Und die SC sollen nun verhindern, dass das Feenwesen sich der Sache der Kultisten anschließen kann.
EindruckAch du meine Güte.
Ich bemühe mich ja - wirklich, auch wenn es manchmal anders wirken mag - beim Rezensieren daran zu denken, dass sich Menschen Mühe gegeben haben, solch ein Abenteuer zu schreiben, und dass es eine Heidenarbeit ist. Und auch, dass es Leute gibt, die einen ganz anderen Geschmack haben als ich. Trotzdem lässt mich dieses Abenteuer rat- und fassungslos zurück. Ich will aber im Folgenden versuchen, mich so gut wie möglich zu mäßigen...
Zugegeben, eigentlich bin ich ja immer schon zu 50% raus, wenn im Einführungsteil die Worte "Feenglobule" oder "der Namenlose" auftauchen. Hier ist beides der Fall, wobei die Feenglobule dann später eigentlich keine Rolle mehr spielt, die Kultisten des EINEN aber sehr wohl. Anyway, ich habe versucht, mich davon nicht allzu sehr beeinflussen zu lassen.
Das Abenteuer gehört einer Kategorie an, für die man wohl einen neuen Ausdruck erfinden muss - nennen wir es ein Rechercheabenteuer. Es passiert wirklich, wirklich wenig. Auf den ersten 24 Seiten (immerhin die Hälfte des Abenteuers) gibt es exakt eine Actionszene, alles andere besteht entweder aus Aventurien-Porn (berühmten NSC die Hand schütteln, berühmte Festspiele anschauen, berühmte Sehenswürdigkeiten bewundern, ...) oder Rechercheproben, für die man je nach QS mit Informationen belohnt wird. Nicht mal auf den Reisen passiert etwas. In der zweiten Hälfte wird es dann zwar etwas abwechslungsreicher, der Grundtenor bleibt aber bestehen. Das Abenteuer der Träume für Draconiter, Nandus-Geweihte oder allgemein Leute, die auch "Im Sand verborgen" (AB 1 der Drachenchronik) oder "Niobaras Vermächtnis" toll fanden. Ich selbst habe aber keine Ahnung, wie so etwas am Spieltisch funktionieren soll. "Würfel mal auf XY... (klicker, klacker, rechen, noch mehr rechen) Ah, 6 Qualitätsstufen. Dann weißt du, dass..." Wie spannend.
Das Abenteuer erfordert eigentlich zwingend die Regionalspielhilfe "Die Sonnenküste". Gerade zu Beginn ertrinkt man in einer Flut von NSC-Namen, die nicht weiter ausgeführt werden und die ich mir auch nicht merken konnte, weil es nicht einmal Bilder dazu gibt. Es ist sehr aventurisch und lässt sich nicht sonderlich gut auf andere Settings übertragen (was ausnahmsweise keine Kritik sein soll, sondern durchaus als Stärke gesehen werden kann).
Unverständlich blieb für mich, warum das ein Abenteuer für "kompetente bis meisterliche Helden" sein soll. Weil die bessere Rechercheproben würfeln? Denn die Kämpfe sind jetzt nicht so heftig oder die Gegner so übermächtig, dass das erforderlich wäre. Zumal auch ein wenig unklar ist, welche Rolle besagte "meisterlichen Helden" so rein plottechnisch spielen. Zu Beginn wird ernsthaft vorgeschlagen, sie könnten doch als Wachen für den Stand eines umtriebigen tulamidischen Händlers angeheuert haben. Und als es darum geht, das Geheimnis eines unschätzbaren Odenius-Artefakts zu lösen, haben alle Würdenträger keine Zeit und drücken den Job den Helden einfach deshalb in die Hand, weil sie gerade ein paar Diebe vermöbelt haben. Wenn die Diener des Namenlosen wüssten, wie einfach es gewesen wäre, in den Besitz dieses Artefakts zu kommen... Ach ja, und 15 Dukaten Lohn (pro Kopf, wir sind ja großzügig) für die Rettung der Zyklopeninseln sind doch sicherlich in Ordnung?
Richtig geärgert habe ich mich über den Etikettenschwindel im Titel. Denn ja, es gibt eine Intrige, die bildet aber nur den Hintergrund für das Abenteuer und kann durch die Helden weder verhindert noch aufgeklärt werden. Die wahren Hintergründe und Auftraggeber (sowohl auf der "guten" wie auf der "bösen" Seite) bleiben in bester DSA-Tradition Spielleitergeheimnis und sind von den Helden nicht in Erfahrung zu bringen. Und ein Labyrinth gibt es gleich überhaupt nicht, nur in Form einer mystischen Abbildung. Toll.
Überhaupt wird für mein Gefühl sehr viel Potential verschenkt - wenigstens aus der Werkstatt des Odenius hätte man doch mehr machen können als zwei Höhlen und einen Kampf? Und dass die Fee am Ende gar nicht mehr gerettet werden kann und nur noch in bereits korrumpierter Form auftritt, ist ebenfalls ein Jammer - die mächtige und mental instabile Fee im mechanischen Körper wäre sonst tatsächlich sehr interessant gewesen.
Zusammenfassend steht dieses Abenteuer für mich für vieles, was Schwarze-Auge-Hasser als Argument gegen das Schwarze Auge anführen: Betuliches Spiel mit viel Setting-Bewunderung und wenig Action, die wichtigen Ereignisse finden ohne die SC statt, während diese einem linearen Plot hinterherhecheln und sich trotz hochstufiger Figuren wie gewöhnliche Erststufen-Söldlinge behandeln lassen dürfen. Wie man merkt, bin ich richtig sauer. Aber vielleicht gibt es ja tatsächlich DSA-Spieler, die an diesem Abenteuer viel Freude haben und noch Jahre später davon erzählen werden? Es fällt mir schwer zu glauben, aber wer weiß...