Dealgathair schrieb anderenthemas Folgendes:
Wobei die Frage immer im Raum steht, ob Rollenspiel und StoryGaming dasselbe Hobby sind. Vielleicht haben sie "nur" eine ähnliche Zielgruppe. Vielleicht fällt der Unterschied deswegen oft nicht so ins Gewicht, weil viele Indies eigentlich Hybride sind. (Selbst bei Fiasko "gehören" die Spielfiguren noch jeweils ihren Spielenden.)
... ich glaube, dass für ein SitCom-Spiel der Verzicht auf Spielfiguren-Eigentum sehr wichtig sein könnte.
Ist halt die Frage, ob man dieses SitCom-Spiel mit seiner Rollenspielrunde spielen kann.
Hier ein guter Artikel (der bis auf, dass er für "story games" den Begriff "storytelling game" verwendet) vieles richtig erklärt.
Ich möchte zunächst mal gar nicht Dealgathairs Beitrag eingehen, sondern auf jene Autorität, auf welche er sich beruft.
Wir fangen mal an:
Roleplaying games are defined by mechanics which are associated with the game world.
"shall be" sollte es heißen. Das ist der Witz bei Definitionen. Definitionen sind willkürlich. Sie sind nicht wahr oder falsch. Womöglich sind sie sinnvoll oder auch nicht. Das wird zu prüfen sein.
Let me break that down: Roleplaying games are self-evidently about playing a role.
Das ist ein etymologisches Argument. Es gibt eine ganze Reihe von Bezeichnungen, die zwar morphematisch analysierbar sind, deren Bedeutung aber nicht als Kombination der Einzelbedeutungen zu erkennen ist. So hat das Meerschweinchen offensichtlich weder eine offensichtliche Beziehung zum Meer, noch zu Schweinen. Wir glauben aber mal tatsächlich, das Rollenspiele etwas mit dem Spielen von Rollen zu tun haben.
Die Frage ist aber zunächst mal was "being about" in diesem Fall bedeutet. Schauen wir kurz weiter...
Playing a role is about making choices as if you were the character. Therefore, in order for a game to be a roleplaying game (and not just a game where you happen to play a role),...
Und schon ihr bricht das Kartenhaus zusammen. Man kann also in Spielen Rollen spielen, auch wenn sie keine Rollenspiele sind.
Was jenes "being about" also vorbereitet, ist das Mittel vom Unechten Schotten. Ein eigentlich beobachtbares Kriterium ("Man spielt Rollen") wird so gegen empirische Überprüfung immunisiert. Das Spiel ist dann eben nicht "about" Rollenspiel.
Hier könnten wir aufhören zu lesen.
Wir müssen aber klären, was eigentlich diese assoziierten oder nicht assozierten Mechaniken sein könnten. Auch dazu gibt es natürlich
einen passenden Beitrag.
A SIMPLE DEFINITION
An associated mechanic is one which has a connection to the game world. A dissociated mechanic is one which is disconnected from the game world.
The easiest way to perceive the difference is to look at the player’s decision-making process when using the mechanic: If the player’s decision can be directly equated to a decision made by the character, then the mechanic is associated. If it cannot be directly equated, then it is dissociated.
Wir müssen also zu jeder Aktion des Spielers eine äquivalente Aktion des Charakters finden, dann ist eines assoziierter Mechanismus. Das ist ziemlich klar, wenn ich Angriffswurf mache, macht Alrik einen Angriff. Wenn ich Tass abstreiche, setzt Richard Tass ein.
Jetzt schauen das noch mal an:
Roleplaying games are defined by mechanics which are associated with the game world.
Das heißt alle Spiele, die associated mechanics haben sind Rollenspiele? Nein, wahrscheinlich nicht. Die Handlungen meines Männchens bei Pandemie sind alle ziemlich asssociated in diesem Sinne, aber ein Rollenspiel ist es trotzdem nicht.
Womöglich wird da gemeint, dass diese associated mechanics besonders wichtig für Rollenspiele sind, aber schauen wir und das mal an. Was hat denn ein Rollenspiel so an Mechanik?
- Charaktererschaffung. Da entscheidet überhaupt kein Charakter. Nicht assoziiert.
- XP-Vergabe. Ebenso.
- Initiative-Regeln. Da entscheidet kein Spieler. Das wird nur gewürfelt.
- Zufallsbegegnungen, Schatztabellen etc. Nö.
...
Wir können das noch ziemlich lange machen. Tatsächlich fallen eben nur Dinge, die eine bewusste Charakterhandlung bedeuten, überhaupt unter diese Definition. Jener zentrale Teil der Assoziiertheit schwebt auf einer Wolke von Nichtassoziiertem, ohne den man gar nicht spielen könnte.
Ich versuche nicht die ursprüngliche Definition zu reparieren.
Aber schauen wir noch mal in den ursprünglichen Artikel. Wozu müssen wir eigentlich diesen Untrue Scotsman zum Tee laden? - Naja, bei diesen anderen komischen Spielen, diesen "Storytelling Games" spielt man natürlich auch gelegentlich Rollen. Die dürfen aber nicht den erhabenen Namen Rollenspiele tragen.
So heißt es denn:
Storytelling games (STGs), on the other hand, are defined by narrative control mechanics: The mechanics of the game are either about determining who controls a particular chunk of the narrative or they’re actually about determining the outcome of a particular narrative chunk.
Also klar, wieder "shall be". Immerhin glauben wir hier bereitwilliger, denn bei Begriffen, die niemand kennt, kann man natürlich freier herumdefinieren. Man würde mich merkwürdig anschauen, wenn ich sagte, Tisch sei, was Chloroplasten hat, aber bei der Definition eines Bröxels habe ich recht freie Hand.
Wir kommen gleich noch einmal auf diese Definition, die uns vage bekannt vorkommt, zurück. Der Autor gibt uns nun natürlich Beispiele:
Wushu zum Beispiel.
Everyone in Wushu is playing a character. That character is the favored vehicle which they can use to deliver their descriptions, and that character’s traits will even influence what types of descriptions are mechanically superior for them to use. But the mechanics of the game are completely dissociated from the act of roleplaying the character. Vivid and interesting characters are certainly encouraged, but the act of making choices as if you were the character — the act of actually roleplaying — has absolutely nothing to do with the rules whatsoever.
Das ist natürlich falsch. Also die SL in Wushu spielt mehrere Charaktere, nennen sich NSCs. Aber ignorieren wir das. Wir lernen nun also, dass eine Aktion bei Wushu nicht assoziiert sei. Obwohl bestimmte Aktionen für den Charakter nahe liegen, wenn er eben besser darin ist.
Warum, das so sein soll. Das lernen wir nicht. Wir können eine 1A-Äquivalenz ausmachen, wie in jener hübschen Definition gefordert. Warum die nun nicht zählen soll?
Aber gibt ja noch andere schöne Spiele:
More controversially, consider Dread. The gameplay here looks a lot like a roleplaying game: All the players are playing individual characters. There’s a GM controlling/presenting the game world. When players have their characters attempt actions, there’s even a resolution mechanic: Pull a Jenga block. If the tower doesn’t collapse, the action succeeds. If the tower does collapse, the character is eliminated from the story.
But I’d argue that Dread isn’t a roleplaying game: The mechanic may be triggered by characters taking action, but the actual mechanic isn’t associated with the game world. The mechanic is entirely about controlling the pace of the narrative and participation in the narrative.
Ah, das gute "being about" wieder. Ja, war ja auch vorhin schon bequem. Warum wir jetzt einen GM brauchen, der die Welt kontrolliert? Ach ja, die "Definition" von Rollenspiel oben war ja keine brauchbare. Also anschienend, sollen wir annehmen, dass Rollenspiele sowas eben haben, weil sies eben haben.
Aber das Jengastein-Ziehen ist nicht assoziiert, weil naja, vielleicht wollte er sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es schief geht steigt, je höher der Turm ist. Und er Charakter eben nicht wissen kann, wie hoch der Turm ist. Das hat natürlich nichts damit zu tun, dass da äquivalente Intentionen bestehen, die Definition also erfüllt ist, weshalb wir wieder den Schotten mit dem "being about" brauchen.
Es kommt dann aber noch ein andere Herangehensweise. Die ist sogar ziemlich sinnvoll. Schauen wir uns das mal an:
Another way to look at this is to strip everything back to freeform roleplaying: Just people sitting around, pretending to be characters. This isn’t a roleplaying game because there’s no game — it’s just roleplaying.
Now add mechanics: If the mechanics are designed in such a way that the mechanical choices you’re making are directly associated with the choices your character is making, then it’s probably a roleplaying game. If the mechanics are designed in such a way that the mechanical choices you’re making are about controlling or influencing the narrative, then it’s probably a storytelling game.
Freilich, den ersten Satz können wir als deutsche Muttsprachler nicht nachempfinden. Das ist dann eben Philosophie. Tanzen im semantischen Netzwerk Einzelsprache. Wir verabschieden uns dann also völlig von dem, was da eben stand. Warum haben wir den ganzen Scheiß dann gelesen?
Aber es ist ja nicht so einfach.
First, few games are actually that rigid in their focus. For example, if I add an action point mechanic to a roleplaying game it doesn’t suddenly cease to be a roleplaying game just because there are now some mechanical choices being made by players that aren’t associated to character decisions.
Ach so. Also war das eben nicht nur Geschwurbel, wir können diese Spiele also gar nicht sortenrein trennen? Ja, Meister, warum machst du dann Scheiß?
When you combine these two factors, you end up with a third: Because characters are narrative elements, players who prefer storytelling games tend to have a much higher tolerance for roleplaying mechanics in their storytelling games. Why? Because roleplaying mechanics allow you to control characters; characters are narrative elements; and, therefore, roleplaying mechanics can be enjoyed as just a very specific variety of narrative control.
On the other hand, people who are primarily interested in roleplaying games because they want to roleplay a character tend to have a much lower tolerance for narrative control mechanics in their roleplaying games.
So deshalb also. Und jetzt können wir die ganze Blamage im Zusammenhang kritisieren, nachdem die Polemik am Ende ist.
Es gibt also gewisse Mechanismen, die gewisse Leute nicht mögen. Die Idee, diese Leute Rollenspieler und diese Mechanismen Storytelling zu nennen, ist Schwachsinn.
Jedes Rollenspiel braucht "Storytelling-Mechanismen" wie oben gezeigt. Sonst funktioniert es nicht. Die Leute mögen also nicht alle "Storytelling-Mechanismen" nicht, sondern lehnen sie nur ab, wenn sie an bestimmten Stellen vorkommen. Das hätte man rausarbeiten können. Dann hätte man was gewusst.
Schändlich aber ist, die eine Gruppe als "Rollenspieler" zu bezeichnen. Hier wird der Titel des Hobbies für die eigenen Lieblingsspiele vereinnahmt. Das ist Besserspielerei in Reinform. Ich mein, ich stell mich ja auch nicht hin, und behaupte Shadowrun sei kein Rollenspiel, obwohl es ganz bestimmt die größte Verschwendung an Totholz ist, die das Hobby je gesehen hat.
Fehlt noch was? Ach ja, dieses merkwürdige bekannte Definition:
Storytelling games (STGs), on the other hand, are defined by narrative control mechanics: The mechanics of the game are either about determining who controls a particular chunk of the narrative or they’re actually about determining the outcome of a particular narrative chunk.
Das ist natürlich eine Beschreibung für
Rollenspiele, wie man sie seit der Forge erwartet. Sie ist auch für, das der Alexendriner als Rollenspiele haben möchte, korrekt, wie er zugibt. Das ist nun also besonders clever. Nicht.
Kommen wir aber nun mal, zu Dealgathair, der uns dieses unterhaltsame Stelldichein beschert hat.
Wobei die Frage immer im Raum steht, ob Rollenspiel und StoryGaming dasselbe Hobby sind.
GEISTIGE DINGE SIND NICHT ZÄHLBAR.
Abgesehen davon, dass du dir jene engstirnige, kleingeistige und tellerberandete Bezeichnung "Rollenspiel" zu eigen gemacht hast, wo du doch mit "klassichem Rollenspiel" super gefahren wärst, kannst du für zwei beliebige Dinge sagen, dass sie sehr gleich oder sehr verschieden sind und beides wird richtig sein.
Deine Frage ist also keine, sondern Provokation.