Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Ziel und Thema des Threads richtig verstanden habe, aber weil es mich schon interessiert, versuche ich mal was dazu beizutragen.
Mal ein paar auf Eindrücken basierende Vermutungen zum Typen "Künstler":
Ich würde vorschlagen, den Typen Künstler in verschiedene Untertypen aufzuteilen. Ist der Künstler ein A) Spielleiter/Meister oder ein B) Spieler*? Ist die Story nach dramaturgischen Gesichtspunkten a) komplett vorgeplant, b) grob skizziert oder c) frei und reaktiv improvisiert?
Die Kombination Aa (Meister mit vorgeplanter Story) ist z.B. nach meinem Eindruck jemand, der sich von jedem Regelwerk beim Spiel behindert fühlt, egal wie das System aufgebaut ist. Die Kombinationen Ab und Ac kommen mit regelleichten Systemen und Systemen, die nicht sonderlich ins Detail gehen, deutlich besser zurecht als mit Regelschwergewichten und solchen Regeln, die viel Realzeit zur regelkonformen Abwicklung einer Situation erfordern. Je nach Bereitschaft und Fähigkeit zur Improvisation können Ab und noch eher Ac auch mit Regeln zurecht kommen, deren Anwendung einen direkten Storyschub gibt. Damit meine ich z.B. so Sachen wie Karten oder Würfelergebnisse, die bestimmte, vom Regelwerk vorgegebene (oder zumindest angeregte) Ereignisse auslösen. Einfachstes Beispiel sind sicherlich Patzer, die eine Storywendung nach sich ziehen, oder Ereigniskarten, die neue NSCs in eine Szene bringen.
Aus Spielersicht ist das wieder eine andere Sache. Ein Künstler nach Ba will dem Spielleiter zuspielen, indem er der vorgegebenen Linie der Story folgt, wo er sie sieht. Das ist mMn der typische Kandidat für diesen sagenumwobenen Partizipationismus. Meiner Erfahrung nach haben solche Leute keine Probleme mit Regeln, wenn diese ignoriert werden dürfen, aber sie kommen nur schwer mit Spielleitern zurecht, die keine klare Story leiten wollen.
Die nächsten beiden Künstler-Spielertypen sind mMn in der freien Wildbahn weitaus seltener. Um an einer guten Geschichte mitwirken zu wollen, muss man auf der Meta-Ebene mitdenken, was nicht so populär ist und meistens dem SL überlassen bleibt. Nach dem Motto: Ich mache, was mein Charakter macht, das ist schon Beitrag zur Story genug, und und Spannungskurve und Plotwendung kümmert sich der SL. Solche Spieler fallen eher unter die Kategorien Personal Drama oder Held. Wenn tatsächlich Künstler in die Nur-Spieler-Rolle schlüpfen, freuen sie sich, glaube ich, über regeltechnisch gut verankerte Player Empowerment Maßnahmen, denn auf diese Art können sie dem Storyverlauf oder zumindest den Szenedetails eine persönliche Note geben.
Darin liegt, so meine Vermutung, auch der Unterschied zwischen den Typen Bb (Spieler, der in einer skizzierten Story kreativ sein will) und Bc (Spieler, der eine völlig offene Story dramaturgisch würzen will). Der Spieler Bb braucht Möglichkeiten, die Story zu bereichern, also z.B. Details einzubauen, die in einer Szene Bedeutung haben. Wenn die Spieler irgendwo einbrechen wollen, um an eine geheime Information zu kommen, dann kann er Wachhunde herbei oder hinfort erzählen wollen usw., je nachdem, ob es die Geschichte interessanter macht, den einzelnen Charakteren Spotlight gibt oder die Atmosphäre vertieft. Künstlertyp Bb wird aber nicht erzählen wollen, welche Geheimnisse die Information verrät.
Bei einer vollständig offenen Geschichte kann das darüber hinaus gehen. Dann braucht man sogar Möglichkeiten, wie ein Spieler seine eigenen Ideen, die den ganzen Plot betreffen, verbindlich in den Hintergrund einweben kann. Spielertyp Bc hätte z.B. vielleicht ein Interesse daran, der gestohlenen Geheiminformation ein paar Elemente hinzuzufügen, die den kompletten Plot verändern.
Nochwas zum Verhältnis Held und Künstler bei Spielern:
Ich habe schon bei verschiedenen Spielergruppen immer mal wieder Diskussionen über SL-Entscheidungen oder Regelauslegungen oder Regeln am Spieltisch gehört, sowohl selbst als SL als auch als Gruppenmitglied. Darunter fallen auch Diskussionen, wie die Spielwelt aufgebaut ist, wie NSCs reagieren usw., also Bereiche, die traditionell der Obhut des SL unterstehen. Fast zu 100% drehen sich solche Diskussionen aus Spielersicht NICHT um die Frage, ob der Plot oder die Atmosphäre von der zur Debatte stehenden SL-Entscheidung allgemein an Qualität profitiert (oder vermurkst wird), sondern fast immer darum, dass die Spieler einen Erfolg für ihre Charaktere herbeidiskutieren wollen. Wenn das überhaupt storyorientierte Spieler sind, die am Spieltisch über die Spielwelt diskutieren, dann sind die immer vom Typ Held.
Solche Spieler nutzen Player Empowerment auch nicht, um Geschichten zu bereichern, sondern dazu, ihre Charaktere erfolgreich dastehen zu lassen oder Probleme zu lösen, Herausforderungen zu bewältigen etc. und denkt damit garnicht mal unbedingt in einem Storymodus. (Vereinfacht gesagt: Bei allen Rollenspielen wird eine Geschichte erzählt, aber nicht alle Rollenspieler sehen das Erzählen einer guten Geschichte als das A und O des Rollenspiels an.)
* gemeint ist hier ein Spieler, der keine SL-Rolle bekleidet.