Autor Thema: Wie handhabt ihr Rulings?  (Gelesen 5219 mal)

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Offline Der Nârr

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Wie handhabt ihr Rulings?
« am: 3.12.2015 | 22:22 »
Auf Wunsch in Vertretung gepostet:

Passend zum aktuellen RSP-Karneval:

Was sind Rulings?
Ein Ruling (Regelung, Bestimmung) im Rollenspiel ist eine, meist einmal gültige, ad-hoc Anpassung der Regeln an die konkrete Spielsituation am Tisch. Manche Rollenspiele bieten dafür konkret Stellschrauben an, manche behaupten es und andere glauben, sie würden ohne auskommen. D.h. bei manchen RPGs kann ein Ruling also Teil der Regelanwendung sein, bei manchen müssen die Regeln dazu "gebrochen" werden.

Aber wie kommen sie bei euch konkret ins Spiel?
Bestimmt das der SL?
Diskutiert ihr das breit aus?
Kann ein Spieler ein Ruling einfordern?
Stimmt ihr ab?

Diese Fragen beschäftigen mich zurzeit.
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Offline Bad Horse

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #1 am: 3.12.2015 | 22:29 »
Wenn wir bei einer Situation ankommen, in der die Regeln nicht eindeutig sind, mache ich als SL meistens einen Vorschlag, wie wir das handhaben könnten. Das wird dann kurz abgestimmt und weiter geht es. Manchmal fällt auch jemandem anderes etwas ein, aber das bleibt schon meistens an der SL hängen.
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Offline Antariuk

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #2 am: 3.12.2015 | 22:58 »
Das hängt bei mir stark vom System ab. Ich selbst finde eine ungefähre, gefühlte 50-50 Verteilung nicht übel, aber das zu verallgemeinern wird schwer bis unmöglich.

In meiner Pathfinder-Runde spielen wir eigentlich sehr regelgetreu, d.h. die Vorhaben der Spieler werden manchmal schon durch Regeln limitiert wenn die Pläne haben die nicht mit dem Runden- und Aktionskonzept des d20 System zusammenpassen. Rulings mache ich wenn a) die RAW Situation unklar oder gar ungeregelt ist, oder wenn b) ein Ruling die Situation so viel besser lösen würde als ein spielen nach RAW. "Rule of Cool", sozusagen. Da dürfen Charaktere z.B. mit erfolgreichem Wurf eine extra Bewegungsaktion machen um einen rettenden Heiltrank rechtzeitig zu applizieren, wenn das jetzt ein Ding ist an dem das gesamte Gruppenschicksal hängt. Oder wenn ein Spieler offenkundig Powergaming betreibt was nicht zum Rest der Gruppe passt (kam bisher zim Glück sehr selten vor). Das läuft dann aber alles rein auf der Seite der SCs ab und passiert auch relativ selten. Ich spiele die Welt und die Monster nach allen (mir bekannten) Regeln und würfele hart und fair, wenns gewünscht wird auch offen. Rulings benutze ich bei Pathfinder also letztendlich um den Spielern im Zweifelsfall etwas mehr Freiheit zu verschaffen.

Beim Cypher System dagegen mache ich in der aktuellen Runde sehr viele Rulings, auch mehr als das System dem SL eh schon gibt. Das past aber auch zur Rundenphilosophie wo es mehr um eine coole Story geht als um komplexe Detailregeln. Auf meiner Seite des Schirms hat das den Vorteil dass ich mir Sachen noch einfacher aus den Fingern saugen kann als das ohnehin schon möglich ist, die Spieler dagegen freuen sich über die narrative Kontrolle die das mit sich bring weil sie teilweise auch Rulings machen können die etwas über die Limits des CS hinausgehen. Ich denke das liegt aber auch sehr stark an der spezifischen Gruppe an Spielern und könnte bei anderen CS Runden wieder anders (oder regelgetreuer) aussehen.

Diskutieren tun wir in meinen Runden Rulings eigentlich nicht, außer es gibt Interessensfragen (z.B. bei Pathfinder wo ich zwei neue Spieler habe muss ich manchmal erklären was ich gerade tue, aber das ist ja auch nicht schlimm), ich habe nur selten ein Ruling gegen den Gruppenkonsens durchgedrückt. Dikussionen und Abstimmungen gab es eigentlich fast immer nur über RP-Anteile oder generelle Fragen (z.B. "Welcher von den drei Spuren folgen wir jetzt?").
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Offline bobibob bobsen

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #3 am: 4.12.2015 | 07:44 »
Zitat
Kann ein Spieler ein Ruling einfordern?
Stimmt ihr ab?

Das. Die Diskussion ist meist kurz da ja alle weiterspielen wollen. Dann überlassen wir die entscheidung über das Ruling der betroffenen Partei.

Offline Joyride

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #4 am: 4.12.2015 | 08:26 »
Von der Gruppe kommt eher wenig, meistens bringe ich als SL etwas ein und höre mir dann das Feedback an. Das führt dann ggf. zu Anpassungen / Kompromissen.
Gegen Widerstand der Gruppe würde ich nichts durchsetzen wollen, manchmal gibt es aber einfach einen Probeabend, weil die Spieler keine konkrete Vorstellung von
den Auswirkungen haben.
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Offline Hotzenplot

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #5 am: 4.12.2015 | 08:29 »
Wo ist denn die Abgrenzung zwischen Handwedeln und Rulings? Oder ist Ruling der hippe Begriff für Handwedeln? ^^

Zur Frage: Hängt extrem von der Gruppe ab, von der Laune, von der Uhrzeit, vom System, vom Setting. Kann ich so für mich jedenfalls nicht beantworten. :)
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Luxferre

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #6 am: 4.12.2015 | 08:50 »
Wo ist denn die Abgrenzung zwischen Handwedeln und Rulings? Oder ist Ruling der hippe Begriff für Handwedeln? ^^

Zur Frage: Hängt extrem von der Gruppe ab, von der Laune, von der Uhrzeit, vom System, vom Setting. Kann ich so für mich jedenfalls nicht beantworten. :)

Pathfinder hat einen Passus im GRW, der besagt, dass alle nicht aufgeführten Vor- und Nachteile situativ mit +/- 2 belegt werden können. Das wäre ein Ruling, weil es um nicht näher konkretisierte Situationen geht.

Offline KhornedBeef

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #7 am: 4.12.2015 | 09:00 »
Pathfinder hat einen Passus im GRW, der besagt, dass alle nicht aufgeführten Vor- und Nachteile situativ mit +/- 2 belegt werden können. Das wäre ein Ruling, weil es um nicht näher konkretisierte Situationen geht.

Mein Begriff von "Ruling" (und so steht dass da oben) beinhaltet, dass das während des Spiels geschieht, also eher nein. Ich verstehe "ruling" (engl. f. "Entscheidung") aber auch als eine dauerhafte Regelung, sofern da nichts gegen spricht (nachträglich gefundener grober Widerspruch zu den geschriebenen Regeln oder so), und nicht als einmal gültige Anpassung. Letzteres würde für mich übrigens der Begriff Handwedeln umfassen.
Handwedeln: Wir machen das jetzt erstmal so und so
Ruling: Wir klären das jetzt und machen das fortan so und so

Aber wie gesagt, wer ruling und Handwedeln als synonym behandelt, hat auch recht :).
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Offline Der Nârr

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #8 am: 4.12.2015 | 09:32 »
Ruling ist ein traditioneller Begriff, der vor allem im Zuge des Old School Revivals wieder stärker genutzt wird. Ich übersetze den Begriff auch mit Entscheidung. Ein Ruling ist etwas, das ein Richter ausspricht (z.B. ob ein Beweis zugelassen wird oder nicht). Die Übersetzung mit „Regelung“ finde ich daher fürchterlich und „Handwedeln“ ist mir viel zu salopp – Handwedeln ist für mich auch etwas, wo man Regeln ignoriert oder anders handhabt.

Bei einem Ruling im Rollenspiel handelt es sich nach meinem Verständnis um die Entscheidungen, die ein SL ständig trifft – und zwar dann, wenn Fluff in Crunch konkretisiert wird, wenn es um Probenerschwernisse geht die nicht im Regelwerk vorgegeben stehen (ist das jetzt eine leichte oder eine schwere Probe – der SL muss entscheiden) und eben auch dann, und da wird es interessant und das ist dann das, worauf Ruling oft reduziert wird, die Frage wie man eine Situation handhabt, die nicht eindeutig in den Regeln spezifiziert ist. Also die Frage, wie man allgemeine Regeln auf eine konkrete Situation am besten anwendet. Old School Spiele kann man gar nicht anders spielen, weil die darauf aufbauen, dass man einfach tut was man tun will, aber mit nur ein paar Attributen, Rettungswürfen und Base Attack Bonus bleibt dem SL gar nichts anderes übrig, als immer wieder neu zu entscheiden, wie das funktioniert.

Daraus muss meinem Verständnis nach keine Regel erwachsen. Es geht ja um konkrete Situationen und darum, dass man die individuell handhabt und man in dieser Situation auch mitbestimmt, wie eigentlich gespielt werden soll. In der nächsten Situation kann man einfach eine neue Entscheidung treffen. Von Fall zu Fall eben. Man kann natürlich auch die Ergebnisse von Rulings als Hausregeln festhalten, muss man aber nicht.

Der SL kann natürlich auch hier durch einen Gruppenentscheid ersetzt werden. Traditionell gibt es halt Aufgabenverteilungen unter den Spielern, um gemeinsam und kooperativ zu spielen: Dann gibt es den Kartenzeichner, den Caller, der Entscheidungen dem SL mitteilt, eventuell jemanden der Zeit und Ressourcen nachhält… und der SL ist halt derjenige, der die Entscheidungen trifft. In manchen Spielen ist es sogar so, dass er deswegen „Judge“ heißt.

Ich bin zurzeit in zwei Spielrunden. In der einen werden (so jedenfalls meine Beobachtung) viele Entscheidungen als neue Regeln festgehalten. Im Grunde sind das gar keine Rulings nach meinem Verständnis: Das Spiel wird unterbrochen und gemeinsam diskutiert, wie man es machen möchte. Dann tritt eine neue Regel in Kraft. In dem Moment sind wir ja Gesetzesmacher und keine Richter. Wir schaffen uns Regeln, die eindeutig genug sind, dass eben nicht entschieden werden muss. In der anderen werden viel öfter Sachen spontan geregelt, was auch mit einem old-schooligeren System (Cortex+) zu tun hat. Da wird nicht super simulativ richtig viel geregelt, es ist im Grunde gar nicht spielbar, ohne dass der SL Entscheidungen darüber trifft, wie die Regeln auf konkrete Situationen anzuwenden sind. Da bringen wir uns als Spieler auch viel ein und machen Vorschläge, die meist akzeptiert werden. Das letzte Wort hat immer der SL.
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Offline KhornedBeef

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #9 am: 4.12.2015 | 09:48 »
Die Analogie mit der Richterentscheidung kam mir auch in den Sinn. Dabei sollte man auch bedenken, dass gültiges Recht nicht nur durch die Gesetze gemacht wird, sondern auch durch die Art ihrer Anwendung. Die wird im Wesentlichen durch Gerichtsurteile bestimmt. Das macht den Richter nicht zu einem Gesetzemacher, weil er nicht einfach Dinge außerhalb der akuten Entscheidung neu regeln kann, lediglich Empfehlungen aussprechen. Und natürlich ist das Gerichtsurteil für andere Gerichte nicht immer bindend, aber doch eine Orientierungshilfe.
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Offline Maarzan

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #10 am: 4.12.2015 | 14:21 »
Ich glaube da gibt es einen Haufen unterschiedliche Ebenen zu, die da mit betroffen sein können.

So mal grob:
RAW - Rules as Written
Hausregeln - Abänderungen/Ergänzungen vorzugsweise vor Spielbeginn oder aber nach allgemeiner Übereinstimmung auch später und mit genereller Gültigkeit, auch für die Zukunft.
Ergänzung/Abstraktion - der exakte Fall ist nicht direkt beschrieben, kann aber von der vorlegenden Regeln brauchbar abgeleitet werden.
Kleine Löcher - Ein Sonderfall wiederspricht spontan der RAI ( Rules as Intended) und es wird ebenso spontan und vermutet eher ohne weiteren Belang für die Zukunft was angepasst.
Große Löcher - da gibt es eigentlich und praktisch für was sich als wichtig herausstellendes gar nichts zu in den formellen Regeln und es muss großräumig und ggf grundlegenden Wirkungen improvisiert werden.
Metaeingriff - die Regeln stimmen an sich schon, aber externe Zusammenhänge lassen zumindest partiell den Wunsch nach einer Ausnahme aufkommen, z.B. weil derselbe Spieler ohne eigene Schuld schoon wieder einen Char verlieren würde.
Lazy gaming - wir spielen ungefähr wie gelesen und erinnert und blättern nur nach, wenn jemand akute Probleme hat.
Handwedeln - wir spielen bewußt nicht (exakt) wie eigentlich gedacht, aber offen und das geht, solange es allen ganz gut in den Kram passt.
Spielleiterwillkür - der Spielleiter setzt sich verdeckt und bewußt über Regeln und Mitspielerwillen hinweg.


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Achamanian

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #11 am: 4.12.2015 | 14:29 »
Ergänzung/Abstraktion - der exakte Fall ist nicht direkt beschrieben, kann aber von der vorlegenden Regeln brauchbar abgeleitet werden.

Unter Rulings würde ich aus der ganze Liste nur diesen Punkt verstehen: Auf Grundlage der Regeln und der Einschätzung der InGame-Situation kommt die Gruppe zu einer Regelung für einen Fall, der so nicht explizit durch die Regeln abgedeckt wird.
Die Regelbücher selbst legen verschiedenes Gewicht darauf, die Bedeutung von Rulings zu vermitteln, eigentlich kommt man aber m.E. in fast keinem Rollenspiel daran vorbei. Ein Ruling ist für mich beispielsweise eigentlich schon die Festlegung eines Fallschadens, wenn der durch die Regeln nicht für bestimmte Höhen fest vorgegeben ist, oder die Modifikation von Fallschaden für harten oder weichen Untergrund, sofern das Regelwerk keine entsprechenden Modifikatoren bereitstellt.

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #12 am: 4.12.2015 | 14:30 »
Im Prinzip brauche ich in meinen Gruppen nur dann Rulings wenn ich als SL vor einer Situation stehe in der ich keine konkreten Regeln habe (die ich ansonsten anwende), was meist passiert wenn einer meiner kreativen Spieler einen exotischen Plan hat.
Wenn es keine anwendbare Regelung gibt oder keine bekannt ist, dann treffe ich eine möglichst faire Entscheidung.
Diskussionen über diese Entscheidung verschiebe ich dann gerne auf die Zeit nach der Runde, da wir ja spielen wollen und nicht Regeln diskutieren.
Sollte das Ruling mehrfach Sinn machen dann wird es automatisch zur Hausregel.
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Offline Der Nârr

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #13 am: 5.12.2015 | 11:16 »
@Seth

Wenn du sagst, dass du eine faire Entscheidung triffst – unabhängig davon, dass sich beim Rollenspiel ja alle ganz doll lieb haben. Würdest du sagen, dass es quasi eine unausgesprochene Regel ist, dass du als SL eine faire Entscheidung triffst und keine z.B. rein eigennützige oder eine die nur dem besten Freund in der Spielrunde etc. zugute kommt? Also machst du das, faire Entscheidungen treffen, weil du dich in der Pflicht siehst faire Entscheidungen zu treffen? Würdest du anfangen unfaire Entscheidungen zu treffen, würdest du dann deine Position missbrauchen bzw. dich an die unausgesprochenen Regeln nicht halten?

Also mal im Kontrast: Ich habe als SL schon verschiedene SL-Stile ausprobiert. Einer davon war auch, dass ich als SL die Rulings getroffen habe und das auch kompromisslos, wenn ich meine Entscheidung für die beste/richtigste hielt und im Sinne der Kampagne und des Settings, die ich leiten wollte. Ich glaube nicht, dass ich von fairen Rulings gesprochen hätte, sondern eher von den „passendsten“. Das war bei mir tendentiell eher in Kampagnen so, wo ich viel Arbeit investiert hatte.

Ich frage mich gerade, ob man dieses SL-Modell, wo der SL zwar evtl. nach Anhörung der Spieler alleine entscheidet, dies aber fair machen soll, nicht durch Meta-Regeln (*wie* entscheidet der Spielleiter sich Ruling A oder Ruling B) präzisieren kann.
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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #14 am: 5.12.2015 | 12:43 »
Würdest du sagen, dass es quasi eine unausgesprochene Regel ist, dass du als SL eine faire Entscheidung triffst und keine z.B. rein eigennützige oder eine die nur dem besten Freund in der Spielrunde etc. zugute kommt?
Also machst du das, faire Entscheidungen treffen, weil du dich in der Pflicht siehst faire Entscheidungen zu treffen?
Natürlich kann ich keine 100% fairen Entscheidungen treffen, da ich ja nur ein Mensch bin, allerdings sehe ich mich selbst tatsächlich in der Verantwortung fair zu entscheiden.
Eigennützige Entscheidungen sind bei mir eher selten, da ich lieber mit der Gruppe spiele als gegen die Gruppe, daher plane ich meine Kampagnen und Szenarien auch immer nur grob um während des Spiels kreativ die Lücken zu füllen und auf die Aktionen der Spieler zu reagieren.
Das finde ich persönlich spannender weil es mich dann selbst überrascht wo die Story hingeht.
Zumeist habe ich auch sehr liebe und kooperative Spielrunden, so das meine Entscheidungen zumeist der gesamten Gruppe entgegenkommen.
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Offline Selganor [n/a]

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #15 am: 5.12.2015 | 14:52 »
Dann mal meine Meinung dazu:

Wenn mitten waehrend der Runde etwas aufkommt bei dem niemand spontan weiss wie das gehandhabt werden soll dann wird (sofern moeglich und nicht allzu stoerend) erstmal kurz auf was anderes "umgeschaltet" waehrend noch schnell geschaut wird, ob man doch eine Loesung findet.

Das kann z.B. sein, dass man mal schnell zu einem anderen Charakter wechselt und dessen Aktionen macht waehrend jemand anderes (z.B. der betroffene Spieler der "unbekannten" Aktion oder jemand der damit/sonst gerade nix zu tun hat) schaut mal schnell in den Regeln nach, ob es da nicht doch irgendwo was genaues dazu gibt.

Wenn sowieso gerade ein guter Punkt fuer eine Pause (oder evtl. sogar Ende der Sitzung) ist, kann man die Gelegenheit ja auch nutzen das entweder mit dem Rest der Gruppe durchzusprechen (bei einer Pause) oder zur naechsten Sitzung zu vertagen.

Sollte das nicht moeglich sein oder die kurze Suche ergibt nix trifft der SL, mit einem Mitspracherecht/Veto der Gruppe - evtl. inklusive "Wenn das so ist (und mein Charakter das ja wissen muesste) dann haette ich das nicht gemacht"-Aktions-Rueckzug, eine vorruebergehende Entscheidung die unabhaengig von einer spaeteren Klaerung fuer jetzt erstmal gilt.

Wenn sich danach rausstellen sollte, dass es doch noch eine "bessere" Regelung dafuer gibt kann die ja im Nachhinein noch (z.B. als Hausregel - oder als Erinnerung fuer die Gruppe) aufgefuehrt werden.
Das aendert aber nix an der vorher (waehrend dem Spiel) getroffenen Regelung, ausser die ganze Gruppe will doch "die Zeit zurueckdrehen" und man geht nochmal zu der Stelle zurueck an der man eine "falsche" Regelung hatte.

Oder habe ich die Fragestellung hier ganz falsch verstanden?
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Offline Der Nârr

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #16 am: 6.12.2015 | 11:12 »
Ich glaube, du hast die Fragestellung genau richtig verstanden.

Ich habe jetzt ein wenig in Regelwerken geblättert und bin auf einige verschiedene Varianten gestoßen, wie das Spieler-SL-Verhältnis bzgl. der Rulings entschieden werden kann.

In DSA4.0 gibt es den Satz "Der Meister hat immer Recht", die Spieler haben da nicht viel zu melden. In DSA4.1 wurde der Passus gestrichen, aber inhaltlich hat sich nicht viel geändert. Allerdings wird in 4.1 klar gemacht, dass der SL die Rechte von den Spielern übertragen bekommen hat. (Wie ist es in DSA5?)

Barbarians of Lemuria:
Nicht so viele Erläuterungen, aber schon auf den SL als alleinigen Entscheider hin ausgerichtet.

Arcane Codex: SL ist Entscheider, aber viele Tipps, wie man fair und gerecht entscheidet (Weiser-König-Modell).

Im Shadowrun-3-Kompendium ist der SL schon der Entscheider, der zwar mit den Spielern spielen soll und nicht gegen sie blabla, aber eigentlich lässt das alles keinen Zweifel, dass er über Regeln und Regelauslegung bestimmt.

In Shadowrun 5 ist das dann ganz anders: "Wenn es einen Konflikt zwischen Ihren Vorstellungen und denen der Spieler gibt, dann versuchen Sie, diesen Konflikt zu lösen, am besten, indem sie einen Mittelweg oder Kompromiss suchen. Sollte das nicht möglich sein, ist es vielleicht am besten, wenn das Spiel gar nicht erst beginnt.“ – Also nix da der SL muss dann halt was durchdrücken. Auch wie mit Regelfragen umgegangen werden soll (Beispiele im Buch nachschlagen oder SL entscheidet) wird genannt. Und immer stehen da Sätze wie "die Gruppe sollte darüber reden" z.B. für Hausregeln, irgendwie wird da nicht der Eindruck geweckt, dass der SL da der Entscheider ist (wie Zornhau es gerne hat). Abschließende Worte sind da auch noch mal, dass die Meinungen aller berücksichtigt (berücksichtigt - nicht nur gehört!) werden sollen, damit niemand mit negativen Gefühlen ins Spiel geht.

Das ist ja schon eine deutliche Entwicklung von Shadowrun 3 zu 5.

Fate Core: Der SL kann nur insoweit führen, wie die Spieler mitmachen, er soll Diskussionen sogar befördern und hat zwar das letzte Wort, aber da kann das nur im Sinne der Moderator-Rolle sein, wenn ein Konsens/Kompromiss gefunden wird. Es wird sogar von self-policy der Spielrunde geredet. In der deutschen Übersetzung (das englische ist ja pwyw, das deutsche ist gratis wegen deutschen Rechts: http://faterpg.de/fate-core-downloads/) wird das sogar noch mal deutlicher, dass das letzte Wort erst nach einer Diskussion kommt. Aber das ist in so einer SL-Hinweis-Box, in den Regeln z.B. zu Aspekten findet man dann:

"Die Gruppe muss dir die Relevanz des entsprechenden Aspekts abkaufen, wenn du ihn einsetzt. SL, du fällst hier die letzte Entscheidung."

---

Also während manche Rollenspiele den Spielleiter als Entscheidungsträger und autoritäre Instanz betonen, legen andere Spiele Wert auf die Kooperation und das gemeinschaftliche Entscheiden. Die krasseste Distanz sehe ich zwischen DSA4 (Der Meister hat immer Recht) zu Fate Core (self-policy).

Spannend wäre jetzt, wie diese Texte wohl aufgenommen werden und ob es Unterschiede in der Rezeption durch Rollenspiel-Veteranen und Neulinge gibt. Also liest ein DSA-Veteran Fate Core anders, als ein Anfänger der mit Fate Core anfängt? Und was, wenn letzterer dann "Der Meister hat immer Recht"-Hinweise liest? Aber solange nicht an einer Universität ein Lehrstuhl für Sozialwissenschaftliche Rollenspielforschung eingerichtet wird, werden solche Fragen wohl nie beantwortet werden ;).
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Offline Maarzan

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #17 am: 6.12.2015 | 12:13 »


Fate Core: Der SL kann nur insoweit führen, wie die Spieler mitmachen,

Der spielleiter kann IMMER nur soweit führen, wie die Spieler mitmachen.
Es kann nur unterschiedlichen meinungsbildenden Umfang mit diesem Fakt bzw. Vorabklärungen von Entscheidunsgbereichen um solche Streitigkeiten nach Möglichkeit zu vermeiden geben.
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Offline Selganor [n/a]

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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #18 am: 8.12.2015 | 10:26 »
Auch wenn in den Regeln stehen sollte, dass der SL der Alleinentscheider ueber die Regeln ist kann der SL trotzdem entscheiden, dass die ganze Gruppe entscheidet (und umgekehrt)

Und sollte bei einem System (egal ob SL-Alleinherrscher jetzt im Regelwerk hinterlegt ist oder nicht) der SL mehr "negative" Entscheidungen treffen als "positive" kann es dem SL durchaus passieren, dass ihm so nach und nach (oder mal mit einem schnellen Entscheid) die Spieler ausgehen ;D

Wenn ich merke, dass mir bestimmte Runden keinen Spass machen dann mache ich die einfach nicht. Lieber keine Rollenspielrunden als "schlechte" ;)
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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #19 am: 8.12.2015 | 11:08 »
Jop, anders geht es meiner Meinung nach auch nicht.

Es gibt aber auch Spieler, die das ganz anders sehen und sich viel auf ihr SL-Dasein einbilden – sogar Spieler aus "ihrer" Runde eigenständig herauswerfen können. Sonst würde man ja auch diese Ausführungen, was der SL alles kann, nicht in vielen Regelwerken stehen. Die Autoren müssen das ja a) irgendwo her haben und b) sich etwas dabei denken.

Die Sache mit den Regelwerken ist nur die, dass die halt die Sicht von Leuten prägen, die damit in Kontakt kommen und über solche Hinweise lernen wollen, wie Rollenspiel funktioniert und wie man ein besserer SL wird. Und da macht es ja einen Unterschied, ob man dem Spielleiter sowas wie „Der Meister hat immer Recht“ sagt und vielleicht noch darüber schreibt, wie man seine Spieler „erziehen“ müsse, oder ob man klar macht, dass Rollenspiel ein gemeinschaftliches Spielen ist und der Spielleiter nur bestimmte Rechte hat und Aufgaben wahrnimmt, weil die Spieler sie ihm wohlwollend übertragen. Das bezieht sich ja dann auch nicht nur auf den SL, sondern auch auf die anderen Spieler. Es kann ja Spieler geben, die gar nicht wissen, dass sie mit entscheiden dürfen und umgekehrt auch Spielleiter, denen gar nicht klar ist, dass sie nicht alles alleine machen müssen und die Hilfe von den Spielern in Anspruch nehmen würden, wenn sie denn wüssten, dass das geht. Die aber denken, sie sind der SL, also müssen sie das jetzt entscheiden und "bestimmen" wie der Hase läuft.

Darum finde ich es viel besser, wenn in Rollenspielregelwerken wie in Shadowrun 5 oder Fate Core erklärt wird, wie man in einer Gruppe gemeinsam entscheidet als wenn wie in sehr, sehr vielen anderen Rollenspiel-Regelwerken (auch scheinbar fortschrittlichen) erklärt wird, was für Entscheidungs- und Bestimmungsgewalt der SL alles hätte. Natürlich ist wichtig, auf die Aufgaben des SL einzugehen, aber dann sollte bitte betont werden, dass es übertragene Aufgaben sind und der SL nicht nur Rechte, sondern auch bestimmte Pflichten hat und er immer auf die Zustimmung der Spielrunde angewiesen ist.

Zwischen Diktator und Basisdemokratie ist ja ein weiter Raum. Viele Rollenspiele versuchen den SL im Grunde wie einen weisen König zu beschreiben, der zwar alle Entscheidungsgewalt hat, weil er aber ein netter Mensch ist versucht er natürlich, auf die Interessen und Wünsche der Spieler einzugehen. Die Spieler sind in diesem Modell aber immer auf die Gnade und Gutmütigkeit des SL angewiesen. Ich verstehe nicht mehr, warum man noch an diesem Modell festhält, sondern klipp und klar sagt, dass die Spieler Ansprüche an den SL haben und er nur aufgrund ihrer Zustimmung und Akzeptanz SL ist. Er also nicht ein lieber SL sein soll der auf Wünsche eingeht um nicht im schlimmsten Fall vom Thron gestoßen zu werden, sondern dass er auf die Wünsche eingeht weil das seine Pflicht und Verantwortung ist.

In der Praxis würde das wahrscheinlich gar nicht so viel ändern, aber ich finde diesen Perspektivwechsel trotzdem wichtig, weil es eben doch manche Probleme lösen kann. Gerade dann, je näher der SL am Diktator-Modell ist. Und da habe ich beide Varianten kennen lernen dürfen, die selbstherrlichen SL auf Ego-Trip die sich auf ihren Posten viel einbilden, aber auch einen SL, der da echt das Opfer war und felsenfest der Überzeugung war, Rollenspiel müsse so sein (weil es ja in allen DSA-Regelwerken so etabliert wird) und darum leider ein fürchterlich schlechter SL war der den Job auch überhaupt nicht gerne machte.
« Letzte Änderung: 8.12.2015 | 11:10 von Der Narr »
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Re: Wie handhabt ihr Rulings?
« Antwort #20 am: 8.12.2015 | 20:26 »
Bei uns finden Rulings dann Anwendung, wenn unnötige Regelrecherche während des Spiels vermieden werden soll, zB weil die Sitation, beziehungsweise die Konsequenzen zwar releveant aber nicht immens hohe Tragweite besitzen.
Meistens schlägt der Spielleiter das vor und die anderen nicken ab (oder sprechen Bedenken aus).
Natürlich kann auch ein Spieler das initiieren.

Da wir ja gerade Zeit einsparen wollen, wird nicht lange diskutiert.
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!