Ich glaube, du hast die Fragestellung genau richtig verstanden.
Ich habe jetzt ein wenig in Regelwerken geblättert und bin auf einige verschiedene Varianten gestoßen, wie das Spieler-SL-Verhältnis bzgl. der Rulings entschieden werden kann.
In
DSA4.0 gibt es den Satz "Der Meister hat immer Recht", die Spieler haben da nicht viel zu melden. In
DSA4.1 wurde der Passus gestrichen, aber inhaltlich hat sich nicht viel geändert. Allerdings wird in 4.1 klar gemacht, dass der SL die Rechte von den Spielern übertragen bekommen hat. (Wie ist es in DSA5?)
Barbarians of Lemuria: Nicht so viele Erläuterungen, aber schon auf den SL als alleinigen Entscheider hin ausgerichtet.
Arcane Codex: SL ist Entscheider, aber viele Tipps, wie man fair und gerecht entscheidet (Weiser-König-Modell).
Im
Shadowrun-3-Kompendium ist der SL schon der Entscheider, der zwar mit den Spielern spielen soll und nicht gegen sie blabla, aber eigentlich lässt das alles keinen Zweifel, dass er über Regeln und Regelauslegung bestimmt.
In
Shadowrun 5 ist das dann ganz anders: "Wenn es einen Konflikt zwischen Ihren Vorstellungen und denen der Spieler gibt, dann versuchen Sie, diesen Konflikt zu lösen, am besten, indem sie einen Mittelweg oder Kompromiss suchen. Sollte das nicht möglich sein, ist es vielleicht am besten, wenn das Spiel gar nicht erst beginnt.“ – Also nix da der SL muss dann halt was durchdrücken. Auch wie mit Regelfragen umgegangen werden soll (Beispiele im Buch nachschlagen oder SL entscheidet) wird genannt. Und immer stehen da Sätze wie "die Gruppe sollte darüber reden" z.B. für Hausregeln, irgendwie wird da nicht der Eindruck geweckt, dass der SL da der Entscheider ist (wie Zornhau es gerne hat). Abschließende Worte sind da auch noch mal, dass die Meinungen aller berücksichtigt (berücksichtigt - nicht nur gehört!) werden sollen, damit niemand mit negativen Gefühlen ins Spiel geht.
Das ist ja schon eine deutliche Entwicklung von Shadowrun 3 zu 5.
Fate Core: Der SL kann nur insoweit führen, wie die Spieler mitmachen, er soll Diskussionen sogar befördern und hat zwar das letzte Wort, aber da kann das nur im Sinne der Moderator-Rolle sein, wenn ein Konsens/Kompromiss gefunden wird. Es wird sogar von self-policy der Spielrunde geredet. In der deutschen Übersetzung (das englische ist ja pwyw, das deutsche ist gratis wegen deutschen Rechts:
http://faterpg.de/fate-core-downloads/) wird das sogar noch mal deutlicher, dass das letzte Wort erst nach einer Diskussion kommt. Aber das ist in so einer SL-Hinweis-Box, in den Regeln z.B. zu Aspekten findet man dann:
"Die Gruppe muss dir die Relevanz des entsprechenden Aspekts abkaufen, wenn du ihn einsetzt. SL, du fällst hier die letzte Entscheidung."
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Also während manche Rollenspiele den Spielleiter als Entscheidungsträger und autoritäre Instanz betonen, legen andere Spiele Wert auf die Kooperation und das gemeinschaftliche Entscheiden. Die krasseste Distanz sehe ich zwischen DSA4 (Der Meister hat immer Recht) zu Fate Core (self-policy).
Spannend wäre jetzt, wie diese Texte wohl aufgenommen werden und ob es Unterschiede in der Rezeption durch Rollenspiel-Veteranen und Neulinge gibt. Also liest ein DSA-Veteran Fate Core anders, als ein Anfänger der mit Fate Core anfängt? Und was, wenn letzterer dann "Der Meister hat immer Recht"-Hinweise liest? Aber solange nicht an einer Universität ein Lehrstuhl für Sozialwissenschaftliche Rollenspielforschung eingerichtet wird, werden solche Fragen wohl nie beantwortet werden
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