Als ich das geleitet habe, haben wir uns gerade dafür entschieden,
weil es ein puristisches Abenteuer ist und sich an Lovecrafts Geschichten anlehnt. Nicht unbedingt vom Inhalt her, aber vom Handlungsverlauf. Die Charaktere begegnen dem Mythos. Das kosmische Grauen lässt sich weder bekämpfen noch verstehen. Die Charaktere haben an jedem Punkt der Geschichte nur die Wahl, entweder ihr Leben zu retten und zu fliehen oder dem Grauen ins Auge zu blicken und dabei zugrunde zu gehen. Jedem war klar, dass das ein Oneshot werden würde und dass die Charaktere dabei so oder so untergehen würden. Der ganze Sinn der Übung war nicht das Was, sondern das Wie.
Um das klar zu sagen: Das ist definitiv nicht das, was ich mir normalerweise unter Rollenspiel vorstelle. Aber über die Jahre haben wir zig "Cthulhu"-Geschichten gespielt und die funktionieren eigentlich nie wie die literarische Vorlage. Einmal natürlich, weil Rollenspiel halt kein Roman ist und andererseits, weil Lovecrafts Stärke in der Atmosphäre und der Darstellung des Grauens liegt und nicht in der Handlung oder den Charakteren:
"The Dying of St. Margareth" macht genau diese Ansage: Ein Szenario sein zu wollen, dass versucht, mehr wie eine Lovecraftgeschichte zu sein als wie ein Feld-, Wald- und Wiesen-Cthulhu-Abenteuer. Das steht drauf, das ist drin und ich bin der Meinung, dass es das ziemlich gut macht.
Das Abenteuer ist nicht nur absolut linear, außerdem wird die Haupthandlung komplett von äußeren Umständen getrieben, auf die die SCs
keinerlei Einfluss haben. Das ist natürlich zu erwarten bei einem Abenteuer, dass versucht, eine (Survival-) Horrorgeschichte zu emulieren. Ich hätte aber erwartet, dass mich das beim Leiten sehr viel mehr in die Bredouille bringen würde. In der Praxis war das dann überhaupt nicht der Fall, weil die Spieler ihren Spaß damit hatten, ihre Rollen und ihre Drives auszuspielen und ins Verderben zu laufen.
Das Setting hat auch besser funktioniert, als ich beim Lesen erwartet hätte. Die Herangehensweise ist, wie bei eigentlich allen Pelgrane-Produkten, die ich kenne, sehr cineastisch. Es gibt keine Bodenpläne, keine Beschreibung von Orten, die keine Rolle spielen oder von NSCs, die nicht wichtig sind. Ich kann damit inzwischen gut arbeiten, von Filmen und Serien bin ich gewohnt, dass unwichtige Orte und Personen im Schnitt übersprungen werden und dass ich in der 7. Staffel zwar die Hauptfiguren in- und auswendig kenne, aber trotzdem nicht weiß, wo in ihrer Wohnung das Klo ist oder wie ihre Kinder heißen. Das heißt nicht, dass diese Elemente in der Spielwelt für die Charaktere nicht existieren, sie tauchen nur in der Geschichte nicht auf.
Dass das Setting dabei nicht 100% realistisch ist, finde ich auch ok. Ganz Arkham mit seinen übernatürlichen Gefahren, der Naturwissenschafts-Uni mit der praktischen Okkultbibliothek, der Hexenverfolgungsgeschichte und den horriblen Nachbarorten ist auch nur ein bequemes Plot-Device, das die Aufgabe hat, Geschichten zu ermöglichen und worüber man nicht zu genau nachdenken darf. Und ich weiß einfach so wenig über britische Privatinternate in den 1930ern, dass das für mich ein völlig exotisches Setting ist, bei dem ich alles, was mir das Buch erzählt, für bare Münze nehmen kann. Dass ein fürchterlicher Arbeitgeber auf einer eisigen Felsinsel einen irrsinnigen Personalverbrauch hat oder eine Epidemie lieber vertuscht als den Schutzbefohlenen zu helfen finde ich z.B. auch ohne übernatürlichen Einfluss jetzt nicht weit hergeholt. Und beim Spiel bin ich damit auch in keinerlei Löcher gefallen. Der einzige Kritikpunkt ist die "Maschine", die zu sehr eine Anspielung auf andere GUMSHOE-Spiele ist, um so, wie sie geschrieben ist, auf eigenen Füßen zu stehen.
Ich weiß nicht, wie ich das Abenteuer bewerten würde, wenn es nicht von vornherein klarmachen würde, was es sein will. Aber ich habe mir das Szenario (damals noch PDF-only) gerade wegen dieser Ansage besorgt und habe genau das bekommen, was ich erwartet hatte. Etwaige Bedenken waren nach dem Durchspielen verflogen und weil das Ganze ohne Zwang und Railroading sehr "nach Buch" ablief, auch was die Hinweise zum Leiten anging, vermute ich, dass da durchaus ein bisschen Testspielen und Feedback drinsteckt und der Abenteuerinhalt nicht zufällig ohne Wissen und Können genau so gestaltet wurde. Daher werde ich "St. Margarets" jederzeit weiterempfehlen — als das, was es ist.
Ich habe es nie als Teil der "The Final Revelation"-Kampagne gespielt, aber auch da kann ich mir vorstellen,
dass das als Rückblende, in der die Spieler herausbekommen, wie die armen Menschen in St. Margarets, auf deren Spuren die eigentlichen SCs stoßen, denn alle so schrecklich umgekommen sind.
Angenommen es gibt ein Haus mit einer Szene auf dem Dachboden. Was mache ich da als SL in ToC?
Es gibt keinen Grundriss. Sag ich da... "Im ganzen Haus ist nichts zu finden. Wenn Ihr Euch aber auf den Dachboden traut, dann gibt es dort 'ne Szene."?
Normalerweise sollte es eine Spur geben, die auf den Dachboden führt. GUMSHOE baut ja generell einen "Dungeon" aus miteinander verbundenen Hinweisen und Spuren auf, denen die Charaktere folgen. Wenn meine Hinweise sind "hinter der Tür zum Nachbarzimmer hörst du ein verdächtiges Geräusch" und "die Spuren vor dem Fenster führen zum Gartenhaus", wird erwartet, dass die SCs dem dann nachgehen und nicht völlig random versuchen, das Haus Zimmer für Zimmer zu durchsuchen…