Aaaalso: Don't rest your head. Oneshot. Ich überlege mir einen echt ungenehmen Herrn. Erfolgreicher Arzt. Fühlt sich überlegen. So ein richtig netter Halbgott in Weiß. Er hat eine hübsche Frau, ein großes Haus, pimpert die Krankenschwester des Monats. Nebenher verdient er sich noch einen netten Obulus, indem er Leute ex gehen lässt, deren Organe dann an zahlungsfähige Patienten fix weitervermittelt werden. Er redet sich das natürlich schön. Als Arzt kann er entscheiden, dass dieser Verlierer hier seine Niere nicht mehr braucht. Was fährt der Idiot auch Motorad? Dieser Großindustrielle ist auch ein viel wertvolleres Mitglied der Gesellschaft. Und so weiter. So richtig zum Kotzen. Sehr Klischee, aber Klischee ist hier absolut notwendig, denn die Emotionen für die Immersion müssen leicht greifbar und aktivierbar sein. Komplexe Typen funktionieren nicht, weil man anfängt zu reflektieren und dann raus rutscht.
So, der Typ hat also das ultimative Verbrechen verübt, seine letzte während der Operation "überraschend" verstorbene Patientin war die kleine Dorothy. Komplett mit niedlichen Zöpfen und allem. Ich (real, nicht der Doktor) habe zwei kleine Kinder, zu dem Zeitpunkt ein und drei Jahre alt. Die lösen einen leichten Behütertrieb aus und sorgen für eine gewisse Intoleranz gegenüber Gewalt an Kindern. Schon der Gedanke an Gewalt gegen Kinder macht wütend. Also mich. In echt.
In Don't rest your head haben SC immer eine irgendwie übernatürliche Sonderfähigkeit. Bei mir: "Tote sprechen zu mir." BAAAAM! Rückkopplung. Mit wem will die kleine Dorothy, die nur ich sehen kann, also spielen? Mit dem lieben Onkel Doktor, der ihr helfen wollte, und der als einziger noch mit ihr spricht. Und damit wurde er mit seiner Schuld konfrontiert, worauf er mit Wut reagiert hat. AHA! War das nicht gerade eine Emotion, die ich in meinem Blick auf dem Typen angelegt habe? Ursache und Ziel mögen unterschiedlich sein, aber die Wut war da. Ich habe diesen Typen schon bei der Erstellung gehasst. Ein bisschen Selbstzweifel kann wahrscheinlich jeder irgendwo ausgraben. Dann noch ein bisschen reinsteigern.
Bei dem ging das wirklich leicht. Schon nach der Charaktererschaffung sah mein Charakterblatt aus, wie diese Klischeegummizellen, die die Klischeeinsassen vollkritzeln. "Sei still! Sei still! Sei still!" Dieser Typ war so unfassbar von Wut, Hass, Selbsthass und Zweifeln zerfressen und diese Emotionen waren für mich in Bezug auf den Typen ganz leicht abrufbar. Als ich in der dritten Szene die Kantinenfrau erschlagen habe, war das völlig plausibel (bzw. lief ganz unreflektiert wie von alleine, schließlich kam ich gerade aus der Leichenhalle, was in einem Horrorrollenspiel immer eine dumme Idee ist. Und die hatte keinen Kaffee und fing dann auch noch an sich zu verwandeln und rum zu schreien). Im IG-Gespräch habe ich mir fortwährend vorgestellt, wie die kleine Dorothy mir dauernd reinlabert und ablenkt, bis ich mal mitten im Gespräch das arme, nicht existierende Kind in einer Zimmerecke in real angebrüllt habe, dass ich jetzt nicht mit ihm spielen will.
Achja, spätestens ab da hat sich der Spielleiter halb ausgeklinkt, zurück gelehnt und gelächelt und die anderen SC sind vor mir geflohen. Das habe ich eigentlich erst später als Spieler auch richtig mitbekommen, dass ich plötzlich das Monster of the Week war. Ein gewisser Flow hat sich also auch da eingestellt. Ziemlich bizarr. Der Typ war aber auch so widerlich, dass er in der Abschlussszene in der Albtraumwelt von all den Toten im Krankenhaus zerfetzt wurde. Und so richtig traurig war ich da nicht drüber.
ABER: Ich habe da als Spieler - wenn auch erst unbewusst - die Spielsituation komplett an mich gerissen. Mein Spielstil wurde extrem dominant. Gerade weil sich auch so etwas wie ein Flow einstellte, hing ich da voll drin und war nur noch sehr bedingt interaktionsfähig, mal abgesehen davon, dass ich jeden noch so kleinen Ball, den die anderen Spieler warfen, mit Schmackes irgendwo hin gedroschen habe, wie es zu meinem SC passte. Ich habe das Spotlight weg gesaugt wie ein schwarzes Loch. Das kann man mal machen. Das war bei einem Oneshot in Ordnung (meinten die anderen Spieler, aber ich glaube, die hatten hinterher nur Angst vor mir
). Vor allem funktionierte das, weil es plötzlich Survivalhorror wurde und ich der Typ mit den Betäubungsmitteln und der Feueraxt war, der Stimmen hört, sprich der einzelne Antagonist. Dauerhaft halte ich das in diesem Maße für eine Runde für kaum erträglich.
Und das war emotional SEHR erschöpfend. Ich war stundenlang die wortwörtliche Axt im Walde und wütete da rum.