So, ich muss jetzt mal den Schnitt etwas nach oben verschieben, unserer Gruppe hat die Gezeichneten-Kampagne bis zum Schluss sehr gut gefallen und ist bis heute eine der meistbesprochenen Erinnerungen.
Wohlgemerkt, ich vergebe die Sterne jetzt so, wie wir die Kampagne erlebt haben, nicht objektiv, wie sie im Buch steht.
Wir haben sie etwa von 2005-2009 gespielt, mit zwei Jahren "Vorlaufzeit" davor, um die Charaktere hochzuspielen. Die meisten Spieler waren Studenten Anfang 20.
Ich war Spielleiter.
Ich kann die Kritikpunkte die viele vorbringen durchaus nachvollziehen, ich habe aber ein paar Schritte unternommen um sie in den Griff zu bekommen und das hat ziemlich gut funktioniert.
NebenabenteuerWir haben nicht nur die Hauptabenteuer gespielt, sondern auch sehr viele Nebenplots und "private Projekte" der SCs, deren Ergebnisse dann auch in die Haupthandlung eingeflossen sind. Dadurch wurde das Gefühl, etwas zu bewirken, deutlich stärker.
Zum Beispiel war unsere Gruppe beim Marsch der Edlen aus dem Horasreich dabei (bzw. hat ihn zu einem Großteil in Gang gebracht) und hat sogar aus Simyala (Wir hatten die Simyala-Saga vorgezogen gehabt) Verstärkung und magisches Wissen organisiert, die dann bei der dritten Dämonenschlacht zum Einsatz kamen.
Die zweite GruppeWir haben mit Beginn der Invasion der Verdammten eine zweite Anfänger-Heldengruppe gestartet. Mit dieser Gruppe haben wir die Invasionszenarios wie den Fall von Illsur und Ysilia, Kommandoaktionen in Tobrien und den Krieg um das Bornland gespielt. Sie waren dann auch letztendlich bei der dritten Dämonenschlacht dabei und die erste Hälfte haben wir fast vollständig aus der Sicht dieser Gruppe erlebt, bis die Gezeichneten dann eingegriffen haben.
Die Einführung dieser Gruppe hatte eine ganze Reihe positiver Effekte:
- Das Kriegsgrauen kam viel besser rüber. Es ging darum, als kleiner Soldat seine Haut und seine Kameraden zu retten (und das Banner der Einheit!), nicht alleine die Schlacht zu entscheiden
- Die wiederholten Niederlagen der Guten wurden nicht als plotgegebenes Versagen der Gezeichneten aufgefasst, da die Charaktere nicht in entscheidenden Positionen standen.
- Die Spieler konnten die kontinentweiten Ereignisse miterleben, ohne krampfhaft argumentieren zu müssen, warum die Gezeichneten überall dabei sind.
PersonalisierungIch habe viele NSCs der Kampagne bereits vorher auftauchen und persönliche Kontakte der SCs in die Kampagne einfließen lassen. Das hat emotional viel beigetragen.
SchicksalIch habe stark mit den Prophezeiungen und dem "Vom Schicksal erwählt"-Status der Gezeichneten gespielt.
Dadurch kamen die noch übrigen Meta-Railroading-Pfade nicht so stark als solche rüber, sondern die Spieler versuchten zum Teil sogar, die Prophezeiungen zu deuten um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
Dazu kommt, dass meine ganze Gruppe vom Epos und den High-Fantasy-Elementen fasziniert war. Das kannte in diesem Ausmaß noch keiner von uns und für DSA ist es immer noch einzigartig, nicht einmal das Jahr des Feuers spielt in diesem Maßstab.
Ich würde die Kampagne heute nicht mehr spielen, aber das hat vor allem damit zu tun, dass ich heute, als Teil der Arbeiterschar, einfach nicht mehr die Zeit dazu hätte. Der Vorbereitungsaufwand als Spielleiter war immens.
Aber ich würde meinem jüngeren ich definitiv wieder raten, es in Angriff zu nehmen, wir haben viel tolles erlebt.
Etwas muss allerdings auch erwähnt werden: Es war diese Kampagne, die mich endgültig von DSA weggebracht hat.
Das Übermaß an spezialregelüberladenen NSCs und Gegner vor allem im letzten Teil der Kampagne hat meine persönliche Schmerzgrenze überschritten (und die war damals noch deutlich höher als heute). Ich habe nach Abschluss der Kampagne nur noch kurz DSA gespielt und dann das Regelsystem gewechselt.
Letztendlich muss man wohl sagen, dass die Gezeichneten-Kampagne definitiv ihre Macken hat, wenn man sie als nur als Folge von Abenteuern "By Book" spielt.
Wenn man sie aber als einen Kampagnenband betrachtet, als Vorlage für die Ereignisse in Aventurien, vor deren Hintergrund man spielt, habe ich bis jetzt noch keine andere so stimmungsvolle Kampagne erlebt. Und in diesen Hintergrund lassen sich dann auch die vorgefertigten Abenteuer gut einfügen.