Interessanter Thread. Vanilla-RPG versus ... wie auch immer das zu benennen wäre. Wäre jetzt mal interessant die persönlichen sexuellen Erfahrungshorizonte mit dem Verhalten am Spieltisch abzugleichen, aber ich fürchte das geht zu weit - das ist dann der Psychologe in mir, den man anscheinend doch nie wieder rausbekommt. Back to Topic:
Ich bevorzuge grundsätzlich Hardcore-Realismus in meinen Spielwelten, will sagen: es gibt nichts, was es nicht gibt. Sark&Gritty. Nun habe ich den beneidenswerten Vorteil, dass ich grundsätzlich nur mit Freunden spiele, also schonmal nicht mit Arschlöchern, so dass RL-Situationen im unangenehmen Bereich nie entstehen. Zudem besteht ein Einvernehmen der Runden, was den erträglichen Grad an Sex&Crime betrifft. Was sich generell bewährt hat ist die "Bei Stopp ist Schluss"-Methode, die ja auch in der Pädagogik mehr und mehr zur Anwendung kommt. Im Kurzen: jede(r) Mistpieler(in) kann zu jeder Zeit die Hand in abwehrender Geste heben und "STOPP" rufen, was zur sofortigen Unterbrechung der Szene führt; auf Bedarf kann dann eine Grenze definiert werden bzw. auch darüber gesprochen werden. Vor vielen vielen Jahren kam das ab und an mal vor, mittlerweile kenne ich meine Pappenheimer doch ganz gut.
Bei neuen Spielern gelten natürlich ganz andere Grenzen - versteht sich von selbst. Und natürlich passe ich mein Spiel grundsätzlich der Zeilgruppe an: bei meiner RPG-AG in der Schule gilt natürlich die FSK als Ziellinie - und zwar immer am jüngsten Teilnehmer orientiert, das sollte soweit klar sein. Und selbst hier gibt es die "Stopp"-Regel. Mit meinen eigenen Kindern spiele ich natürlich auch ganz ganz anders, als mit meiner "Erwachsenen-Hardcore-Runde". Letztere könnte vermutlich selbst hartgesottenen Pornokünstlern gelegentlich die Schamesröte ins Gesicht treiben - aber hey: das ist der Gruppenkonsens meiner Spieler/innen. Mir persönlich ist das ziemlich wurscht. Ich leite gerne, sehe mich aber primär als Unterhaltungskünstler, der den Ansprüchen seiner Mitspieler/innen angepasst agiert. Und die sind eben so unterschiedlich und bunt wie die Welt in der wir leben.
Gerade im RL sieht man ja dann doch immer wieder, dass die Geschmäcker recht unterschiedlich sind, sonst gäbe es wohl kaum "50 shades", echten BDSM, Swingerclubs, Darkrooms oder was auch immer. Entsprechendes kann im Rollenspiel eben auch vorkommen - oder auch nicht ... das muss jede(r) für sich wissen und dann - wie alles andere auch - im Gruppenkonsens funktionieren. Grundsätzlich sind meine eigenen Grenzen (wie ich im Laufe der Jahrzehnte nun feststellen konnte), also die Grenzen dessen, was ich im RPG thematisieren, bzw. darstellen/beschreiben würde wohl doch schon sehr weit in der externen Peripherie. Letztlich ist es eben ein Spiel der Fantasie. Ebenso muss man sich ja die Frage stellen, wo die Grenzen der gewalt bzw. des Horrors sind.
Ich erinnere mich da gerade an eine Reihe von Vampire:tM-Cons, die den schönen Namen "infernal desire" trugen. Das war Live-Action-Rpg mit Vampire-Hintergrund und doch sehr sehr BDSM-lastig. Da wusste jeder allerdings bei Kartenerwerb (und Regelzusendung) auf was er/sie sich einlässt - gerade die Spieler/innen mit den Menschenkarten. Letztlich waren sie innerhalb der Regeln und Absprachen Freiwild. Bei bedarf kann ich das gerne näher erläutern, aber nicht hier in einem allgemeinzugänglichen Teil eines Forums.
Tasächliche Aspekte (wie im Ausgangsthread) habe ich - wie auch viele andere - noch nie erlebt, noch kenne ich jemanden, der dies behauptet hätte. Ich hatte auch immer den Eindruck, dass unsere Szene da auf einem sehr guten Weg ist und sich signifikant von der Gesellschaft als solche abhebt. Ist aber eben nur mein persönlicher Eindruck. Dinge wie sie im zuerst verlinkten Artikel der Dame aus Kanada beschrieben wurden kann ich mir zwar nicht vorstellen, aber wie bereits oben erwähnt: ich bin jetzt alt genug um zu wissen, dass es nichts gibt, was es nicht gibt. Würde ich jemals so etwas erleben, dann würde es aber ordentlich in der Kiste rumpeln. Denn bei "Stopp" ist "Stopp".