Autor Thema: Cthulhu - Smalltalk  (Gelesen 126491 mal)

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Offline Der Nârr

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #25 am: 10.11.2015 | 16:09 »
Aber Moment mal, wenn ich in Cthulhu einen Charakter á la James Bond oder Indiana Jones oder so spiele, halt einen Profi der es drauf hat - für den stünden die großen Mythos-Mächte doch nicht außer Reichweite? Der würde damit doch wohl fertig werden?
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Offline rillenmanni

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #26 am: 10.11.2015 | 16:18 »
Ich nahm, die klassischen Cthulhu-Spiele würden sich an den Themen Lovecrafts orientieren. Und da gehört Machtlosigkeit definitv dazu. Du kannst mal eine Manifestation des Mythos auseinandern nehmen, aber die dahinterstehenden Mächte sind außerhalb jeder menschlichen Reichweite.

Ja, da stimme ich Dir zu. Zumindest weitgehend. Man denke an die gewalttätigen Säuberungsaktionen in Innsmouth und Red Hook. Daran waren zwar viele Menschen beteiligt, nichtsdestotrotz müssen sich auch (Gruppen von) Mythoswesen dann und wann in acht nehmen. (Und wird nicht Cthulhu selbst gar mit einem Schiff überfahren? :) Haha!)
Unterm Strich würde ich sagen, dass sich die neue CoC-Edition an Dein Paradigma der Machtlosigkeit hält. Selbst in ToC, das sich eigtl hauptsächlich über verbesserte Investigationsfähigkeiten der SC definiert, ist mE über den Kniff, bei geschickt eingesetzten Punkten mehr als einmal ohne zu würfeln einen Treffer zu landen (doppelläufige Schrottflinte, Entfernung sehr nah), mehr als das Ausschalten nur eines Mythoswesens möglich. Wobei das natürlich stark vom gewählten Mythoswesen abhängt. Auch wird in den amerikanischen CoC-Abenteuern relativ viel geballert und ebenso im deutschen "Siegfriedslust" - und zwar, weil Ballern zumindest zum Teil eine echte Option darstellt.

Wenn ich an einige meiner Freunde aus Schulzeiten denke, die auch mit Flammenwerfern und Atombomben gegen den Mythos vorgegangen sind, einfach weil sie das im Fernsehen gesehen hatten, dann zeigt das mE, dass die CoC-Edition weitaus weniger ausschlaggebend für den Spielstil das Geschehen am Tisch ist, als die Idee der Spieler, wie ein Cthulhu-Abenteuer am Tisch umzusetzen sei.

« Letzte Änderung: 10.11.2015 | 16:39 von rillenmanni »
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Offline SirRupert

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #27 am: 10.11.2015 | 17:09 »
Aber Moment mal, wenn ich in Cthulhu einen Charakter á la James Bond oder Indiana Jones oder so spiele, halt einen Profi der es drauf hat - für den stünden die großen Mythos-Mächte doch nicht außer Reichweite? Der würde damit doch wohl fertig werden?
Naja, die maximale Geistige Stabilität ist 99 minus der Wert in Cthulhu-Mythos. Der menschliche Verstand kann eben nicht all zu viel Mythoswissen vertragen und es ist für ihn unmöglich alles zu wissen, geschweige denn zu verstehen.
Aber es ist ja auch eine Frage der Spielphilosophie der Runde in der man spielt, was die Charaktere wie überstehen.

Offline Der Nârr

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #28 am: 10.11.2015 | 17:15 »
Eben. Also gibt es auch keinen Grund, systemseitig sicherzustellen, dass man besonders schwache Charaktere und Nichtskönner spielt. Die dürfen schon was draufhaben, von mir aus auch systemseitig durch Plot Points, Glückspunkte oder was-auch-immer. Da schlummert ja immer was größeres, gegen das man eh nicht an kann.

Wobei Mythos-Wesen ja auch immer so transzendent klingt. Für mich ist das meiste von Lovecraft zunächst Sciencefiction-Horror und die meisten Mythos-Wesen sind Außerirdische. Auch viele der Großen Alten usw. sind außerirdische Wesen, deren Macht einfach unser Vorstellungsvermögen übersteigt.

Ich finde z.B. die Alien-Filme (alle) ziemlich cthuloid, die zeigen verschiedene Varianten auf, wie man damit umgehen kann. Genauso auch die Predator-Filme. Nur sind das halt modernere Vorstellungen von Außerirdischen, als Lovecraft sie hatte.
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Offline angband

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #29 am: 10.11.2015 | 18:14 »
Ich nahm, die klassischen Cthulhu-Spiele würden sich an den Themen Lovecrafts orientieren. Und da gehört Machtlosigkeit definitv dazu. Du kannst mal eine Manifestation des Mythos auseinandern nehmen, aber die dahinterstehenden Mächte sind außerhalb jeder menschlichen Reichweite.
ToC definiert mögliche Spielstile ja irgendwo zwischen Pulp und Puristisch. Letzteres würde dem GEdanken der Machtlosigkeit entsprechen. Ersteres eher nicht. Persönlich finde ich die meisten Lovecraft-Geschichten, die ich gelesen habe, langatmig und langweilig und als Rollenspiel ungeeignet und favorisiere daher auch eher einen pulpigen Stil.

Offline rillenmanni

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #30 am: 10.11.2015 | 22:43 »
ToC definiert mögliche Spielstile ja irgendwo zwischen Pulp und Puristisch. Letzteres würde dem GEdanken der Machtlosigkeit entsprechen. Ersteres eher nicht. Persönlich finde ich die meisten Lovecraft-Geschichten, die ich gelesen habe, langatmig und langweilig und als Rollenspiel ungeeignet und favorisiere daher auch eher einen pulpigen Stil.
Ich kann Khorn de Boeuf aber schon verstehen, er drückt doch aus, was viele Spieler denken. Man höre zB in die Cthulhu referenzierenden Teile des Eskapodcast rein. Die Spieler dort betonen auch die Machtlosigkeit, und bis auf Martin finden das auch alle gut, glaube ich. Ich selbst reite auch gern auf der Machtlosigkeit herum, wenngleich ich meine Charaktere immer so ausstatte, dass sie in Momenten der Verzweiflung dick auf die Kacke hauen können. Einfach, weil es mir dann mehr Spaß macht. Zuviel des Guten sind für mich die ToC-Abenteuer "Purist"-Reihe, so ziemlich die ersten Abenteuer, die für ToC zu haben waren. Dort wird allzu sehr auf dem Instrument der Machtlosigkeit gespielt. Außenseiter sind diese Abenteuer aber nicht, denke ich.

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #31 am: 10.11.2015 | 22:53 »
Vor allem sollte sich die Machtlosigkeit dann ja auch eher auf die eigene Belanglosigkeit und der der gesamten Menschheit Angesicht des alles umfassenden äonenalten kosmischen Horror und der grausamen nihilistischen Wahrheit beziehen. Und nicht auf: Fahrradfahren, dat is nich so einfach wie et vielleicht aussieht.
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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #32 am: 11.11.2015 | 05:28 »
Hier mal ein Versuch der Differenzierung : Cthulhu Szenarien könnte man grundsätzlich so unterscheiden:

Es gibt viele Abenteuer, die davon ausgehen, dass die SC "ganz normale Leute" sind. Diese Szenarien setzen oft auf Mittel wie Abgeschiedenheit der Lokalität, Unmöglichkeit der Flucht usw. Beispiele wären hierfür Spukhaus Szenarien oder etwa das geniale gestohlene Leben. Vorteile : man kann sich gut in den Charakter hinein versetzen und fiebert mehr mit, etc.

Und dann gibt es Abenteuer, die diese Prämisse nicht haben. Dabei geht es dann eher um investigation und die Lösung eines falls. Diese Abenteuer scheitern, wenn die SC "einfach nur mit heiler Haut entkommen" wollen. Daher kann man bei solchen Szenarien getrost richtige harte Investigatoren bauen und das ganze auch pulpiger spielen.

Offline KhornedBeef

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #33 am: 11.11.2015 | 08:33 »
Zitat
Aber Moment mal, wenn ich in Cthulhu einen Charakter á la James Bond oder Indiana Jones oder so spiele, halt einen Profi der es drauf hat - für den stünden die großen Mythos-Mächte doch nicht außer Reichweite? Der würde damit doch wohl fertig werden?
Ja, ich glaube da war dieser eine James Bond - Film, wo er diesen unsterblichen Sternengott besiegen muss :)
Und "Nuke the Fridge"-Indy macht das eh mit links

Übrigens ist "geringe Einflussnahmemöglichkeiten des Spielers" != "Inkompetenz des Charakters". Ich bezog mich ja auch ein System, bei dem der Spieler Würfe manipulieren und wiederholen kann. Auch wenn das System das nicht zulässt, kann es ja trotzdem kompetente Charaktere zulassen. Deswegen musste ich zwar über
Zitat
Fahrradfahren, dat is nich so einfach wie et vielleicht aussieht.
lachen, ganz so war es aber nicht gemeint :)

Zitat
Ich finde z.B. die Alien-Filme (alle) ziemlich cthuloid, die zeigen verschiedene Varianten auf, wie man damit umgehen kann. Genauso auch die Predator-Filme. Nur sind das halt modernere Vorstellungen von Außerirdischen, als Lovecraft sie hatte.
Ich würde sagen, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man mit Servitorkreaturen und Kultisten umgeht.

Das mit den beiden Spielmodi bei ToC ist wohl etwa, was ich meine. Da wird ja extra darauf hingewiesen, dass auch Lovecrafts Geschichten teils existenzieller Horror sind (Unwissenheit ist ein Segen, Wissen bringt Wahnsinn, früher oder später kommen die Großen Alten wieder und dann Yum,Yum!) und teils "pulpy" (Böse Sachen können in unsere Welt gerufen werden, aber beherzte Männer können das Loch auch wieder stopfen). Insofern habe ich mich eh schlecht ausgedrückt. Die Tendenz ist aber schon "Wir können den Horror fernhalten, aber niemals besiegen".
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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #34 am: 11.11.2015 | 09:12 »
Vor allem sollte sich die Machtlosigkeit dann ja auch eher auf die eigene Belanglosigkeit und der der gesamten Menschheit Angesicht des alles umfassenden äonenalten kosmischen Horror und der grausamen nihilistischen Wahrheit beziehen. Und nicht auf: Fahrradfahren, dat is nich so einfach wie et vielleicht aussieht.
Genau. Ich hatte bei vielen Lovecraft-Geschichten auch den Eindruck, dass die Protagonisten durchaus fähige Leute waren. Man muss die ja nicht schwächer machen, als sie sind. Sie haben doch eh keine Superkräfte. Sollen es doch auch gute Gewehrschützen und Überlebenskünstler und BMX-Akrobaten sein. Als ob dies gegen den existenziellen Horror etwas ausrichten könnte. Dann knallen sie halt mal eine Mythos-Kreatur über den Haufen, ja und? Der Schrecken kommt doch von dem, was sie NICHT wissen und dem, was DAHINTER steht.
Vielen, auch mir, gefällt es ja auch nicht, dass Cthulhu diesen Wert auf Geisteskrankheiten legt. Mir würden Panikreaktionen oder als Langzeitreaktion PTSD für Protagonisten vollkommen ausreichen. Ich brauche keine Regel für "Phobie, würfle auf W100 wogegen", weil man einen Fisch mit drei Augen gesehen hat.
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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #35 am: 11.11.2015 | 09:34 »
Wie gesagt, das mit den schwachen Charakteren ist nicht zwingend. Delta Green, sage ich nur. Aber da ist das Thema ja noch expliziter "Wir schieben die Apyocalypse ein wenig hinaus".
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Ucalegon

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #36 am: 11.11.2015 | 23:23 »
Vielen, auch mir, gefällt es ja auch nicht, dass Cthulhu diesen Wert auf Geisteskrankheiten legt. Mir würden Panikreaktionen oder als Langzeitreaktion PTSD für Protagonisten vollkommen ausreichen. Ich brauche keine Regel für "Phobie, würfle auf W100 wogegen", weil man einen Fisch mit drei Augen gesehen hat.

Das ist etwas, das die neuen Delta Green Regeln sehr gut machen, wie ich finde. Überhaupt habe ich da in den Kickstarter-Interviews häufiger das Argument gehört, dass DG zu einer regeltechnischen Alternative für Leute werden könnte, die mit dem pulpigeren Einschlag von Cthulhu 7 nicht so zufrieden sind.


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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #37 am: 11.11.2015 | 23:55 »
Ich spiele zwar kein Cthulhu, aber habe eine Frage.

Zitat
Ich brauche keine Regel für "Phobie, würfle auf W100 wogegen", weil man einen Fisch mit drei Augen gesehen hat.

Spielt ihr in den 1920er Jahren oder im 21. Jh.?
Für Charaktere des 21.Jh. stelle ich mir bzgl. der "Sanity" vor, dass sie um einiges stabiler als bei Menschen der 1920er Jahre ist.

Die mediale Sozialisation mit dem Horror/Splatter-Genre, Bodyhorrorfilme von Cronenberg, Mangas/Animes, die ganzen Thriller zum Thema, Neurowissenschaft, philosophische Werke zum Thema, zunehmende Säkularisierung etc.

Nicht zu vergessen die NS-Zeit, die nocheinmal eine ganz neue Dimension des Schreckens erreichte.


Was Menschen in den 60ern (oder davor) noch visuell schockte, lässt heutige Konsumenten nur amüsiert zurück. Intellektuelle Charaktere können auf einen ganz anderen Fundus zurückgreifen, als die vergleichbaren Kollegen aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Das Internet hat ebenfalls einen enormen Einfluss auf die Sehgewohnheiten der Heranwachsenden.

Worauf ich hinauswill: Müsste der Cthulhu-Horror und der ansteigende Wahnsinn in Begegnung mit dem Übernatürlichen nicht ein gänzlich anderer sein, wenn er im 21. Jh. auftritt als in einem 20.Jh.-Setting?

Ist der spezifische Lovecraft-Horror, der in ein 21.Jh.-Setting transponiert wird, nicht ein wenig "outdated"?
« Letzte Änderung: 12.11.2015 | 00:06 von vlyrr »

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #38 am: 12.11.2015 | 00:30 »
Puuh Realismus und so...  ;D

ich würde halt ziemlich klar zwischen Medialer Gewalt, die halt immer distanziert und unpersönlich erlebt wird und realer Gewalt trennen. Die meisten Menschen in der heutigen, westlichen Welt haben Grauen, Schrecken und Gewalt nie erlebt und sind in dem Umgang damit ziemlich zerbrechlich. Die 1920er waren wesentlich rauer als unsere Zeit, die Menschen waren gewalttätiger untereinander und Tiere zu töten war normal. In Frankreich fand die letzte öffentliche Hinrichtung 1939 statt.

Auf einer rein intellektuellen Basis ist der lovecraftsche Horror aber natürlich überholt. Die unvorstellbaren räumlichen und zeitlichen Dimensionen des Universums erschrecken uns nicht mehr. Und nach Auschwitz kann man sich auch nur schwerlich vorstellen, dass es schlimmer sein soll, das es Wesen gibt für die wir nur bedeutungsloses Futter sind. Das ist vielleicht eine unschöne Vorstellung, aber wir wissend darum, das der Mensch dem Menschen schlimmeres antun kann.
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Ucalegon

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #39 am: 12.11.2015 | 01:13 »
Komplexe Sache.

Ich denke, man muss unterscheiden zwischen "Wie mache ich Horror für das 21. Jahrhundert?" [Was ist Horror? An wen richtet er sich und was soll er für die Person machen?]

- als eines von vielen Beispielen das Thema Isolation: Facebook, Twitter, instant-Kommunikation, ständige Erreichbarkeit yadda yadda. Und dann findest du den youtube Account von diesem Typen, der aus seinem 10qm Zimmer in Bogota merkwürdige Videos hochlädt, die zusammen vlt. 70 klicks haben. Und auf ein Mal beginnen die ganzen kryptischen Spam-Mails, die seit ein paar Tagen deinen Webmailer überschwemmen Sinn zu machen... -

und

"Wie sollte eine gute/moderne Sanity-Mechanik aussehen?"

- imho auf jeden Fall keine Schizophrenie oder seltsame Essgewohnheiten etc. auf einer Zufallstabelle ;) -

Was die Protagonist(inn)en der Plots und des Settings angeht, haben die für mich genausoviel Angst und Traumata und Widerstandsfähigkeit wie nötig ist, um eine bestimmte Geschichte zu erzählen. Meine suspension of disbelief lässt es auf jeden Fall zu, dass die 17jährige atheistische Horrorfilmliebhaberin mit eigenem Vlog den Schock ihres Lebens bekommt, als sie anfängt dieses schwarze Zeug zu erbrechen und sich an das morgendliche Aufstehen nicht mehr erinnern kann. Man findet immer irgendwo eine gute Geschichte, unabhängig davon ob man sich von den 20ern, unserer heutigen Welt oder einer SF Vision inspirieren lässt. Der Rest ist eine Mischung aus Geschmackssache und Talent/Mühe, die sich jemand macht.

Dass Lovecrafts cosmic horror "natürlich" überholt sei, ist ebenso natürlich eine steile These, die vielleicht ein bisschen weit führt für diesen Thread...




« Letzte Änderung: 12.11.2015 | 01:18 von Ucalegon »

Offline angband

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #40 am: 12.11.2015 | 05:40 »
Das ist etwas, das die neuen Delta Green Regeln sehr gut machen, wie ich finde. Überhaupt habe ich da in den Kickstarter-Interviews häufiger das Argument gehört, dass DG zu einer regeltechnischen Alternative für Leute werden könnte, die mit dem pulpigeren Einschlag von Cthulhu 7 nicht so zufrieden sind.
Im Grunde gibt es eine zentrale Mechanik, welche Cthulhu 7 pulpiger macht. Das ist die Forcierung. Diese Mechanik könnte man auch einfach weglassen, wenn man lieber puristisch spielen will.

Offline KhornedBeef

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #41 am: 12.11.2015 | 08:06 »
[...]
Die mediale Sozialisation mit dem Horror/Splatter-Genre, Bodyhorrorfilme von Cronenberg, Mangas/Animes, die ganzen Thriller zum Thema, Neurowissenschaft, philosophische Werke zum Thema, zunehmende Säkularisierung etc.

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #42 am: 12.11.2015 | 09:09 »
Vor allem sollte sich die Machtlosigkeit dann ja auch eher auf die eigene Belanglosigkeit und der der gesamten Menschheit Angesicht des alles umfassenden äonenalten kosmischen Horror und der grausamen nihilistischen Wahrheit beziehen. Und nicht auf: Fahrradfahren, dat is nich so einfach wie et vielleicht aussieht.

+1

Im deutschen Ctulhu-Forum wurde da ja mit den ersten Meldungen über CoC7 und dessen neue Mechanismen ein Riesenwirbel gemacht, dass Cthulhu jetzt ein anspruchsloses Metzelspiel werden würde; wieder mal schizophren gepaart mit der Aussage, dass die Regeln ja ohnehin keine Rolle spielen würden, sondern es bei einem anspruchsvollen Rollenspiel nur um die Atmosphäre ginge. Da hat sich in meinen Augen der Dünkel eines Teils der deutschsprachigen Cthulhu-Szene mal wieder selbst entlarvt: "Nein, Regeln, über so was stehen wir doch eh drüber, aber die Regeln von CoC1-6, die waren genau richtig für uns Eliterollenspieler, die von CoC7, die öffnen jetzt Tür und Tor für hässliche, stinkende D&D-Spieler, die wollen wir hier nicht!" Brrr.
Im Endeffekt war die Aufregung natürlich um nichts, CoC7 ist (nach meinen ersten Teststarter-Versuchen zumindest) genauso tödlich wie seine Vorgänger, und gerade das Forcieren trägt eher noch dazu bei, weil es die SL animiert, fiese Konsequenzen für gescheiterte Würfe einzuführen. Der Kampf ist weniger frickelig und einheitlicher geworden, was den "anspruchsvollen" Cthulhu-Spielern ja eigentlich nur recht sein kann. Und letztendlich hat die Frage, ob ein Regelsystem zur Vermittlung von "kosmischem Grauen" beiträgt, ohnehin kaum was mit der Tödlichkeit bzw. der Fähigkeit/Unfähigkeit der SC zu tun, weil ein besonders schlechter Fertigkeitswert im Fahrradfahren, mit dem man sich dauernd langlegt (um im Beispiel zu bleiben) vielleicht zur allgemeinen Genervtheit beiträgt, sicher aber nicht zu dem Empfinden, dass im Universum kalte, unpersönliche Kräfte walten, vor deren Hintergrund jedes menschliche Streben sinnlos erscheinen muss.
(Okay, andererseits: wenn ich mich täglich dreimal mit dem Fahrrad langlegen würde, dann würde ich das vielleicht schon irgendwann glauben ...)

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #43 am: 12.11.2015 | 11:22 »
Ich sehe, ich muss wohl doch mal die 20 Euro an die Hand nehmen und mir das neue GRW zulegen. Und dabei dachte ich, ich wäre durch mit BRP Cthulhu... ;)
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Offline KhornedBeef

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #44 am: 12.11.2015 | 11:27 »
Rumpel nimmt mir mal wieder das Wort aus dem Munde :)
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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #45 am: 12.11.2015 | 11:30 »

...Und letztendlich hat die Frage, ob ein Regelsystem zur Vermittlung von "kosmischem Grauen" beiträgt, ohnehin kaum was mit der Tödlichkeit bzw. der Fähigkeit/Unfähigkeit der SC zu tun, weil ein besonders schlechter Fertigkeitswert im Fahrradfahren, mit dem man sich dauernd langlegt (um im Beispiel zu bleiben) vielleicht zur allgemeinen Genervtheit beiträgt, sicher aber nicht zu dem Empfinden, dass im Universum kalte, unpersönliche Kräfte walten, vor deren Hintergrund jedes menschliche Streben sinnlos erscheinen muss.
(Okay, andererseits: wenn ich mich täglich dreimal mit dem Fahrrad langlegen würde, dann würde ich das vielleicht schon irgendwann glauben ...)

Ich weiß nicht so recht, aber ich finde schon, dass das Regelwerk in der neuen Version mit einigen Grundfesten, die eben das "kosmische Grauen" für mich mittransportiert haben, bricht. Dabei geht es in keinster Weise um den Kompetenzgrad der Charaktere - denn der war schon in der alten Version durchaus hochzuschrauben, wenn man gewollt hatte.

Da das alte Regelwerk aber einfach ein "altes" war - immerhin über 25 Jahre auf dem Buckel - gab es einige Dinge darin, die in vielen modernen Rollenspielen längst über den Haufen geworden wurden. Inzwischen ist es modern, dem Spieler Erzählrechte, Bonuspunkte und anderen chi-chi mit auf den Weg zu geben. Gerade das beißt sich aber mit dem, was Cthulhu in den letzten 25 Jahren so gemacht hat.

In Lovecrafts Geschichten - egal, ob sie tolle Rollenspielabenteuer wären oder nicht - geht es nunmal sehr oft darum, dass die Protagonisten vor vollendete Tatsachen gestellt werden und daran irgendwie zerbrechen. In diesem "Geiste" haben sich - gerade im deutschsprachigen Raum - viele Abenteuer bewegt. Wenn aber nun die "Investigatoren" bald deutlich mehr mitreden dürfen, dann entstehen natürlich spannende, abwechslungsreiche und tolle Geschichten, gar keine Frage. Der cthuloide Faktor ist in meinen Augen aber schon heruntergefahren, denn der definiert sich m. E. nunmal nicht durch den Monsterkatalog...

Achamanian

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #46 am: 12.11.2015 | 11:49 »

Da das alte Regelwerk aber einfach ein "altes" war - immerhin über 25 Jahre auf dem Buckel - gab es einige Dinge darin, die in vielen modernen Rollenspielen längst über den Haufen geworden wurden. Inzwischen ist es modern, dem Spieler Erzählrechte, Bonuspunkte und anderen chi-chi mit auf den Weg zu geben. Gerade das beißt sich aber mit dem, was Cthulhu in den letzten 25 Jahren so gemacht hat.

In Lovecrafts Geschichten - egal, ob sie tolle Rollenspielabenteuer wären oder nicht - geht es nunmal sehr oft darum, dass die Protagonisten vor vollendete Tatsachen gestellt werden und daran irgendwie zerbrechen. In diesem "Geiste" haben sich - gerade im deutschsprachigen Raum - viele Abenteuer bewegt. Wenn aber nun die "Investigatoren" bald deutlich mehr mitreden dürfen, dann entstehen natürlich spannende, abwechslungsreiche und tolle Geschichten, gar keine Frage. Der cthuloide Faktor ist in meinen Augen aber schon heruntergefahren, denn der definiert sich m. E. nunmal nicht durch den Monsterkatalog...

ich weiß nicht, vielleicht habe ich das deutsche Cthulhu auch nie ganz verstanden ... gerade die Mitgestaltung durch Spieler, die auf der gleichen Wellenlänge mitmachen, ist für mich immer der beste Garant für Atmosphäre. Und wenn die Regeln da noch ein kleines bisschen Unterstützung geben (was bei CoC7 jetzt gar nicht so groß der Fall ist), kann das zu JEDER gewünschten Atmosphäre eigentlich nur beitragen. Auch und gerade zu einer der Hilflosigkeit, denn auch die müssen die Spieler ja aktiv (und möglichst mit Spaß daran) mit erzeugen. Wenn die Hilflosigkeit der Charaktere wirklich nur die Nebenwirkung der Frustration der Spieler ist und nicht aus der Entscheidung der Spieler zum cthulhoiden Horror-Spiel resultiert ... tja, wer will das dann bitte spielen? Eigentlich nur eine profilneurotische SL, die es toll findet, ihre Egonummer abziehen zu können und dafür noch die Weihen zu erhalten, das bestmögliche aller Rollenspiele zu betreiben.

Irgendwie scheinen Teile der Cthulhu-Spielleiterschaft Angst davor zu haben, dass Spieler, denen man Gestaltungsmittel für's dramaturgische Pacing an die Hand gibt (etwa durch Forcierung, Einsatz schwindender Ressourcen wie Glückspunkte), sofort jede Atmosphäre bombardieren, indem sie rein erfolgsorientiert spielen und nur noch auf Kampfmaschine machen. Wobei man sich dann fragen muss: Warum sollten diese Spieler Ctulhu spielen, wo klar ist, dass sie keine großen Kampferfolge einfahren werden, egal, wieviele Glückspunkte sie ausgeben und wie oft sie forcieren?

Sorry, wenn das etwas polemisch ist. Ich bin allerdings auch echt gebrannt von gewissen forenaktiven Teilen der deutschen Cthulhu-Spielerschaft, die mir Setting und System echt verleidet haben.

Ucalegon

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Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #47 am: 12.11.2015 | 12:05 »
Irgendwie scheinen Teile der Cthulhu-Spielleiterschaft Angst davor zu haben, dass Spieler, denen man Gestaltungsmittel für's dramaturgische Pacing an die Hand gibt (etwa durch Forcierung, Einsatz schwindender Ressourcen wie Glückspunkte), sofort jede Atmosphäre bombardieren, indem sie rein erfolgsorientiert spielen und nur noch auf Kampfmaschine machen. Wobei man sich dann fragen muss: Warum sollten diese Spieler Ctulhu spielen, wo klar ist, dass sie keine großen Kampferfolge einfahren werden, egal, wieviele Glückspunkte sie ausgeben und wie oft sie forcieren?

Die Frage ist für mich schon, was diese "Gestaltungsmittel" konkret sollen. Wenn es nur darum geht, das Pacing zu verbessen, geht das auch ohne Erzählrechte/Probenwiederholung/Probenerleichterung durch Glück  - das sind doch die kontroversen Teile, oder? Anders formuliert: Wenn ich als Spieler mehr Einfluss kriege, dann will ich auch wissen, warum.


Achamanian

  • Gast
Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #48 am: 12.11.2015 | 12:16 »
Die Frage ist für mich schon, was diese "Gestaltungsmittel" konkret sollen. Wenn es nur darum geht, das Pacing zu verbessen, geht das auch ohne Erzählrechte/Probenwiederholung/Probenerleichterung durch Glück  - das sind doch die kontroversen Teile, oder? Anders formuliert: Wenn ich als Spieler mehr Einfluss kriege, dann will ich auch wissen, warum.

Glückspunkte sind eben ein ziemlich simpler Mechanismus, weil sie es den Spielern bei gleichbleibend relativ niedrig angesetzten Werten ermöglichen, zu entscheiden, wann sie etwas dringend schaffen wollen. Und ein steter Wechsel von Erfolg und Misserfolg, der dadurch begünstigt wird, gibt meistens ein gutes Pacing.
Der "Erfolg" heißt bei Cthulhu aber ja in der Regel nicht, dass man einen Großen Alten oder ein Dutzend Tiefer Wesen umballert; das ist nach wie vor tendenziell einfach nicht drin, weil Glückspunkte ja auch nur Wahrscheinlichkeiten verschieben können und nicht absoluten Schaden erhöhen oder etwas in der Art. Die Erfolge bleiben also von der gleichen Art wie bisher auch: Gerade so mit dem Leben davonkommen, einen kleinen Sieg davontragen, der aber letztendlich bedeutungslos bleibt ...
Schön ist auch, dass Glückspunkte eine schwindende Ressource sind, was wiederum sehr gut zur letztendlichen Hoffnungslosigkeit passt - irgendwann sind die alle, und dann sieht es für die SC sogar noch deutlich schlechter aus als aus den bisherigen Editionen gewöhnt, weil sie dann halt auch eventuelle Glückswürfe nicht mehr schaffen.

Mit Forcierung ist es ähnlich (wobei es jetzt nicht beides gebraucht hätte): Auch hier können die SC ja nicht plötzlich leisten, was ihnen vorher unmöglich gewesen waren, sie steigern nur ihre Chancen ein bisschen - und in dem Fall noch dazu um einen Preis, der das Horror-Element noch betont: Ein Fehlschlag ist nicht nur ein "nicht geklappt", sondern wird auf jeden Fall schlimme Konsequenzen haben!

Ich sehe tatsächlich beim besten Willen nicht, wo diese beiden Anpassungen irgendetwas an der Atmosphäre des kosmischen Grauens ändern sollen; und wenn ich mir eine Geschichte wie Shadow over Innsmouth ansehe, kann ich mir tatsächlich vorstellen, dass die nach den neuen Regeln eher zustande käme als nach den alten (den ersten rettenden Sprung schafft der Protagonist schon mal - mit Glück oder Forcierung? - obwohl es keinen Grund gibt, anzunehmen, dass er einen guten Springen-Wert hätte, im Gegenteil; und am Ende überwältigt ihn dann doch der Stabi-Verlust ...).

In meinen Augen wird mit solchen Mechanismen eher behutsam dem unfreiwillig komischen Cthulhu-Slapstick der Vorgängereditionen abgeholfen ...

Ucalegon

  • Gast
Re: Cthulhu - Smalltalk
« Antwort #49 am: 12.11.2015 | 12:30 »
Aber warum ist es wichtig, dass die Spieler(innen) auf einmal entscheiden sollen, wann sie einen Wurf schaffen oder nicht (bzw. ihre Chancen modulieren) und was sollen Erzählrechte? Ob nachher ein Erfolg oder Misserfolg rauskommt ist, wie du sagst, ohnehin relativ egal.

Kann man Glück eigentlich nach den neuen Regeln irgendwie wiederbekommen?