@ kalgani: Okay... und was ist Pulp-Hack&Slay? John Sinclair-Monsterjagd, Flash Gordon-Alienjagd oder Lethal Weapon-Gangsterjagd? Gerade Pulp ist ein unglaublich schwammiger Genrebegriff, da er nicht eine Epoche beschreibt, sondern mehr ein Feeling. Für mich läuft das auf derselben Achse wie "Grim & Gritty", "Simulation", "Anime", "Saturday Morning Cartoon", etc.
Und "Endzeit-D20" nimmt das Spielsystem in die Genrebeschreibung mit auf und da sind eindeutig die Mechaniken beschrieben.
Und da liegt auch die eigentliche Frage, auf die 1of3 meiner Ansicht nach hinaus will (korrigieren, wenn ich ich irre):
Beschreiben literarische Genres, die wir aktuell zur Beschreibung von Rollenspielen verwenden, ein Rollenspiel zureichend?
Ich sage: Nein, tun sie nicht.
Sie beschreiben womöglich das Setting eines Rollenspiels zureichend, aber eben nicht das ganze Spiel. Die PC-Spiele-Genres beschreiben im Übrigen auch nicht das gesamte Spiel zureichend. Ich finde um ein Rollenspiel in Gänze zu beschreiben bedarf es dreierlei Indikatoren:
Thematisches Genre, ergo "Was ist das Thema der Spielwelt?"
Dieser Indikator beschreibt das zentrale Thema des Spiels und auch der Charaktere. Wie ist das Setting beschaffen und was tun die Charaktere dort? Ist es eine phantastische Welt, das Hier und Jetzt oder eine zukünftige spekulative Zeitepoche? Wer bevölkert diese Welt und was ist die Core Story? Im Grunde also das, was die literarischen Genres (zumindest im Fantasy und SciFi-Bereich) heute schon mit Untergenres zu liefern versuchen ("Urban Fantasy", "Social Science-Fiction", "Zombie Apocalypse").
Spielmechanisches Genre, ergo "Wie funktioniert das Spiel auf mechanischer Ebene?"
Dieser Indikator sagt, wie die Mechaniken des Spiels beschaffen sind und wie sich das Ganze am Tisch konkret in Regeln entfaltet. Das Äquivalent hier sind die Computerspiele-Genres: Es ist ein Unterschied ob ich einen Science-Fiction-Shooter spiele oder ein Science-Fiction-Aufbaustrategiespiel. Letzteres wird mir persönlich wohl eher Spaß machen als ersteres, also greife ich dazu. Doch das ist auch wieder nur die obere Ebene, weitere Aspekte sind zum Beispiel "Echtzeit oder rundenbasiert" oder "First Person oder Third Person". Wir Rollenspieler nutzen seit Edwards ja die Begriffe "Simulationism", "Gamism" und "Narrativism" für die drei Spielstilrichtungen, aber diese Einteilung ist natürlich grob und vermischt viele Aspekte, eben wie bei den Computerspielen auch. Da Begriffe zu finden, die genau auf den Punkt bringen, was für ein Spiel das ist, muss erst noch geleistet werden: Ich denke da an Achsen wie "Starker SL vs. Spielleiterlos", "Einzelwürfel Vs. Poolsystem", "Task resolution Vs. Conflict resolution". Da spielen so viele Aspekte eine Rolle, dass es schwer sein dürfte, das auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Flair-Genre, ergo "Welches Gefühl soll durch Spielwelt plus Regeln eingefangen werden?"
Der Begriff, den ich hierfür wähle, ist alles andere als treffend, aber worum es geht, ist der saftige Kern zwischen Regeln und Setting. Auch dafür haben wir Begriffe: Ich kann eine Science Fiction-Welt mit einem kleinteilig simulierendem Poolsystem und zwar mit pulpigem Flair. Der Flair ist dabei ein Indikator, wie das ganze sich diffus in der Vorstellung idealerweise darstellen und anfühlen soll. "Pulp" oben ist ein Indikator mit gewissen Setzungen: Larger-than-life-Helden, die aber kein übermenschliches Potenzial haben, Fokus auf Action, Schergen, die reihenweise umgemäht werden, Logik und Tiefgang eines Groschenromans. Ob das jetzt im thematischen Genre "Feudales Japan" oder "Englisches Empire" passiert, ist erstmal nebensächlich, es soll eben nur "pulpig" sein.
Ich gebe zu, dieser Indikator ist am Schwersten zu umreißen, weil er eben von Elementen der Regeln und Elementen der Spielwelt abhängig ist: Die beiden anderen Genretypen bestimmen sehr stark mit, was das Flair-Genre ist (oder idealerweise ist – Regelwerke, die durch die Regeln oder die Spielwelt scheitern, ein bestimmtes angestrebtes Flair zu transportieren, das aber definitiv angestrebt ist, gibt es ja zuhauf). Beispiel Cyberpunk: Ein Spiel in diesem thematischen Genre trägt den Flair-Indikator "Grim&Gritty" geradezu schon in sich; ob das mechanische Genre das dann mitträgt ist die große Frage. Aber klar, ich kann auch ein "Cartooniges Cyberpunk" spielen, nur würde man das noch als Cyberpunk verstehen.
Dieses Genremodell ist nur ein Schnellschuss. Während ich diese Zeilen schreibe, fällt mir zum Beispiel schon auf, dass man vielleicht mehr von einem "Visuellen Genre" (Wie sieht die Welt aus? Was für eine Welt ist das?) vs. einem "Thematischen Genre" (Was will ich mit dieser Welt/diesem Spiel erzählen? Worum soll es gehen?) vs. eben einem "Mechanischen Genre" sprechen müsste. Dann würde das Flair in der Interaktion von "Visuellem Genre" und "Thematischem Genre" geboren.