Na ja, der Mensch hat sich in Bezug auf die genetischen und neurologischen Grundlagen sicher kaum verändert; aber die enormen gesellschaftlichen Veränderungen haben den Menschen als (von seiner biologischen Grundlage her) gesellschaftliches Wesen doch immer wieder ganz grundlegend verändert.
Ich sehe da nur die erwartbaren Abweichungen der Ergebnisse, wenn die gleichen Voraussetzungen auf unterschiedliche Randbedingungen treffen.
Es "menschelte" zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften in sehr ähnlicher Weise, gerade wenn man bedenkt, wie groß die Unterschiede im sozialen Sektor sein können.
Nimm mal als Beispiel die Lebenserwartung: Heute bekommen viele Europäer mit Mitte 30 das erste, vielleicht auch das zweite Kind - irgendwann um 600 oder 700 nach Christus waren die meisten Leute da wahrscheinlich schon zahnlos, gebrechlich oder tot (klar, es gab auch schon Uralte, weil die Grundanlage dafür vorhanden war - aber das war wahrscheinlich keine nennenswerte Anzahl).
Die wesentlich geringere Lebenserwartung ist doch eine rein statistische Sache.
Will heißen: Wer mit Mitte 30 noch am Leben war, dem ging es meist auch verhältnismäßig gut und er war nicht vergreist wie heute ein 80- oder 90-jähriger.
Es wurde eben nur viel mehr an Sachen gestorben, die heute vergleichsweise trivial zu verhindern oder zu behandeln sind.
Alt werden im Sinne von viele Lebensjahre runterreißen konnte der Mensch schon immer - er hatte nur früher nicht viel Gelegenheit dazu.
Aus der Perspektive des frühmittelalterlichen Bauern sind wir "transhuman", weil wir seinen Begriff von dem, was für Menschen denk- und lebbar ist, überschreiten. Und ebenso gehe ich davon aus, dass das Leben, das die Menschen in einigen hundert Jahren leben werden, das für unsere Begriffe "menschliche" irgendwie überschritten haben wird
Da wird dem frühmittelalterlichen Bauern aber auch seine beschränkte Perspektive zum Verhängnis.
Gerade die SF-Interessierten haben schon so viel in "nichtmenschliche" Richtungen gedacht, dass der Vorstellungsraum da enorm erweitert ist.
Aber auch die "normalen" Leute haben eine deutlich andere Perspektive.
Banales Beispiel:
Ich glaube nicht, dass mich meine hypothetischen Enkel jemals mit etwas schocken können, von dem ich sagen werde "aber das ist doch keine Musik!"
Vielleicht finde ich es scheiße, aber das ist ja was anderes
Ich kann mir jetzt diverse "transhumane" Dinge herausgreifen, wie z.B. nicht schlafen zu müssen, "richtig" multitasken zu können oder irgendwelche erweiterten Sinneswahrnehmungen zu haben.
Natürlich kann ich mir nicht lebensecht vorstellen, wie diese Fähigkeiten sich anfühlen.
Aber eine halbwegs sinnvolle Bewertung, ob da irgendwo etwas grundlegend Menschliches abgeschafft wurde, traue ich mir schon zu.
Der Punkt, an dem der Mensch sich beliebig nach seinem Willen neu formen, neu erschaffen kann, ist mMn noch ziemlich weit weg. Jedenfalls weiter, als es die Transhumanisten behaupten.
Und - den Bogen zurück zum Rollenspiel schlagend - das ist dann auch genau der Punkt, an dem das Kernproblem des Transhumanismus zutage tritt:
Sobald die Fähigkeiten, die Lebensumstände und vor Allem die Erfahrungswelt eines solchen SF-Charakters derart massiv von den unseren abweichen, verlieren wir den Bezug zu ihm.
Dann wird es ebenso unmöglich, einen solchen Charakter zu spielen, wie ein richtig fremdartiges Alien.
Unterm Strich spielt man dann auch nur Space Opera mit Transhumanismus-Anstrich.