Autor Thema: [Ich erzähle euch von] Shores of Korantia  (Gelesen 1376 mal)

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Achamanian

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[Ich erzähle euch von] Shores of Korantia
« am: 3.04.2016 | 22:20 »
Stecke gerade mitten in der Lektüre dieses RQ6/Mythras-Settingbands und bin jetzt nach einigem inneren hin und her doch sehr angetan.

Für mich schön daran: Kein EDO, eher Antike- als Mittelalterfeeling, aber einige interessante Besonderheiten (so wird erwähnt, dass eine Eliteeinheit des benachbarten taskanischen Imperiums über Schießpulver verfügt, die feindlichen benachbarten Jekkarenes sind eine matriarachale Theokratie ...)
Glaubwürdig für so ein Setting (ohne, dass ich da große Kulturhistorische Kenntnisse hätte) ist die Verteilung zahlreicher Völkerschaften und Stadtstaaten über ein Gebiet, das insgesamt als dominiert von der "korantischen Kultur" (die ein bisschen Pseudo-griechisch daherkommt) betrachtet wird. Es gibt zwar auch einen korantischen Kaiser, der ist aber kein echter politischer Herrscher, sondern eine reine Galionsfigur. Kurz: Korantia ist keine Nation in irgendeinem modernen Sinne, sondern ein politisch und ethnisch nicht klar einzugrenzendes Flickwerk.
Schön auch: Es wird viel Raum auf eine schlüssige Beschreibung der gesellschaftlichen Regeln (Bürgerschaft, Zugang zu Kulten und Magie, Sklaverei, Wehrpflicht ...) verwendet, gleichzeitig wird aber klargestellt, dass die im allgemeinen dargestellten Regeln in den jeweils einzelnen Stadtstaaten punktuell abweichen können. schöne Kombination aus viel Freiheit im Detail und einem Text, der ein gutes Gefühl für's Gesamtbild vermittelt.

So lala für mich: Korantia ist ziemlich sexisitsch. Obwohl das für den Rest der Welt aus den Beschreibungen zu folgern anscheinend nicht gilt, herrscht auch dort wohl zumindest in der Mythologie eine ziemlich klassische Geschlechterrollenverteilung (Mond- und Erdgöttin, Meeresgott und Kriegsgott ... okay, es gibt auch einen Gott des Ackerbaus). Ich mag's ja lieber, wenn da die Standards etwas aufgebrochen werden. Andererseits ist das direkte Nebeneinander von Sklavenhalter-Patriarchat Korantia, theokratischem Matriarchat der Jekkarenes und von oben verordneter Egalität der Taskaner natürlich ziemlich spannend, und eine Welt, in der überall Geschlechtergleichheit herrscht, nimmt andererseits auch eine Menge spannendes Konfliktpotential heraus.

Eher negativ: Beim Lesen bekomme ich fast den Eindruck, dass Korantia die langweiligste Region der ansonsten nur in Ansätzen beschriebenen Welt ist. Das taskanische Imperium, Jekkarene mit seinen Badlands, das verdorbene Assabia und die Barbarenländer im Norden wirken alle zumindest wie spannendere Abenteuer-Regionen als das doch etwas beschaulich daherkommende Korantia. Aber okay, ich bin noch nicht beim Abenteuerteil angekommen, vielleicht weden da die Potenziale deutlicher.

Jedenfalls: Schönes Setting, finde ich. Originell, ohne an irgendeinem bestimmten Punkt zwanghaft "anders" daherzukommen, und ziemlich unaufgeregt. Letzteres ist allerdings auch eine Schwäche in Sachen Vermarktung: Wenn man das Buch durchblättert/querliest, bekommt man als Vierfarb-Verwöhnter Rollenspieler auf der Suche nach bekannten visuellen und Archetypen-Klischees, an die man gedanklich sofort andocken kann, nichts geboten. Das Ganze wirkt dadurch etwas altmodisch, bei näherem Hinsehen aber durchaus in einem guten Sinne.

Offline Magister Ludi

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Re: [Ich erzähle euch von] Shores of Korantia
« Antwort #1 am: 5.04.2016 | 12:58 »
Ich gebe Rumpel in allen Punkten Recht, möchte aber einige Ergänzungen anbringen. Der Autor des Korantia-Buches versteht offenbar eine ganze Menge von alter Geschichte und hat in geschickter Weise die (historische) Funktion einer griechischen Polis einerseits mit der (fiktiven) Funktion der Kulte verbunden. Dass Frauen außerhalb kultischer Funktionen in Korantia nicht viel zu sagen haben, entspricht dem historischen Vorbild. Natürlich gibt es Ausnahmen, etwa in der Stadt Mersin, die man mit Meeros aus dem RuneQuest-Regelbuch identifizieren kann. Und natürlich kann man sich die einzelne Handwerkerin, Geschäftsfrau, Hetäre oder in Korantia ansässige Ausländerin vorstellen, die ein interessanteres Leben führt.

Korantia mag zwar auf den ersten Blick langweilig erscheinen (und ich finde tatsächlich das benachbarte Taskanische Imperium mit seinen vielen unterworfenen Provinzen interessanter), aber die Stadtstaaten bieten trotzdem eine Menge Abenteuerpotenzial. Einmal natürlich für Stadtabenteuer, dann aber auch durch die Auseinandersetzung mit der thennaltischen Urbevölkerung. Im Grenzgebiet zur Theokratie der Jekkarener liegt der Sardwald, in dem man Monster jagen oder auf zurückgezogene Zauberer stoßen kann. Vor allem aber sind die Korantier wie ihre griechischen Vorbilder eine Seefahrernation, die Kolonien auf allen Kontinenten gegründet hat. Bei dem längsten Abenteuer des Buches geht es ja dann auch um Piraten und die Erkundung einer Insel mit interessanter Vorgeschichte.

Schließlich sollte man auch festhalten, dass das Buch einige Ergänzungen zur RuneQuest-Magie bringt, zum Beispiel Pakte mit höheren Wesenheiten, die Herstellung von Amuletten oder die Möglichkeit, auch außerhalb eines Kultes eine persönliche Verbindung zu einem Gott aufzunehmen.

Dass das Buch nicht so "schick" aussieht wie andere neuere Publikationen, liegt wohl an den begrenzten Geldmitteln von Design Mechanism. Ich persönlich wäre eher genervt von einer umfangreichen Seitenrandgestaltung, die nur noch wenig Platz für den Text lässt, oder einem grauen Seitenhintergrund, der das Lesen erschwert. Für mich geht im Zweifel immer Inhalt vor Form.

Achamanian

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Re: [Ich erzähle euch von] Shores of Korantia
« Antwort #2 am: 5.04.2016 | 13:10 »
Mein Eingangspost hat vielleicht etwas kritischer geklungen, als er gemeint war ... persönlich habe ich wie gesagt z.B. nichts gegen die unaufgeregte Art, in der der Band daherkommt, im Gegenteil, hat man sich erst mal reingelesen, ist das sehr angenehm, und man merkt, dass hier "substance over style" gilt.

Was den Sexismus in Korantia angeht: Ich kann mir gut vorstellen, dass das zu den historischen Vorbildern passt; andererseits entscheidet man sich ja auch immer, welche Elemente man aus denen übernimmt und welche man abwandelt, es hätte also durchaus auch andere Möglichkeiten gegeben. Da die klare Männer-Frauen-Rollenverteilung aber in anderen Regionen Thennlas so nicht gegeben ist, habe ich damit eigentlich auch kein Problem, im Gegenteil liegt hier schöner Konfliktstoff. Es macht halt Korantia nur zu einer etwas weniger attraktiven Startregion. Entsprechen habe ich mir ja auch gleich "The Taskan Empire" bestellt!

Online AndreJarosch

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Re: [Ich erzähle euch von] Shores of Korantia
« Antwort #3 am: 15.04.2016 | 20:02 »
Entsprechen habe ich mir ja auch gleich "The Taskan Empire" bestellt!

Solange du dir dann auch "Die Küsten von Korantia" und "Das Taskanische Imperium" in deutsch zulegst wenn sie erschienen sind finde ich das gut. ;-)